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Vor 65 Jahren: Wer erinnert sich noch? Die ersten "Gastarbeiter"!!

[Online seit 13.10.2020]

Im Dezember 1955 unterzeichneten Deutschland und Italien das erste „Gastarbeiter“-Anwerbeabkommen. Damit kamen italienische Arbeiter nach Deutschland, um den steigenden Bedarf an Arbeitskräften („Wirtschaftswunder“) zu decken.
Im ganzen Land, besonders im landwirtschaftlichen Sektor, im Bergbau und für den Straßen- und Brückenbau wurden händeringend Arbeiter gesucht. Ganz anders in Italien: Vor allem im Süden des Landes waren viele Menschen ohne Beschäftigung. Bundesarbeitsminister Anton Storch und der italienische Außenminister Martino unterzeichneten am 20. Dezember 1955 in Rom das Anwerbeabkommen. Es erlaubte deutschen Unternehmen, dringend benötigte Arbeitskräfte aus Italien zu beschäftigen. Übrigens: 1960 folgten Spanien und Griechenland, 1961 die Türkei, 1963 Marokko und später Portugal, Tunesien und Jugoslawien.
Die überwiegend männlichen, jungen Angeworbenen wurden vor allem für einfache, körperliche Arbeiten im industriellen Gewerbe eingesetzt. Sie lebten ohne Familienangehörige in Baracken oder Sammelunterkünften. Weil ihr Aufenthalt nur vorübergehend sein sollte, wurden sie als „Gastarbeiter“ bezeichnet. Das sogenannte „Rotationsprinzip“ sah vor, dass sie nach Ablauf der Aufenthaltsfrist wieder in ihre Heimatländer zurückkehren und andere an ihre Stelle treten sollten.

In der Praxis zeigte sich aber ein anderer Trend. Viele Firmen wollten die eingearbeiteten Arbeitskräfte weiter beschäftigen. Ihnen folgten auch immer öfter ihre Familienangehörigen nach Deutschland. Der Ausländeranteil an der deutschen Wohnbevölkerung stieg von 1,2 Prozent im Jahre 1960 auf über 4,9 Prozent 1970.

1962 sang Conny Froboess ihr Lied „Zwei kleine Italiener“ und schilderte darin die Heimwehgefühle der meist unverheirateten jungen Männer: „Eine Reise in den Süden ist für andere schick und fein, doch zwei kleine Italiener möchten gern zuhause sein!“ Der Schlagertext gilt als erstes Lied, das die Thematik der sogenannten Gastarbeiter aufgegriffen hat. Einerseits gehörten italienische Gastarbeiter zum normalen Arbeitsleben, andererseits hatten die Deutschen Italien schon längst als Reiseland entdeckt. Interessanterweise bekam das Lied beim Eurovision Song Contest keinen einzigen Punkt aus Italien. Conny Froboess kam mit diesem Schlager nur auf Platz sechs!
In der „Rheinpfalz“ vom 15. April 1956 lesen wir: „Die ersten Italiener sind da!“ Als landwirtschaftliche Saisonarbeiter in südpfälzischen Betrieben – Die Landwirte sind zufrieden!


„Die ersten zwölf von insgesamt 21 angeforderten italienischen Landarbeitern sind seit ein paar Tagen im Arbeitsamtsbezirk eingetroffen. Am 5. April traf der von Mailand aus eingesetzte Eisenbahn-Sondertransport in Neustadt ein, wo die für den südpfälzischen Bereich bestimmten Italiener per Personenzug nach Landau weitergeleitet wurden … In der Beschickung der Bundesrepublik mit italienischen Saisonarbeitern wird die Pfalz wegen ihres milden Klimas bevorzugt.
Es handelt sich zum Teil um Weinbau – teils um gemischte Betriebe durchweg größeren Umfangs.
Die ausländischen Saisonarbeiter stammen aus Norditalien, haben dort zum größten Teil Familien und stehen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren. Sie werden nur bis zum 15. November hier sein; dann läuft der Arbeitsvertrag ab.

60 Arbeitsstunden pro Woche
Die Italiener haben bei freier Kost und Wohnung einen monatlichen Lohn von 120 DM zuzüglich 20 DM Treueprämie. Außerdem trägt der Arbeitgeber die Sozialabgaben und die Kosten für die Anreise aus Italien. Die Arbeitszeit beträgt pro Woche 60 Stunden, zehn Stunden am Tag.
Wie eine Erkundigungsfahrt des Arbeitsamtes bei den Bauern, die Italiener eingestellt haben, sind die südpfälzischen Landwirte mit ihren neuen Arbeitern sehr zufrieden. Sobald ein Dolmetscher für die italienische Sprache dem Arbeitsamt zur Verfügung steht, sollen auch die Italiener selbst gehört werden. DG.“
Wie mir berichtet wurde, arbeiteten bei der heute noch bestehenden Reilinger Pflasterfirma Steinmann um 1928 (!!) auch schon einige italienische Facharbeiter. In dem Bild von der oberen Hauptstraße in Hockenheim, welche ja auch jetzt gerade renoviert wird, können wir aber nur die deutschen Mitarbeiter benennen.

Es sind (v. l.n.r.): Wilhelm Steinmann, Hans Eisinger (mit „Stempfel“), Wilhelm Weißbrodt, Hermann und Georg Steinmann, der 3. stehende Mann im Hintergrund Vater Wolrad Steinmann und bei der sitzenden Gruppe Sohn Gustav Steinmann. Aus dem Fenster schaut Bäcker Pflaum. Damals wurde das Pflaster gelegt vom heute verschwundenen Gasthaus „Ritter“ bis zur verschwunden „Fortuna“. Das Bild stammt von Walter Weißbrodt aus der Hockenheimer Straße.


Ph. Bickle/Fotos: Ph. Bickle

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