Aus dem Vereinsleben

Integrationsleistung nach dem Krieg als "Sozialwunder"
Böhmerwaldjugend beim Tag der Heimat

Zurück zur Startseite - Zur Kategorie-Übersicht


Der Saal des Josefshauses war bis auf den letzten Platz besetzt, als Willi Ehringer am Flügel den Tag der Heimat mit einer "Allemande" von Joseph Haydn eröffnete. Eine stattliche Anzahl von Ehrengästen konnte der Geschäftsführer des Ortsverbandes der Vertriebenen, Jens Kilian, außer den einheimischen Bürgern und den Vertriebenen in Reilingen auch aus den Ortsverbänden Schwetzingen, Ketsch und Hockenheim begrüßen. Sein besonderer Willkommensgruß galt dem Festredner, Innenminister Heribert Rech, dem Stellvertreter des Landrats, Dr. Bodo-Falk Hoffmann dem Landtagspräsidenten i.R. Dr. Lothar Gaa, Kreisräten und Gemeinderäten, und weiteren offiziellen Gästen.

Das Totengedenken von Herbert Hüpsel galt den Opfern von Flucht und Vertreibung, des Bombenterrors, den Toten der Konzentrationslager, der Atombombenabwürfe und all denen, "die sich für die Heimat eingesetzt haben und von uns gegangen sind."

All der Opfer gedacht

Die Kreisvorsitzende Hannelore Kilian, die auch die Programmansage übernommen hatte, sprach einige Gedanken zur Bedeutung des Tages der Heimat. Dieser sei kein überholtes Ritual, sondern ein notwendiges Zeichen der Erinnerung und Mahnung. Nach 60 Jahren müsse die Erinnerung an die leidvollen Ereignisse für die nachfolgenden Generationen bewahrt werden.

Immer wieder gern gehört sind die Auftritte von Mizzi Schlesinger, die in diesem Jahr die schrecklichen Ereignisse nach der Kapitulation in ihrer Heimat herauf beschwor und in einem zweiten Vortrag in Erinnerungen an ihr Zuhause schwelgte.

Die Böhmerwald Jugendtanzgruppe unter der Leitung von Markus Rieg zeigte in zwei Blöcken mit viel Beifall belohnte Tänze aus Ostpreußen, dem Böhmerwald und aus dem Odenwald.

Geschichte gibt zu denken

Das Riesengebirgslied, am Flügel intoniert von Willi Ehringer, leitete zu den Grußworten über. Bürgermeister Walter Klein befasste sich in seiner Rede ebenfalls mit dem Begriff Heimat. Anschaulich werde der Sinn der heutigen Feierstunde mit einem Zitat des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker: "Wir lernen aus der Geschichte nicht was wir tun sollen, aber können lernen, was wir bedenken sollen." Nach einer Betrachtung der Vergangenheit aus der Sicht der Nachkommen schloss der Bürgermeister: "Wir sind dabei ein neues Europa zu schaffen. Ein Europa, das die Menschenrechte wahrt und sich für ein friedliches Zusammenleben engagiert."

Siegfried Heim, Vorsitzender der Kultur- und Sportgemeinschaft erinnerte an die Anfangsjahre nach dem Zweiten Weltkrieg, als Hunderte von Vertriebenen und Aussiedlern integriert werden mussten. Dazu erwähnte er die unermüdliche Tätigkeit der langjährigen Vorsitzenden Anneliese Vierk, die "mit ihrem Engagement Zeichen setzte."

Seine Erlebnisse bei der Vertreibung aus Hinterpommern als neunjähriger Junge schilderte in drastischen Worten Herbert Hüpsel und kam zu dem Fazit, dass die Vertreibung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit war und wir unbedingt ein Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin brauchen, "damit auch die Folgegenerationen über dieses Verbrechen Kenntnis erhalten."

Innenminister Heribert Rech begann seine Rede mit einer sehr persönlichen Einleitung. Als Sohn donauschwäbischer Eltern spüre er eine tiefe Verbundenheit mit den Heimatvertriebenen. Als junger Mensch, in Östringen geboren, habe er jedoch kein Interesse am Thema Vertreibung gehabt. Erst nach dem Tod der Eltern sei er als Schwabe "gescheit" geworden und Respekt und Anerkennung für die Menschen gezeigt, die, wie seine Eltern, vielen Widrigkeiten zum Trotz, in der neuen Heimat Fuß gefasst hätten.

Der Wurzeln bewusst werden

Die Flüchtlinge und Vertriebenen seien auf Menschen getroffen, die selbst ums Überleben kämpfen mussten. Deshalb sei die Integrationsleistung ein wahres "Sozialwunder" gewesen, das Land, Städte und Gemeinde vollbracht hätten. Er fühle sich, so Minister Rech, als Baden-Württemberger, sei sich jedoch, wenn auch spät, seiner Wurzeln bewusst geworden. Diese späte Erkenntnis habe auch damit zu tun, dass er in der Schule kaum etwas über die Vertreibung der Deutschen erfahren habe. Sein Versprechen, dies zu ändern, habe er eingehalten. In der Zwischenzeit seien Lehrerhandreichungen erarbeitet worden, die nicht nur in den Schulen großen Anklang fänden. Großen Anteil an dieser Aufklärungsarbeit hätten Zeitzeugen, die in Schulklassen zu ihren Erlebnissen Rede und Antwort stehen.

Im zweiten Teil seiner Rede befasste sich der Minister mit den Verdiensten der Heimatvertriebenen in Sachen Völkerverständigung. Als wichtigstes Datum hierzu nannte er den 8. August 1950, als vor dem zerstörten Stuttgarter Schloss die "Charta", in der auf Rache und Vergeltung verzichtet wird, vor 150 000 Menschen verkündet und unterschrieben wurde. "Europa wäre nicht dort, wo es heute ist, wenn die Heimatvertriebenen nicht zu dieser frühen Stunde diese weit reichende Vision gehabt hätten."

Vertreibung bleibt Unrecht

Zum Schluss seiner Rede gab der Minister Beispiele für Vertreibungen aus der Geschichte und Gegenwart. "Unrecht bleibt Unrecht, und Vertreibung ist Unrecht" stellte der Minister klar. Wenn man verhindern wolle, dass dieses Mittel gegenüber einzelnen Volksgruppen eingesetzt werde, müsse man dafür sorgen, dass sich gerade die Jugend mit diesem Thema und den geschichtlichen Erfahrungen auseinander setze und "Vertreibungen weltweit ächten."

Ein Beitrag hierzu sei die Errichtung eines Mahnmals in Berlin, dessen Erstellung von der Landesregierung nachdrücklich unterstützt werde. Im Übrigen werde sich die hervorragende Zusammenarbeit mit den Heimatvertriebenen, die der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel begonnen habe, auch mit Günter Oettinger fortsetzen. Mit lang anhaltendem Beifall quittierten die aufmerksamen Zuhörer die glänzende Rede des Innenministers.

Mit dem Dank des Geschäftsführers und dem gemeinsamen Gesang der dritten Strophe des Liedes der deutschen klang die Feier zum Tag der Heimat aus. Innenminister Heribert Rech wurde zum Abschied mit einem echten Reilinger Käskuchen bedacht.
svs, Fotos svs
( 26.09.2005 - 13:40)

Zurück zur Startseite - Zur Kategorie-Übersicht

Minister Rech bekam einen Reilinger KäsekuchenMinister Rech bekam einen Reilinger Käsekuchen
Minister Rech beim Eintrag ins Goldene Buch der GemeindeMinister Rech beim Eintrag ins Goldene Buch der Gemeinde

© Gemeinde Reilingen 2005