Gemeinde Reilingen

Seitenbereiche

Volltextsuche

Was suchen Sie?

RSS

Facebook

Kontrast

Schriftgröße:

Seiteninhalt

Wir berichten

Dienstmädchen - um 1900 ein weitverbreiteter Beruf für junge Frauen (Teil 2)

[Online seit 14.09.2020]

Der Alltag eines Dienstmädchens war sehr hart: körperlich anstrengende Arbeiten, wenig Lohn, kaum Freizeit oder Ausgang. Anders als die Fabrikarbeiterinnen hatten sie kaum geregelte Arbeitszeiten. In einem Gesindebuch trug die Herrin die Zeit der Beschäftigung ein und fügte ein – nicht immer wohlwollendes  - Zeugnis an.  So gaben Mädchen gerne an, ihr Gesindebuch „verloren“ zu haben.
Wir haben hier Leseproben aus dem Buch „Das Hauswesen von M. S. Kübler, Stuttgart 1912“, Verlag von J. Engelhorns Nachf. :
S.11  „Dein Mädchen kann,  (nach dem Mittagessen) ohne allzuspät zur Ruhe zu kommen die Küche wieder aufräumen, das abgelegte Schuhwerk putzen, die Kleider der Kinder ausbürsten, das Gemüse für den folgenden Tag zurüsten und im Winter die Heizvorräte für den nächsten Tag herbeitragen.

Überall, wohin wir uns wenden, in Deutschland, Frankreich, England, hören wir nur das e i n e  Urteil,  die e i n e Klage: die jetzigen Mädchen sind nicht mehr, was die früheren waren. Es ist eine Veränderung mit dieser Klasse vorgegangen, die sowohl für diese selbst, als auch für die Herrschaften nachteilig ist. Die Ursachen, warum die Dienstboten jetzt so gar verschieden von jenen treuen Untergebenen unserer Großmütter sind, die nicht selten das Kind von seiner Geburt bis zum Traualtar begleiteten und dann wiederum an der Wiege von dessen Kindern standen. Zu jener Zeit der guten leinenen Röcke stand die Magd  nur eine kleine Stufe niedriger als ihre Gebieterin; sie wurde als ein Glied der Familie betrachtet, war in deren Angelegenheiten , deren Hoffnungen und Sorgen eingeweiht, sie war die ergebene Gehilfin der Hausfrau, die Vertraute der Kinder; sie war bei Lebzeiten geehrt und im Tode beweint.
Betrachten wir das Bild unser jetzigen Mägde, so wird niemand bestreiten wollen, dass hier Missstände eingerissen sind, die große Schuld an den sich stets steigernden Ansprüchen der Dienstboten tragen. Das wachsende Übel der „Putzsucht“ ( = nach der neuesten Mode gekleidet, „ von Kopf bis Fuß:  der Hut, die goldenen Ohrgehänge, das gekräuselte Haar, die dünnen Strümpfe, die leichten Stiefel“ ) ist nur zu oft die Ursache der Arbeitsscheu, Gedankenlosigkeit, Unredlichkeit, kurz: der vollständigen Demoralisation unserer Dienstboten. Bei ihrem zunehmenden Hang zur Emanzipation und folglich zur Widersetzlichkeit gegen ihre Herrschaft ist es für Frauen keine leichte Aufgabe sie zweckmäßig zu behandeln, für eine junge Frau  aber beim Eintritt in den Ehestand wahrhaftig eine Kunst!

Bei der Wahl der Dienstboten muss äusserst vorsichtig zu Werke gegangen werden. Unsere „Menschenkenntnis“ geht dabei oft in Brüche. Zudem lassen wir uns häufig durch die „Zeugnisse“ ihrer früheren Dienstherrschaften bestechen, uneingedenk, dass sie  meist nicht zuverlässig sind, da es leider nur zu häufig vorkommt, dass man einem schlechten Mädchen noch ein gutes Zeugnis gibt, nur um in Frieden von ihm wegzukommen, obwohl dies auch trotz des guten Zeugnisses gewöhnlich doch nicht der Fall ist. Durch eine solche Handlungsweise  schaden sich aber die Herrschaften gegenseitig selbst, und ich warne dich, sie je zu deiner eigenen zu machen, denn es ist ein Unrecht das du an anderen Frauen und an den Dienstboten selbst begehst. Wir hätten gewisss brauchbarere Dienstboten, wenn man bei der Ausstellung ihrer Zeugnisse gewissenhafter verfahren wollte. Es ist ein falsches Mitleid, das nur zu ihrer Verschlechterung beiträgt wenn wir statt die guten und schlechten Eigenschaften der bei uns abgehenden Dienstboten wahrheitsgetreu zu schildern, mit der gewöhnlichen „Phrase“ bezeugen, dass das Dienstmädchen uns „fleißig, treu und redlich und zu unserer Zufriedenheit“ gedient habe, während doch häufig das Gegenteil der Fall ist und sein oft nur kurzer Aufenthalt in unserem Dienste auf ganz anderes schließen lässt. ,Wenn wir uns gegen unsere Dienstboten benommen haben, wie es unsere Pflicht, Gewissen und Stellung erheischten, so ist eine solche Nachsicht nicht am Platze, da sie das Übel schlechter Dienstboten nur vermehren hilft.“
Im Vorwort zu dem Buche steht übrigens der Spruch: „ Suche gut zu sein, doch wünsche nicht groß zu sein! Was einer Frau am besten ziemt, ist Zurückgezogenheit, ihre schönste Tugend und häusliches Wirken, das fern der Öffentlichkeit, jedes zu starke Licht scheut!“  

Bilder: Jutta Kürtz, Altbewährter Ratgeber,, Komet, Edition Kock, Bielefeld o. J.- –Farbbild: Hauswirtschaftslehre der Neuzeit , Peter Verlag München
Philipp Bickle/Fotos: le

Weitere Informationen

Archiv - Ortsgeschichte

Hier können Sie ältere Artikel zum Thema Ortsgeschichte nachlesen.

Jahr 2003
Jahr 2004
Jahr 2005
Jahr 2006
Jahr 2007
Jahr 2008