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Urgroßmutter betete abends im Gebetbuch

[Online seit 22.10.2015]

Früher gab es abends kein Fernsehen oder Radio. Meine Großmutter Lina betete beim Abendglockenläuten:" Lieber Mensch, was mag´s bedeuten, dieses Abendglockenläuten? Es bedeutet abermals unsres Leben Ziel und Zahl; dieser Tag hat abgenommen alsbald wird der Tod auch kommen; drum oh Mensch, so schicke dich, dass du sterbest seliglich. Amen" Manchmal ging der Text noch weiter: " Zähle deines Jesu Wunden, alle seine Leidensstunden. Sei im Leiden guten Mut´s, lass´ ab vom Bösen und tue Gut´s." Dazu hatte sie noch ein Gebetsbuch mit Großbuchstaben, damit man zur Not noch ohne Brille beten konnte. Im Buch waren Gebete für alle Tage. Bei den evangelischen Familien war das Gebetsbuch von "Starck" weit verbreitet. In katholischen Familien war die "Christkatholische Handpostille" des Prämonstratenser- Paters Leonhard Goffine ( 1648 – 1719) weit verbreitet. ( Unterrichtungen auf alle Sonn- und Festtage des ganzen Jahres, Erklärung der kirchlichen Gebräuche etc.)
Den Anlass für einen Bericht in diesem Ortsblatt haben wir Erich Schaaf zu verdanken. Er brachte kürzlich ein stark ramponiertes Exemplar eines alten Andachtbuches bei unserer Redaktion vorbei. Der vordere Buchdeckel und die ersten Seiten fehlten. Die Holz- (oder besser) Bücherwürmer hatten den hinteren ledernen und mit Holzeinsatz versehenen Buchdeckel stark angefressen, einige Seiten waren durch Wurmgänge durchlöchert und einzelne Seiten waren durch das Lesen und öfteres Umblättern geknickt und beschädigt.
Interessant war aber der Inhalt: Das Buch wurde wohl um 1752 (!!) gedruckt und enthielt mehre erbauliche Schriften des General-Superintendenten des Fürstentums Lüneburg Johann Arndt (1555 – 1621). Er verfasste das erste lutherische Andachtsbuch.
Nach Protesten aus der evangelischen Orthodoxie erschien 1610 eine Gesamtausgabe seiner Bände 1 bis 4. Es wurde das meistgeschätzte Buch im Pietismus des 19. Jahrhunderts. Die Bände wurden mehr als 200 mal aufgelegt. Unser Buch enthält noch weitere Schriften der damaligen Zeit. U.a. auch "Das Paradiesgärtlein", die "Deutsche Theologia ( Die Nachfolge Christi) von Thomas Kempis"). Es wurde in Erfurt gedruckt und verlegt im Jahre 1752. Das Buch enthält schöne Kupferstiche und liest sich mit heutigen Augen besehen, wie man sich früher bilden konnte. Es enthält Gebete gegen die "Pest(ilenz)", "Theure Zeit und Hungersnoth", um "beständige Freundschaft" , " Gebet in Kriegs-Noth, wider die Türcken", "Wider böse Mäuler und Verleumder" und tausend weiter Ratschläge .
Das Buch ist lesenswert, mit groß gedruckten Buchstaben versehen, mit zahlreichen Kupferstichen ausgestattet, geschichtlich belehrend und interessant. Es hatte etwa 1000 Seiten. Aber eine Renovierung ist wohl kaum möglich. Ein besser erhaltenes Exemplar bekommt man im Antiquitätenhandel um die 250 Euro und eine Restaurierung dieses Exemplares käme viel zu teuer, aber es stammt halt aus Familienbesitz....!!
Philipp Bickle

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