Wir berichten
Von Budaörs nach Reilingen (nach Erinnerungen von Anna Regergeb.Drixler) Teil
[Online seit 21.05.2012]
Hochzeitsbild von 1947 Leo Reger und Frau Anni geb. Drixler mit den Brautjungfern Kathi Streck verh. Fleißig und Gerda Bräuninger verh. Dorn.
Am 7. Februar 1946 kamen die Bürgermeister der umliegenden Ortschaften nach Hockenheim in die als "Lager" dienende Schule, um die ihnen zugeteilten "Flüchtlinge" mitzunehmen. Die Mutter von Anni Drixler war krank, so dass die 19jährige Anni alleine in einem offenen Pferdewagen bei Regen und Kälte mit dem ärmlichen Hab und Gut nach Reilingen gebracht wurde. Im Unterdorf vor einem großen Tor ließ man sie aussteigen. Sie stand "mutterseelenallein", wie sie in ihren Erinnerungen schreibt, auf der Straße( Hauptstraße 12, Haus Bräuninger und Wohnung von Julius Dürr) und wusste nicht wohin. Sie weinte. Nach einer Weile kam ein Mädchen heraus, das etwas älter war als sie ( Liesel Dürr verh. Wind). Sie nahm sie mit in den Hof und zeigte ihr die Unterkunft. Es war die Waschküche mit zwei Türen und zwei Fenstern. Es war sehr kalt. "Aber ich war jung und sah der Zukunft zuversichtlich entgegen. Außerdem war ich erleichtert, dass ich nun ein Dach über dem Kopf hatte!"schreibt sie.
Bald darauf folgte die Mutter und nach einer Woche fand Anni Drixler Arbeit bei der Firma "Isolation", welche später nach Neckarau umsiedelte. Da noch kein Omnibus nach Hockenheim fuhr, ging man zu Fuß zum Bahnhof, denn sie hatten kein Fahrrad .Die Spätschicht ging bis 23 Uhr, und es wurde oft nach 24 Uhr, bis sie zu Hause waren. In dieser Zeit war es selbst für Frauen kein Problem in der Nacht zu Fuß unterwegs zu sein. Sie erzählten sich Vieles auf dem Heimwege und die Zeit verging wie im Flug. " ... und ehe man sich versah, war man schon zu Hause angekommen!" schreibt sie.
Bald darauf lernt sie ihren Mann Leo Reger kennen. Er wohnte auf der gegenüberliegenden Seite ( Hauptstraße 9) . Sie heirateten im Januar 1947, ohne einen Pfennig Geld in der Tasche. Hochzeitskleid und Hochzeitsanzug waren geliehen, der Brautstrauß mit künstlichen Blumen und etwas echtem Grün! Sie bekamen zwei Töchter und lebten in verschiedenen Reilinger Wohnungen, ehe sie zusammen mit ihren Eltern (der Vater war aus der Gefangenschaft zurück) ein Haus in der Richard-Wagner-Straße 25 ( und nicht in der "Uhlandstraße" wie in der letzten Ausgabe fälschlich angegeben!!) bauten. Dort wohnt sie noch heute mit einer der Töchter, mit Schwiegersohn und Enkel. Auch die erstgeborene Tochter lebt mit ihrem Mann in Reilingen. Die Enkelin ist in Portugal und hat einen Sohn.
"Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, kann ich sagen, dass es erfüllt, arbeitsreich und weitgehend glücklich war!" berichtet sie. Die Erlebnisse, Sorgen und Ängste, die vor allem durch diesen schrecklichen Krieg verursacht wurden, könne sie nie vergessen. Sie erinnere sich noch gerne an die vielen schönen Stunden, an Begegnungen mit Menschen, die ihr wichtig waren oder heute noch ihren Weg begleiteten. Trotz vieler Entbehrungen und Hindernissen hätte sie ihr Leben gemeistert, und gelernt, dass man es nehmen müsse, wie es kommt!!!
Philipp Bickle
Reilinger Frauen aus Budaörs: Sitzend (v.l.n.r.) Elisabeth Winkler geb.Riedel; Brigitte Prim geb.Hauser; Rosa Streck geb. Pfund; Maria (Ritz) Hocker geb. Schilling; Anna Latozinsky geb.Herzog; Anni Reger geb. Drixler; stehend Barbara Breier geb. Trautenberger und Anna Ruckmich geb. Hauser.
