Gemeinderat

Gemeinderatssitzung am 09. Dezember 2002

Ausgeglichener Haushalt 2003 und eine kleine Zuführungsrate

Jüngste Steuerschätzung prognostiziert dramatische Steuerausfälle/Hohe Rücklagenentnahme notwendig/Keine Steuer- oder Gebührenerhöhungen geplant

 

Mit einem „modernen Märchen in sieben Sätzen“ begann Bürgermeister Walter Klein seine Ausführungen zum Gemeindehaushalt des Jahres 2003. „Es gab einmal einen Gewerbesteuereinbruch“ begann Kleins Märchen im Jahr 2001 und damals sei die Legende von einem guten Jahr 2003 entstanden. Es habe eine gute Fee in Form des Haushaltserlasses für das kommende Jahr im Juli 2002 gegeben und diese Eckdaten hätten Zuversicht für gewisse Handlungsspielräume für das Jahr 2003 geschaffen. Dann aber, so fuhr Walter Klein fort, als man in Reilingen gerade von einer Zuführungsrate aus dem Verwaltungshaushalt von 235.000 Euro träumte, kam die böse Hexe, der schöne Traum zerplatzte nicht nur, er entwickelte sich zum Alptraum.

Unschwer zu erraten, dass die böse Hexe die Daten der Steuerschätzung waren, die Mitte November dafür sorgten, dass es in allen Kommunen helles Entsetzen ob der dramatischen Steuerausfälle gab. „Da waren keine Korrekturen mehr möglich, der bereits erstellte Haushaltsentwurf musste kurzfristig vollständig überarbeitet werden“, machte Bürgermeister Klein deutlich. Anstatt einer erwarteten Zuführungsrate von 235.000 Euro vom Verwaltungshaushalt an den Vermögenshaushalt, muss Reilingen nunmehr mit 268.000 Euro weniger an Steuereinnahmen auskommen.

 

Walter Klein sprach von einer „drastischen Kürzungsrunde“, bei der 49.000 Euro auf der Ausgabenseite gestrichen wurden. Nur dadurch habe man einen ausgeglichenen Haushaltsentwurf mit einem Gesamtvolumen von 12,3 Mio. Euro vorlegen können und zusätzlich noch eine, wenn auch kleine, Zuführungsrate vom Verwaltungshaushalt an den Vermögenshaushalt in Höhe von 16.000 Euro einplanen können. Auf den Verwaltungshaushalt entfallen 10,2 Mio. Euro und auf den Vermögenshaushalt 2,1 Mio. Euro.

 

Als „kleine frohe Botschaft“ in vorweihnachtlicher Zeit konnte der Bürgermeister mitteilen, dass auf die Bürger, trotz der enormen Belastungen, im kommenden Jahr keine Steuer- oder Gebührenerhöhungen zukommen.

 

Wie Bürgermeister Klein weiter ausführte, wurde der Verwaltungshaushalt um 2,1 %, das sind 150.000 Euro gekürzt: „Sämtliche Ausgabenbereiche wurden auf das unabdingbar Notwendige reduziert“. Indikator für die Leistungskraft des Verwaltungshaushaltes sei die mit 16.000 Euro eindeutig zu gering ausfallende Zuführungsrate, mit der nicht einmal mehr 1 % der Investitionen des Vermögenshaushaltes finanziert werden könnten. Die Gemeinde treffe es daher um so härter, wenn bei den klassischen Finanzzuweisungen 350.000 Euro Mindereinnahmen zu erwarten seien und der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer um 141.000 Euro zurück gehe. Glücklicherweise reduzieren sich die Ausgaben bei der Finanzausgleichsumlage und der Kreisumlage um 290.000 Euro als Folge der geringen Steuerkraft des Jahres 2001.

 

Bedenklich stimmte Bürgermeister Klein die mittelfristige Zukunft der gemeindlichen Haushaltsplanung. Die Finanzplanung weise nämlich für das Jahr 2004 eine negative Zuführung von 117.000 Euro aus. Erst in den Folgejahren könne mit deutlich besseren Wirtschaftsergebnissen gerechnet werden. „Das finanzwirtschaftlich schwierigste Jahr wird also für uns das Jahr 2004“, betonte Klein.

 

Den negativen Prognosen zum Trotz konnte der Bürgermeister auf ein im laufenden Haushaltsjahr mit über 800.000 Euro deutlich besser entwickeltes Gewerbesteueraufkommen verweisen. Im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Situation habe man sich jedoch entschlossen, die Einnahmen aus der Gewerbesteuer im neuen Haushalt nur maßvoll auf 580.000 Euro zu erhöhen. „Die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen sind trotz der unbefriedigenden Situation voll erfüllt“, fasste Walter Klein zusammen.

 

Auf den Vermögenshaushalt eingehend verdeutlichte der Bürgermeister, dass neben der bescheidenen Zuführungsrate von 16.000 Euro als Finanzierungsmittel Landeszuschüsse von 350.000 Euro und Erlöse aus der Veräußerung von Grundstücken in Höhe von 700.000 Euro zur Verfügung stehen. Vorgesehen sei ebenso eine kräftige Rücklagenentnahme von 1,041 Mio. Euro. Eine Kreditaufnahme werde nicht notwendig.

Mit einem Investitionsvolumen von knapp über 2 Mio. Euro könne noch einiges für die Verbesserung der gemeindlichen Infrastruktur in Angriff genommen werden. Dies komme wiederum der Bauwirtschaft und dem Mittelstand zu Gute, so der Bürgermeister.

 

Ausblickend auf das kommende Jahr zählte Bürgermeister Klein die vorgesehenen Investitionsschwerpunkte auf. Dazu gehören neben der abschließend zu finanzierenden Erweiterung des Feuerwehrgerätehauses mit 622.000 Euro, eine Umgestaltung des Schulhofes, wofür eine erste Rate von 80.000 Euro vorgesehen ist, die Verbesserung von drei Ortsstraßen (169.000 Euro) sowie der Erneuerung der Friedhofswege (89.000 Euro). Die Aufwendungen für die Erschließung der gemeindeeigenen Grundstücke im Baugebiet Holzrott 4. Abschnitt schlägt mit 770.000 Euro zu Buch.

 

Unzufrieden zeigte sich der Bürgermeister mit der Situation des Feuerwehrgerätehauses. Hier habe man insgesamt 1,9 Mio. Euro bereitgestellt. Mit einem Bau habe man aber seither noch nicht beginnen können, da die seit 1 ½ Jahren beantragten Landeszuschüsse immer noch ausstehen.

 

Im abschließenden Teil seiner Ausführungen erläuterte Bürgermeister Klein die Wirtschaftspläne der beiden nach kaufmännischen Gesichtspunkten geführten Eigenbetriebe Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung. Weder bei der Wassergebühr noch beim Abwasser plane man höhere Belastungen für die Verbraucher. Trotz allgemeiner Kostensteigerungen könnten geringe Gewinne (Wasserversorgung 1.000 Euro, Abwasserentsorgung 8.000 Euro) ausgewiesen werden.

Das Gesamtvolumen der Eigenbetriebe liegt im Bereich der Erfolgspläne bei 385.000 Euro (Wasserversorgung) bzw. bei 938.000 Euro (Abwasser), in den Vermögensplänen sind bei der Wasserversorgung 392.000 Euro und beim Eigenbetrieb Abwasser 1,052 Mio. Euro bereitgestellt.

Die vorgesehenen Investitionen werden mit rund 1,1 Mio. Euro beziffert, wovon auf die Wasserversorgung 300.000 Euro und auf die Abwasserentsorgung 800.000 Euro entfallen. Im wesentlichen handelt es sich dabei um 379.000 Euro für die Beteiligung der Gemeinde an der Erschließung des Baugebietes Holzrott, 4. Abschnitt und um 225.000 Euro für die Instandsetzung von Wasserleitungen und Kanälen im Ortsnetz.

 

Zu nennen ist auch die Kostenumlage zur Verbesserung der Reinigungsleistung der Hockenheimer Kläranlage in Höhe von 125.000 Euro. Neben den Eigenmitteln ist als Finanzierungsbeitrag auch eine Kreditaufnahme von 650.000 Euro vorgesehen.

 

Schließlich ging der Bürgermeister noch auf das Investitionsprogramm der Jahre 2004 bis 2006 ein. Es umfasst 7,5 Mio. Euro und beinhaltet u.a. ein neues Sanierungsgebiet im alten Ortskern, ein neues Sportgelände in der Nachtwaid, die abschließende Umgestaltung des Schulhofes, Investitionen im Kindergartenbereich, allgemeine Straßenumgestaltungen, Verbesserungen im Friedhofsumfeld und ein Ausbau des Wasserleitungsnetzes wie auch der Kanalisation. Um alle geplanten Maßnahmen umsetzen zu können, müssten, so Klein, neben Landeszuschüssen und eigenen Einnahmen auch Kredite von bis zu 3,7 Mio. Euro aufgenommen werden.

 

Mit positiven Überlegungen schloss Bürgermeister Klein seinen Wortbeitrag, indem er meinte, dass „in allem Schlechten eine Chance für Besserung“ stecke. Je länger die gegenwärtige Finanzmissere dauere, um so stärker werde die Notwendigkeit, alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen. Dann könnten alle öffentlichen Hauhalte im Rahmen einer Gesamtkonsolidierung ihre Leistungen und die damit zusammenhängenden Ausgaben endlich wieder „auf ein normales Maß zurückführen“, meinte Klein.

 

Stellungnahmen der Fraktionen

 

Namens der Sozialdemokraten bezeichnete Sprecher Karl Bickle die neue Situation nach der jüngsten Steuerschätzung als schockierend. Der Verwaltungshaushalt sei bis auf seine Grenzen ausgereizt. Mit Blick auf die Ausgabenseite meinte Bickle, der Zuschuss von 373.000 Euro für die Kindergärten und 590.000 Euro für die Grund -und Hauptschule seien zweifelsohne gute Investitionen, aber dennoch „ein schwerer Brocken“. Deshalb hielt es Bickle auch für wichtig, dies mitunter dem Bürger transparent zu machen. Deutlich machte Karl Bickle auch, dass die SPD die Personalkosten mit 20,4 % des Verwaltungshaushaltes als zu hoch einstuft. Vom Bürgermeister wurde daher gefordert, diese Ausgaben bis zum Jahr 2004 auf maximal 19 % zu begrenzen.

 

Sorgen bereitet den Sozialdemokraten auch die Finanzierung des Vermögenshaushaltes, zumal 49 % aus eigenen Rücklagen, sowie knapp 1/3 aus Grundstückserlösen aufgebracht werden. Gemeinderat Bickle forderte zudem dazu auf, den Finanzierungsplan 2004 bis 2006 „auf eine realistische und finanzierbare Größe“ zu überarbeiten. Als positiv strich Bickle heraus, dass trotz vieler negativer Einflüsse keine höhere Belastung auf die Bürger zukomme.

 

Der Haushaltsplanentwurf könne bei weitem nicht befriedigen, weil die aus dem Verwaltungshaushalt zu erwirtschaftende Eigenfinanzierungskraft der Gemeinde am Nullpunkt angelangt sein, betonte für die Freie Wählervereinigung Friedrich Feth. Investitionen hauptsächlich über Rücklageentnahmen und Grundstücksveräußerungen zu finanzieren, könne und dürfe kein Dauerzustand sein. Für die finanzielle Situation sei es auch kein Trost, dass ein großer Teil der Kreisgemeinden den Haushalt nicht ausgleichen könne. Das Kernproblem sah Feth nicht in einer Ausgabenerhöhung durch die Verwaltung, sondern im „Wegbrechen von Einnahmebestandteilen der letzten Jahre“. „Dennoch können wir stolz sein, was in den letzten Jahren geleistet wurde, ohne Kredite zu beanspruchen“, betonte Feth. Das mittelfristig vorgesehene Investitionsprogramm trage man grundsätzlich mit, allerdings mit der Maßgabe, dass die für 2004 errechnete Deckungslücke im Verwaltungshaushalt mit 144.000 Euro nicht hingenommen werden könnte. Außerdem wolle man die vorgesehenen Kreditaufnahmen mindestens halbiert wissen. Dazu werde die FWV, so Feth, bis Mitte nächsten Jahres konkrete Vorschläge unterbreiten.

 

Von „bisher ungeahnten und unvorstellbaren Steuerausfällen“ sprach namens der Fraktion der Christdemokraten Klaus Benetti. Mit der neuen Steuerschätzung werde der Gemeinde in harten Euro vor Augen geführt, was in der großen Politik „als Wahlbetrug diskutiert wird“. Benetti hob in seinen Ausführungen die verbesserten Gewerbesteuereinnahmen heraus und verband dies mit der Hoffnung, dass von den geplanten Investitionen auch Reilinger Firmen profitieren können. Der CDU-Sprecher befürchtet auch, dass freiwillige Investitionen, wie eine Erneuerung der Grillhütte oder die Bereitstellung eines neuen Sportgeländes, mit Rücksicht auf die Kostensituation der kommenden Jahre zeitlich verschoben werden müssen.

 

Bedauert wurde die Abhängigkeit eines Baubeginns für eine Erweiterung des Feuerwehrgerätehauses von noch ausstehenden Landeszuschüssen. Zustimmung signalisierte Klaus Benetti zu den Wirtschaftsplänen für die Eigenbetriebe Wasserversorgung und Abwasser. Erfreulich seien die vergleichsweise geringen Verbrauchgebühren bei der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung. Zwar werde die CDU auf gesonderte Anträge für Investitionen verzichten, so Benetti, man rege aber an, beim Wegeausbau auf dem Friedhof auch die Radabstellplätze dem heutigen Standard anzupassen.

 

Aus Sicht des Sprechers der Bürgerliste Reilingen, Karl Dagenbach, habe sich die Gemeinde selbst durch so manche Fehlentscheidung in der Vergangenheit in finanziellen Zugzwang gebracht. Von Dagenbach angeführt wurde eine Überschreitung des Kostenrahmens um 20 % beim Schulhausumbau, was Bürgermeister Klein deutlich verneinte. Dagenbach bezeichnete es als einen Schildbürgerstreich, wenn 200.000 Euro für Funktionsräume wie Stuhl- und Tischlager im Grundschulgebäude ausgegeben werden, die zunächst leer stehen. Bedenklich sei auch der Anstieg der Personalausgaben; Schilder, die auf Parkplätze hinweisen, seien unnötig, man hätte mehr Parkplätze schaffen sollen. Die Einstellung eines Gemeindevollzugsbediensteten sah er als Eingeständnis einer verfehlten Verkehrspolitik. Auch sei es ein Widerspruch, eine verdichtete Bebauung im Ortskern zuzulassen und andererseits Gelder für Flächenentsiegelungen bereitzustellen. Beanstandet wurde ebenso ein mangelnder Sparwille. Karl Dagenbach lehnte daher als einziges Ratsmitglied den Haushaltsentwurf ab.

 

Freidemokrat Peter Schell sprach von einem Haushalt, „den man besten schnell vergessen möchte“. Der Gemeinderat müsse künftig, schon im Hinblick auf das Jahr 2004, jede sinnvolle Einsparmöglichkeit ernsthaft ins Auge fassen. Konkret nannte Schell Einsparungen im Personalbereich, eine konsequente Bauoptimierung wie beispielsweise beim Feuerwehrgerätehaus, und nicht zuletzt mögliche Privatisierungen. Schell zitierte den französischen Staatsmann Tayllerand, der meinte, es sei ein Glück, so wenig Geld zu haben, „dadurch handeln wir vernünftiger“.

 

Alle am Ratstisch vertretenen Fraktionen sprachen dem Kämmerer Ulrich Landwehr und seinem Team Lob und Anerkennung für die übersichtliche und nachvollziehbare Darstellung der Gemeindefinanzen aus. Der Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2003 wie auch der Entwurf der Wirtschaftpläne für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung fanden schließlich ein klares Votum des Gemeinderates, bei lediglich einer Nein-Stimme.

 

 

Bebauungsplanänderungsverfahren eingeleitet

 

Der Bebauungsplan „Ortskern, Kirchen-/Ziegelstraße“ soll nach dem Willen des Gemeinderates geringfügig geändert werden. Mit einem formellen Aufstellungsbeschluss wurde das erforderliche Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Mit der Bebauungsplanänderung soll die Erschließung des rückwärtigen Quartierinnenbereichs möglich werden. Entsprechende Sanierungsvereinbarungen mit den betreffenden Grundstückseigentümern sind bereits im Vorfeld abgeschlossen worden.

 

 

Interessen der Gemeinde Reilingen nicht berührt

 

Zur Kenntnis nehmen konnte der Gemeinderat einen Bebauungsplanentwurf der Nachbargemeinde Neulußheim mit der Bezeichnung „Am alten Bahnhof“. Er soll die künftige Bebauung eines Areals im Osten der bebauten Ortslage, parallel zur Schnellbahnstrecke Mannheim-Stuttgart bestimmen. Dort soll neben einer wohnbaulichen Nutzung auch die Ansiedlung kleinerer Gewerbebetriebe und Einzelhandelsbetriebe möglich sein. Die Interessen der Gemeinde Reilingen waren von der Bauleitplanung nicht berührt.

 

 

Schlussansprache

 

Die traditionelle Ansprache zum Jahresabschluss hielt in diesem Jahr Ratsmitglied Klaus  Benetti. Er ließ nochmals die wichtigsten Entscheidungen Revue passieren und lobte die Bereitschaft der Ratsmitglieder, sich parteiübergreifend in den Dienst der gemeinsamen Sache zu stellen. Sein Dank galt allen Ratskolleginnen und -kollegen wie auch Bürgermeister und Verwaltung für die sachbezogene, gute Zusammenarbeit.

 

Abschließend sprach auch Bürgermeister Walter Klein Worte des Dankes an alle aus, die dazu beigetragen haben, die Gemeinde und deren kulturelle und sportliche Austrahlung zu stärken und die Arbeit der Verwaltung zu unterstützen. Mit dem Dank an Rat und Verwaltung schloss er die letzte Sitzung dieses Jahres.