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Erinnerungen an ein altes Reilinger Rezept: "Saure Schlappen" beim Kartoffelfest

[Online seit 08.02.2021]


Anlässlich der Renovierung des nahezu 250 Jahre alten Gasthauses „zum Engel“ tauchen bei vielen Reilinger Bürgern Erinnerungen an Ereignisse in diesem Lokal auf. So traf sich um 1930 dort die evangelische Kirchengemeinde zu größeren Versammlungen, da es ja noch kein Lutherhaus gab.  Tanzabende an „Kerwe“ oder „Kappenabende“ zur Faschingszeit durften auch nicht fehlen. Aber wir wollen auch einen Schritt in die Neuzeit wagen: Dort hielt vor 23 Jahren (1998) der damalige „singende Engelwirt“ Toni Kellner  erstmals im September ein dreitägiges “Kartoffelfest“ ab. In dessen Mittelpunkt wurde zum ersten Mal eine alte Reilinger Erdäpfelspeise verkostet und von den „Kerweborschten“  und dem singenden Wirt Toni Kellner vorgestellt, den „sauren Schlappen“ nämlich. Dies ist ein einfaches Rezept, das man in vielen deutschen Kochbüchern in ähnlicher Form, aber mit unterschiedlichen Namen (z. B. “saure Kartoffelrädle“) und gering abweichenden Zutaten vorfindet. Saure Schlappen gab es früher meistens am Samstag und waren ein beliebtes Mittagessen.

Kerweborscht mit dem singenden Toni Kellner und dem
Kerweborscht mit dem singenden Toni Kellner und dem "Saure Schlappelied"

Rezeptvorschlag für saure Schlappen: 1½ kg Kartoffeln (geht auch mit gekochten K.) Zum Kochen: ¾ l Wasser, Salz. Zur Soße: 50 g Fett, 75 g Mehl, ¾ l Fleischbrühe, Salz, 2 Essl. Essig, 1 Zwiebel mit 2 Nelken und ½ Lorbeerblatt besteckt.    Das Mehl wird in Fett hellbraun geröstet, abgelöscht, aufgefüllt und nach Zugabe der Gewürze die Soße 1 Std. durchgekocht. Während dieser Zeit werden die Kartoffeln geschält, in messerdicke Scheiben geschnitten, halbweich gekocht und nach Entfernung von Zwiebel, Lorbeerblatt und Nelken der braunen Soße zugegeben und fertig gedämpft. Dazu  schmecken u. a. auch frische Leber- oder Griebenwurst.

Blick ins gut besetzte Festzelt
Blick ins gut besetzte Festzelt

Reilinger Lied der Sauren Schlappen (Text und Melodie: Toni Kellner 1998)
Refrain nach jeder Strophe:   Awer samstags, do gibt´s saure  Schlappe! Jeden Samstag, do freut sich unser Bappe, weil halt samstags, so isch´s bei uns im Ländel, gibt´s Lewwerworscht unn saure Schlappe aus ämm Kändel!
1.Früher isch ma sunndags immer en die Kerch morgens vor dem Esse und hott g´sunge wie ä Lerch. Middags dann em zwölfe, ´s  war fast immer gleich, wird sich an de Tisch g´hockt, bei Nudel, Soß´und Fleisch!
2. Montags kummt von sonntags de Rest uff de Tisch, Nudel Soß`un Fleisch, manchmal isch´s ah Fisch! Do wird alles gesse  änn unserm Spargelort, denn montags do werd uffgroimt,  was übrig bleibt, fliegt fort!
3. Dienstags isch änn Essenstag, do gibt´s noch nätt so viel. Weil ma hott do immer noch des Wochenendgefühl, meistens gibt es Grießknepf mit Biereschnitz äm Saft, weil dienstags do hott ma doch von samstags noch viel Kraft!
4. Mittwochs, do isch dann der Tag vum Verein, ä Rummsteak, Pommes unn Salat des därf´s dann schon mol sein! Nach dem Training vun de Füß ´unn vunn de Gelenke, lässt ma sich dann meischdens 3 bis 4 Vert´l noch ei(n)schenke!
5. Jetzt kummt der Donnerstag, do kommt´s ohm enn de Sinn, do denkt ma übers Lebe nach, weil s´Blut isch heit ganz dünn! Do isst ma bloß en Joghurt und abends ä Salätel! So lebt ma uff´m Dorf, sonst heeßt ma dich änn Bledel!
6. Seit uralter Zeit gibt´s ä Regel uff´m Land: Freitags gibt´s kä Fleisch, dess isch Eich all bekannt! Dampfnudel gibt´s Kartoffelsupp´und Beere! Do dutt der Kraichgauländer heit jo noch druff schwöre!
7. Nur im Mai unn Juni, wenn´s uff em Acker sprießt, wenn aus jedem Haufe ä Spargelköpfel schießt, dann wird de Plan geännert bei uns im Spargelland: Denn dann esse mir Spargel, nur vom Reilinger Sand!!

Apotheker Günter Blaesius und Kultur- und Sportvereinsvorsitzender  Siegfried Heim bei der Kartoffelkönig-Krönungsfeier
Apotheker Günter Blaesius und Kultur- und Sportvereinsvorsitzender Siegfried Heim bei der Kartoffelkönig-Krönungsfeier

Der findige Gastwirt Toni Kellner lud im Laufe der Jahre (1988 bis 2009 ) in einem Zelt im Innenhof des „Engels“ zahlreiche Reilinger und viele Auswärtige zu seinen insgesamt 12 Kartoffelfesten ein. Er bot immer ein neues Programm mit der Wahl der oder des Kartoffelkönigs.   Schürze, Kartoffelkette, Hut und Kartoffelzepter waren die Insignien. Zahlreiche Musikgruppen, Laiensolokünstler und andere örtliche Gruppierungen traten in bunter Folge auf. So gab es Wettbewerbe im Kartoffelschälen. Aber nicht nur saure Schlappen, nein auch Ochsenkopf und Meerrettich, Krustenbraten mit Kartoffelsalat luden viele Mitbürger vom Früh- bis zum Dämmerschoppen zu den dreitägigen Festen ein. Selbst Mundartsänger Charlie Weibel war mit von der Partie. Allein schon  auf der ersten Einladung 1998 hieß es am Montag, dass „ um 11 Uhr ein Kartoffelfrühschoppen für Schichtarbeiter, Rentner und Friseure mit Unterhaltungsmusik“ besucht werden könne. Unvergesslich blieb natürlich immer die „Festhymne“, das „Saure Schlappenlied“, das im Bedarfsfall durch aktuelle Strophen ergänzt wurde. 2001 kam noch ein aktuelles „Pommeslied“ dazu, zu welchem 2003 Toni Kellner noch ein Spargellied  (Asparaguslied) anfügte.
Ab dem Neujahrstage 2010 schloss der „Engel“,  so dass nach insgesamt 12 Folgen des Reilinger Kartoffelfestes nur noch die Erinnerung  an den singenden  Reilinger Engelwirt  und an die  gelungenen dörflichen Festereignisse übrig bleibt.(Philipp Bickle )
Fotos: Philipp Bickle
Bilder: Blick ins gut besetzte Festzelt---Apotheker Günter Blaesius und Kultur- und Sportvereinsvorsitzender  Siegfried Heim bei der Kartoffelkönig-Krönungsfeier -----Kerweborscht mit dem singenden Toni Kellner und dem „Saure Schlappelied“

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