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Hungerwinter 1914

[Online seit 31.01.2012]

Kopie einer Milchmarke
Kopie einer Milchmarke

Vom Reilinger Postkartensammler Theo Busch erhielten wir eine interessante Postkarte, welche 1917 im 1. Weltkrieg in Schwetzingen gedruckt wurde. Hier wurde mit viel Humor ein ernstes Problem geschildert, nämlich die Hungersnot der leidenden Zivilbevölkerung im Krieg. Ich weiß von einer verstorbenen Nachbarin, dass sie als Kind von ihren Eltern nach St. Leon geschickt wurde, um dort um ein Stück Brot zu betteln. Ich weiß auch von meinem Großvater, dass man von den selbst angebauten Kartoffeln einen Teil abliefern musste, einen  anderen Teil konnte man behalten, erhielt dann aber keine Lebensmittelmarken für Kartoffeln. So versuchten die Großeltern einen Teil der geernteten Kartoffeln im Heu zu verstecken und nur die wenigen im Keller als Ernteertrag anzugeben. Immerhin hatte die Familie damals mehrere Kinder zu ernähren, von welchen dann eines während des Krieges wohl an Milchmangel oder ungenügender Ernährung verstarb. Aber leider hatte man die Kartoffeln zwar im Heu versteckt, aber der Winter wurde so kalt, dass alle versteckten Kartoffeln erfroren!!!
Als während des 1. Weltkrieges  die Kriegsegner Deutschlands eine Seeblockade durchführten, kam es zu einer Verschlechterung der Lebensmittelversorgung, so dass man schon 1915 eine Zwangsbewirtschaftung ("Lebensmittelmarken") einführen musste. Im harten Winter 1916/17 wurden wegen der miserablen Kartoffel- und Getreideernte Steckrüben als Ersatz ausgegeben. Es fehlte auch an Düngermittel und viele Pferde wurden im Krieg gebraucht, so dass sie bei der Bearbeitung der Felder fehlten.  Im Sommer 1917 hatten die zugeteilten Nahrungsmittel durchschnittlich nur 1 000 Kalorien.  2 280 Kalorien hatte das Reichsgesundheitsamt errechnet; also mehr als doppelt so viel wären täglich nötig gewesen..  Besonders hart litten die Städter, weil sie ja in Gärten oder auf Feldern nichts Zusätzliches anbauen konnten. So ging dieser Winter als "Kohlrübenwinter" in die Geschichte ein. Es gab extra Kochbüchlein, in welchen man mit Rüben auch Marmelade  und andere Ersatzgerichte ( u. a. Kaffee, "Muggefuck") kochen konnte. Infolge des geringen Nährwertes kam es vor, dass die hungernden Menschen einen erweiterten, d. h. vergrößerten Magen bekamen! In Deutschland starben in dieser Zeit über 700 000 Menschen an Hunger, obwohl man in vielen Städten Suppenküchen oder Ähnliches eingerichtet hatte.  In den ländlichen Gebieten kamen die "Hamsterer" zu den Bauern, um gegen erhöhte Geldbeträge oder gegen Wertgegenstände  zusätzliche Lebensmittel zu erhalten. 
Die  in Schwetzingen gedruckte Postkarte ist im Besitz von Theo Busch. Die Kopie der Milchmarken, die in jedem Monat eine andere Farbe hatten, und für welche man für die ganze Familie pro Tag 0,5 Liter Milch zugeteilt bekam, erhielten wir im Jahre 1994 von Heinz Giraud (Stutensee-Friedrichsfeld) für unser Heimatmuseum.
Philipp Bickle

Postkarte zur Hungersnot
Postkarte zur Hungersnot

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