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"Unser täglich Brod gieb uns heute!"

[Online seit 20.04.2015]

Als wesentlicher Teil des alten christlichen Gebetes um das tägliche Stück Brot im "Vaterunser" denken wir nicht unbedingt an schwierige Hungerzeiten. Allein schon in der Rechtschreibung der Vergangenheit können wir gewaltige Unterschiede feststellen. Aus dem lateinischen "pater noster" wurde es im Laufe der Zeit unterschiedlich in der deutschen Sprache geschrieben. Als Nachwirkungen finden wir es noch heute bei uns. In Reilingen gibt es z.B. die "Weißbrods" (u.a. Gärtnerei), "Weisbrod" (Bürgermeister Stefan W., ebenfalls aus Reilinger Linie stammend) und der am meisten vorhandenen Linie, den " Weißbrodts ". Eine "Brotkapsel" (blecherner emaillierter Brotbehälter) aus dem Reilinger Heimatmuseum trägt neben der Schreibweise "Brod" auch noch das in der Rechtschreibreform von 1902 abgeschaffte "gi(e)b", so dass wir erkennen können, dass das Museumstück mindestens über 110 Jahre alt sein dürfte. Bei näherer Betrachtung lässt der emaillierte Brottopf auch gerne einen Rückblick auf den Brotverzehr in früherer Zeit erkennen. Allein schon die Größe ist imposant. Er hat einen Durchmesser von 38 cm und eine Höhe von 14 cm. Es passte also ein ganz großer runder (Bauern-) Laib Brot hinein. Da die Familien groß waren, ruhten meist fünf bis sechs der großen Laibe im Keller auf dem "Brothang", hochkant gestellt. Dieses Regal war mit Draht an der Kellerdecke befestigt, damit das Brot frisch blieb und den Mäusen keinen Zugang gewährte. Dort sollte das Brot ja mindestens eine Woche bleiben.
Kam das Brot nun zum Verspeisen nach oben, so wurde es meist vom Vater verteilt. Mit dem Messer schnitt er, je nach Begabung einen größeren oder kleineren "Keitel" (dicke Brotscheibe) ab. Wenn das Brot knapp war, wurde der Brotbehälter gar mit einem Schloss gesichert (siehe Bild). Was gab es nun zum Brot? Manchmal nichts! "Trocken Brot macht die Wangen rot!" lautete ein Sprichwort. Sonst aber gab es oft "weißen Käse" (Quark), Schweineschmalz, Marmelade, selbstgemachte Butter oder einfache Margarine oder abgeschöpften Kuh-oder Ziegenmilchrahm mit Zucker als Brotaufstrich. Wenn geschlachtet wurde auch eine Portion Speck oder Schinken und Hausmacher Leber-, Griebenwurst oder Schwartenmagen.
Freilich, die Zeiten waren nicht immer so herrlich. Im 1. und 2. Weltkrieg bettelten Reilinger Kinder (wie mir von noch lebenden Reilinger Mitbürgern versichert wurde) bei Bauern in St. Leon (weil sie da keiner kannte ), um Brot. Nach dem Zweiten Weltkrieg (wie mir noch gedenkt) kamen Mitglieder der Neulußheimer Familie Bachert nach Reilingen, um hier um Brot zu bitten. Besonders gerne kamen sie auch an Kerwe, denn da gab es schon auch manchmal ein Stück Kuchen.
Aber das Brotbacken kam allmählich aus dem Brauch. Man kaufte sein Brot beim Bäcker. Die Bauernkinder freuten sich über ein Stück "Bäckerbrot" und in der Schule tauschte man deswegen gerne sein "Bäckerbrot" gegen ein Stück "Bauernbrot".
Ich hatte schon geschildert, dass es nicht immer reichlich Brot gab. In beiden Weltkriegen gab es "Brotmarken", welche für Kinder, Erwachsene oder Schwerarbeiter unterschiedliche Gewichte verzeichnet hatten, und Brot gab es nur gegen solche " Marken". Ich erinnere mich noch gut, dass mein Vater (kurz nach 1948) von einer "Hamsterfahrt" (als Tauschware hatte er selber gemachte Zigarren dabei) ein Stück Bauernbrot und ein Stück Schinken von einem Bauern aus dem "Bauland" mitbrachte. Mein Vater war bei der Bundesbahn und konnte so günstig mit der Eisenbahn fahren. Die Adresse solcher Bauern, bei denen man beim (verbotenen) "Hamstern" etwas zum Essen und ohne "Lebensmittelmarken" ergattern konnte, wurde nur heimlich an gute Bekannte weitergegeben.
Aber wenn ich an unseren Eingangsspruch denke, "Unser täglich Brot gib uns heute!", dann erfasst mich ein leichter Schauer, wenn manche Leute beim Einkauf eine "Pfünderbrotes" noch einen kleineren Teil möchten, weil sie nur frisches Brot essen möchten!
Philipp Bickle

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