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Naturerlebniswoche: Großes Interesse an der Exkursion in die Kisselwiesen und zur Burg Wersau

[Online seit 11.05.2012]

Im Rahmen der Naturerlebniswoche 2012 hatten der BUND-Ortsverband Hockenheimer Rheinebene und der Arbeitskreis Burg Wersau des Heimatvereins „Freunde Reilinger Geschichte e.V.“ zu einer gemeinsamen Exkursion in die Reilinger Kisselwiesen und zur benachbarten Burg Wersau eingeladen. Unter dem Motto „Auf den Spuren von Natur und Kultur bei Reilingen“ sollte die Beziehung zwischen der Gestalt der Landschaft und der Kultur des Menschen aufgezeigt werden. Uwe Heidenreich vom BUND und Heimatforscher Otmar Geiger freuten sich als Exkursionsleiter über das große Interesse, denn sie konnten trotz durchwachsenem Wetter rund 30 Teilnehmer begrüßen.
Der Weg führte zunächst an den Kraichbach, der unmittelbar an den Kisselwiesen und der ehemaligen Burg Wersau vorbeifließt. Der Bach ist zwar begradigt, in gewässerökologischer Hinsicht aber dennoch interessant, denn er bietet vielen Tierarten einen Lebensraum. So konnte Diplom-Biologe Heidenreich den Teilnehmern Wasserschnecken und Muscheln zeigen, wobei er darauf hinwies, dass einige davon Neubürger sind, die vom Menschen eingeschleppt wurden wie z. B. die ursprünglich aus Asien stammende Körbchenmuschel.
Landschaftsgeschichte rund um Reilingen
Bevor es in die Kisselwiesen ging, stand die Geschichte der Landschaft bei Reilingen auf dem Programm. Hierzu übergab Heidenreich an seinen BUND-Kollegen Thomas Kuppinger. Der Diplom-Geograph erläuterte, dass die heutige Landschaft in der letzten Eiszeit und der Nacheiszeit geformt wurde. Dabei spielte der Rhein ein wichtige Rolle: Er führte während der Eiszeit viel mehr Wasser als heute und nahm weite Bereiche des Oberrheingrabens ein, wobei er große Mengen an Kies und Schotter ablagerte. Am Ende der Eiszeit nahm seine Wasserführung ab und er zog sich in die Grabenmitte zurück, wodurch weite Kies- und Schotterflächen auf der heutigen Niederterrasse trockenfielen.
Am Ostrand des Oberrheingrabens entstand etwa zur gleichen Zeit eine Senke, in der sich das Wasser der Flüsse und Bäche aus Schwarzwald und Kraichgau sammelte. Von dieser Senke – nach den größten Schwarzwaldflüssen auch „Kinzig-Murg-Rinne“ genannt – gab es viele Durchbrüche durch die Niederterrasse, in denen das Wasser zum Rhein abfloss. In einem der größten Durchbrüche, den bis vor rund 5000 Jahren ein Fluss von der Größe des Neckars durchflossen hat, fließt heute der Kraichbach. Der vorgeschichtliche Fluss hat rund um Reilingen deutliche Spuren hinterlassen, so ist z. B. die Fröschau ein verlandeter Mäander dieses Flusses.
Der Kraichbach wählte den vorhandenen Durchbruch für seinen Weg zum Rhein. Er floss in vielen Schlingen und verlegte immer wieder seinen Lauf, wobei in früheren Zeiten ein zweiter Bach, der Kaltbach, vorhanden war. So wusste Otmar Geiger zu berichten, dass allein seit dem 11. Jahrhundert sieben natürliche Bachbettverlegungen belegt sind und die ehemalige Burg Wersau auf einer Insel zwischen den beiden Bachläufen lag. Seine heutige Gestalt erhielt der Kraichbach in den 1930er Jahren, als er zwecks Hochwasserschutz und Landkultivierung begradigt und ins Bett des Kaltbachs verlegt wurde.
Als Gast konnten die Veranstalter Ingmar Holzhauer vom Geographischen Institut der Universität Heidelberg begrüßen. Der Diplom-Geograph stellte die Ergebnisse von Bodenuntersuchungen in den Kisselwiesen und im angrenzenden Wald Adamsbühl vor, die bestätigen, dass auch die heutigen Kisselwiesen im Bett des vorgeschichtlichen Flusses lagen. Desweiteren legen die Untersuchungen nahe, dass der Adamsbühl in früheren Zeiten auch einmal waldlos gewesen sein muss, was Rückschlüsse auf eine frühe Besiedlung dieses Bereichs zulässt. Der Name des Waldes bestärkt diese These: „Bühl“ bedeutet Hügel oder Anhöhe, was für die Menschen einen sicheren Siedlungsplatz bedeutete, der sich über den Überschwemmungsbereich des vorgeschichtlichen Flusses erhob.
Ehemalige Wässerwiesen: die Kisselwiesen am Kraichbach
Im Anschluss stellte Uwe Heidenreich die Kisselwiesen vor, die ein mustergültiges Beispiel dafür sind, wie sich eine Kulturlandschaft in die natürlichen Gegebenheiten einfügt. Ihren Namen haben sie von dem Feuchtwald Kissel oder Kislau, der früher an dieser Stelle stand und in den 1840er Jahren abgeholzt wurde. Zur Ertragssteigerung wurden die Kisselwiesen bis in die 1950er Jahre als Wässerwiesen genutzt, d. h. Wasser wurde aus dem Kraichbach ausgeleitet und die Wiesen über ein ausgeklügeltes System von Be- und Entwässerungsgräben gewässert. Es ist wahrscheinlich, so Heidenreich, dass der Aufbau dieses Systems durch holländische Fachkräfte unterstützt wurde, wie es z. B. auch bei den Wässerwiesen des Karl-Ludwig-Sees im Hockenheimer Rheinbogen der Fall war.
Heute sind die Kisselwiesen das letzte zusammenhängende Wiesengebiet am unteren Kraichbach und haben eine hohe ökologische und kulturhistorische Bedeutung. Trotz der Aufgabe der Wiesenwässerung sind die alten Wässerungsgräben immer noch im Gelände zu erkennen, vor allem wenn die Wiesen frisch gemäht sind. Sie sind Lebensraum zahlreicher Tiere und Pflanzen. Die alten, aus Sandstein erbauten Schließen des Grabensystems sind heute funktionslos und verfallen zusehends.
Die ehemalige Burg Wersau
Nach Natur- und Landschaftskunde nahm man die Burg Wersau ins Visier. Hierzu lud Otmar Geiger in die wenige Schritte entfernte Schlossmühle ein, wo ein kleiner Imbiss auf die Teilnehmer wartete, den der Arbeitskreis Burg Wersau vorbereitet hatte. Vor allem der heiße Kaffee wurde gerne angenommen, da der Exkursionstross in den Kisselwiesen in einen heftigen Regenguss geraten war.
Der Historiograph Geiger gab zunächst einen Überblick über die bisher bekannte Geschichte der Burg, die an der Stelle der heutigen Schlossmühle stand und im 17. Jahrhundert zerstört wurde. Während sie zunächst den Speyerer Bischöfen gehörte, ging sie noch im Mittelalter in kurpfälzischen Besitz über. Da sie bis zu ihrer Zerstörung auf nahezu allen Karten der hiesigen Region eingezeichnet war, muss sie von großer Bedeutung gewesen sein. Dies, so Geiger, sei jedoch noch nicht abschließend geklärt und müsse weiter erforscht werden. Um dafür Mittel einzuwerben, wurde kürzlich der „Förderverein Burg Wersau e.V.“ gegründet.
Zum Abschluss stellte Geiger die archäologischen Grabungen des Landesamtes für Denkmalpflege vor, die vom Arbeitskreis aktiv unterstützt werden. So konnten Mauerreste freigelegt und unzählige Gegenstände aus vielen Jahrhunderten geborgen werden, neben typischer Massenware wie Geschirrscherben auch seltene mittelalterliche Münzen. Anhand geophysikalischer Messungen konnten zudem die Fundamente der Burg im Boden nachgewiesen werden, wobei sich eine weitgehende Übereinstimmung mit den Grundrisszeichnungen in historischen Lageplänen feststellen lässt.
Die Exkursionsleiter Heidenreich und Geiger dankten den Teilnehmern, die sich vom regnerischen Wetter nicht abschrecken ließen, für ihr Interesse sowie für die vielen Fragen und Anmerkungen, die zu einem gelungenen Exkursionstag beigetragen haben. BUND-Vorsitzender Dieter Rösch stellte in seinem Schlusswort erfreut fest, dass sich das Wissen der beteiligten Fachleute im Verlauf der Exkursion zu einem interessanten und vielschichtigen Gesamtbild der „Natur und Kultur bei Reilingen“ zusammenfügt hat.
Thomas Kuppinger
Otmar Geiger bei seinen Ausführungen zur Burg Wersau
Otmar Geiger bei seinen Ausführungen zur Burg Wersau

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