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"Ist der Auto-Leichenwagen pietätlos" (1913) (Teil 1)

[Online seit 10.04.2017]

Bis zum Jahre 1957, als man endlich in Reilingen eine moderne Leichenhalle hatte, wurden die Reilinger Verstorbenen mit einem pferdegezogenen Leichenwagen vom Sterbehaus durch die Ortstraßen und dann auf der vielbefahrenen Bundesstraße 39 zum Friedhof am Heidelberger Weg verbracht. Meist zogen der Kirchenchor oder ein anderer Verein singend dem mit Kränzen behängten „Totenwagen“ voraus und der Pfarrer mit den Angehörigen und einer großen Trauergemeinde folgten sodann. Unser heutiges Bild entstand am 22.9. 1956, einem Sonntag, als an diesem herbstlichen Tag, der beliebte Reilinger Abraham Eichhorn („Polizeidiener Awaahamm“ ) unter Voranschreiten des Sängerbundes und mit einer großen Zahl nachfolgender Menschen beerdigt wurde. Den Leichenwagen lenkte Ludwig Heilmann aus der Friedrichstraße .
Den Leichenwagen hatte der Reilinger Gemeinderat im Jahre 1893 beschlossen und 1895 angeschafft. Er wurde von Schmiedemeister Friedrich Steidel aus Wiesloch nach „Wieslocher Muster“ gebaut und hatte 360 Mark gekostet. Dazu kamen noch „zwei leichte Chaisengeschirre mit Kummet“ und zwei schwarze Decken für die Pferde. (Quelle :Friedrich Kief, „Reilinger Begräbniskultur“ , 2008). In der Stadt gab es damals wohl schon lange Zeit keine pferdegezogenen Leichenwagen mehr. In der „Berliner Illustrierten“ ( 1913 ) lesen wir: „Neuerdings findet man mehrfach in Großstädten Leichenwagen mit Automobilbetrieb. Die Wagen sind äußerlich durchaus würdig gehalten und sehen meist sogar wesentlich besser aus als die üblichen Leichenwagen in Sargdeckelform mit ihren schwarzen, aber gewöhnlich schon nach kurzem Gebrauch grau verwitterten Behängen. Es ist anzunehmen, dass diese Bestattungsautomobile, zu denen auch entsprechende Begleitwagen gehören, sich mehren werden, zumal in Großstädten, wo die Kirchhöfe nicht selten mehr als zehn Kilometer entfernt vom Trauerhause liegen. Bei Epidemien hätte dieser Automobilbetrieb sogar eine hervorragend hygienische Bedeutung. Natürlich fahren diese Wagen in stark beschleunigtem Tempo, und das vorzugsweise ist der Punkt, an dem heutzutage das Pietätsgefühl einigen Anstand nimmt. Die langsame Feierlichkeit des Leichen-„Begräbnisses“ gibt der ganzen Zeremonie eine Weihe, die mit dem Automobilbetrieb nicht vereinbar scheint. Hier wiederum wird eine Tradition durchbrochen, die seit unseren ersten Jugendtagen in uns haftet. Wir erinnern uns eines Reisenden, der bei seiner Heimkehr von Amerika zunächst nichts Wichtigeres zu erzählen wusste als: „ In New York fahren Leichenwagen Trab!“ So stark war der Eindruck in ihm haften geblieben.“
Bilder: Eine der letzten Reilinger Beerdigungen mit dem pferdegezogenen Leichenwagen (September 1956). Mit dem (vermutlich?) evangelischen Pfarrer Dr. Reinhold Rieger und dem Leichenwagen geführt von Ludwig („Lui“) Heilmann. Das Bild wurde uns von Herrn W. Uhlmann zur Verfügung gestellt und zeigt die Beerdigung seines Schwiegervaters des Wirtes („Grüner Baum“), Metzgers und Polizeidieners Abraham Eichhorn. – Kruzifix von der kath. Kirchengemeinde 1897 bei der Einweihung des Friedhofes am Heidelberger Weg gestiftet.
Philipp Bickle

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