Vereine

Kultur- und Sportgemeinschaft Reilingen e.V.

Vorsitzender: Siegfried Heim, Wilhelmstr. 63, Tel. 7822

Geschäftsstelle Hockenheimer Str. 1-3, Zi. 207, Tel. 952-207, Fax. 952-210, Schriftführer Wolfgang Müller

Der erste Verein unserer Gemeinde, der uns aus Unterlagen des Gemeindearchivs bekannt ist, ist ein jüdischer Verein. Er wurde 1831 gegründet, um den Bau der Synagoge zu fördern und zu finanzieren. Seine Dauer war auf sechs Jahre begrenzt. Die Mitglieder - ausschließlich jüdische Mitbürger - verpflichteten sich zu Zahlungen, die einem Fonds zugeflossen sind. 

Bis zum Jahre 1874 muss ein Leseverein bestanden haben. In diesem Leseverein kamen die Mitglieder vor allem über die Winterzeit fast allabendlich zur geselligen Unterhaltung zusammen. Bekannt ist nur, dass man sich im Nebenzimmer des Gasthauses „Zum Hirsch" traf und der Verein 1874 aufgelöst wurde. Im gleichen Jahr wurde der erste Veteranenverein unserer Gemeinde gegründet. Ein Jahr später bildete sich der evang. Kirchenchor, der älteste noch bestehende Verein unserer Gemeinde. 1876 gab es bereits einen weltlichen Gesangverein mit dem Namen „Sängereinheit". Er löste sich jedoch bald wieder auf. Sieben Jahre später erwähnen die Akten zum ersten Mal die Existenz eines Zigarrenmacherunterstützungsvereins. 1887 wurde ein Militärverein gegründet und im Jahre 1890 entstand der Turnerbund „Germania". In dieser Zeit hatte sich im Gasthaus „Zum Löwen" auch schon eine Cegogesellschaft gebildet, die allerdings erst 1903 als Verein eingetragen wurde.

Im Zeitraum zwischen 1892 und 1911 war die „Blütezeit" der Vereinsgründungen. In nicht ganz 20 Jahren entstanden 20 neue Vereine: 1892 Kath. Kirchenchor Cäcilia", 1893 Gesellschaft „Fidelio" und Casinogesellschaft, 1894 Athletenverein „Eintracht", 1896 Gesangverein „Liedertafel" und ein landwirtschaftlicher Ortsverein, 1897 Gesangverein „Sängerbund", die Freiwillige Feuerwehr und der Verein der ehemaligen 111er. Danach folgten der Athletenverein „St. Barbara" und der Badische Frauenverein Reilingen im Jahre 1901 und der Männergesangverein 1902. 1903 wurde der Arbeitergesangverein gegründet. In den folgenden Jahren bis 1911 entstanden noch der Ortsverein eines christlichen sozialen Verbandes der Zigarrenarbeiter (1904), der Artilleriebund „St. Barbara" (1905), der Kleintierzuchtverein (1907), die Kegelgesellschaft „Alle Neun (1908), der Sportclub „Victoria" (1908), ein evang. Arbeiterverein (1908), der Sportclub Reilingen (1910), der SPD Ortsverein Reilingen (1910) und im Jahre 1911 der Radfahrverein. In diesen Jahren entstand auch der Gewerbeverein, ein Zusammenschluss einheimischer Handwerker und Kaufleute.

Dann begann im Jahre 1914 der Erste Weltkrieg, und je länger sich dieser Krieg hinauszog, desto geringer wurden die Aktivitäten der Vereine, bis sie gegen Ende des Krieges fast ganz zum Erliegen kamen. Von manchen Vereinen, wie der Casinogesellschaft, der Gesellschaft „Fidelio" und der Cegogesellschaft erfuhr man nach dem Krieg nichts mehr. Wann sie sich auflösten, ist aus den Akten nicht ersichtlich.

1919 wurde die Ortsgruppe des Reichsbundes, der Vorgänger der heutigen „VDK"-Ortsgruppe, gegründet. Darauf folgte ein Jahr später ein weiterer Sportverein, die „Turnerschaft". Allerdings ist über diesen nicht viel mehr als die Vereinsanmeldung vorhanden. 1925 entstand innerhalb der Feuerwehr der Spielmannszug, und ein Jahr später wurde die Gründung dreier Vereine gemeldet: der Brieftaubenverein „Luftpost", der Obst- und Gartenbauverein und der Musikverein „Harmonie". 1929 wurden kurz hintereinander zwei Schützenvereine gegründet, deren Nachfolger der heutige Schützenverein ist. In den Jahren zwischen 1925 und 1930 entstand innerhalb des Artilleriebundes eine Reit- und Fahrabteilung (wahrscheinlich 1928), die DJK Reilingen sowie die Feuerwehrkapelle. Der letzte Verein, der noch vor dem Zweiten Weltkrieg gebildet wurde, war die Ortsgruppe des Deutschen Roten Kreuzes. Im Jahre 1933 kamen die Nationalsozialisten an die Macht. Die Auswirkungen machten sich auch im Vereinsleben bemerkbar. Unbequeme, wie die aus der Arbeiterbewegung entstandenen oder kirchlich organisierten Vereine wurden gezwungen, sich aufzulösen. Ihr Vermögen wurde zum Teil eingezogen. Dasselbe geschah mit den Parteien.

Die DJK Reilingen wollte im August 1933 die Einweihung ihres Sportplatzes durch ein Fest und einen Umzug im Ort feierlich begehen. Der Ortsgruppenleiter der NSDAP bat das Bürgermeisteramt, keinen Umzug zuzulassen und teilte mit, dass er keine Verantwortung für evtl. Reibereien übernehmen werde, falls der Umzug stattfände. Die Veranstaltung wurde jedoch genehmigt. Daraufhin erließ er einen Aufruf, in dem er alle Mitglieder und Freunde der Partei davor warnte, an den Veranstaltungen der DJK teilzunehmen. Bei Teilnahme wurde mit „Ausschluss aus der Bewegung bzw. den Nebenorganisationen" gedroht. Das Schreiben endete mit dem Satz:

„Die Ortsgruppenleitung ist jederzeit bemüht, die Volksgemeinschaft zu befestigen, wird jedoch andererseits jeder Gegenströmung mit allen Mitteln entgegentreten. "

Dieses Beispiel zeigt, wie man versuchte, unbequeme Vereine auch ohne Verbot zur Aufgabe zu zwingen.

Andere Vereine wurden in die nationalsozialistischen Verbände eingegliedert. Der Turnerbund „Germania" und Sportclub 08 mussten sich zur „Sportgemeinde 1890" zusammenschließen. Die Vereinssatzungen wurden geändert, aus Vorsitzenden wurden „Führer" des Vereins. Sie ernannten teilweise selbst die restlichen Mitglieder des Vorstandes. Die Reiterabteilung des Artilleriebundes „St. Barbara" wurde zum SS-Reitertrupp; die Militärvereine gingen im Reichskriegerbund auf. Gleichschaltung und Führerprinzip wurden tragendes Element.

Der Chronist des Männergesangvereins beschrieb den Vorgang der Gleichschaltung in der Festschrift von 1952:

„Das Jahr 1933 brachte große politische Veränderungen im deutschen Vaterlande, die auch in das Vereinsleben übergriffen. Es kamen Verordnungen und Vorschriften, nach denen der Verein dieselbe politische Richtung einzuschlagen hatte, die ihm vorgeschrieben wurde. Er musste also auf dem selben politischen Boden stehen, wie die Regierung. So vollzog sich die Gleichschaltung unter Vorlesen der Richtlinien des Bad. Sängerbundes unter Anwesenheit des damaligen Ortsgruppenleiters der Partei. Mit dem Horst-Wessel-Lied klang die Ausrichtung aus. Der MGV war gleichgeschaltet. Ja, es klingt wie ein Märchen, aber einstens war es wahr. "

Die Umwandlungen mögen für viele fast unbemerkt vor sich gegangen sein. Es wurde weiterhin geturnt, trainiert, Fußball gespielt, gesungen und gezüchtet. Im Sommer fanden Sport- und Gesangsfeste statt, im Winter wurden noch am Jahresende zu den Winter- und Weihnachtsfeiern Theaterstücke aufgeführt, und fast jeder Verein hatte seinen Maskenball oder Kappenabend. Doch versuchten Partei und Regierung die Aktivitäten auf ihre Organisationen zu übertragen.

Ein viel auffälligerer Einschnitt in das Vereinsleben war der Zweite Weltkrieg. Genau wie 25 Jahre zuvor wurden immer mehr Mitglieder zum Kriegsdienst eingezogen. Die Reihen lichteten sich zusehends. Mit der Fortdauer des Krieges wurde die Not unter der Bevölkerung immer größer. Es fehlten nicht nur die Mitglieder, sondern auch die Mittel, um das Vereinsleben aufrecht erhalten zu können. Nach dem Ende des Krieges wurden sämtliche Vereine und Vereinigungen von den Besatzungsmächten verboten.

Bald darauf entstand der größte Teil der Vereine wieder neu. Turnerbund und Fußballverein trennten sich. Es gab zu Beginn der 50er Jahre die Boxstaffel „Fortuna", die dann im wiedergegründeten Athletenverein aufging. Jedoch nicht alle Vereine entstanden wieder: Die Militärvereine bildeten sich nicht mehr. Auch die Arbeitervereine gehörten der Vergangenheit an. 1945 gab es zunächst einen Gesamtgesangverein, der allerdings nur kurze Zeit bestand und ein einziges Mal im Gasthaus „Zum Adler" auftrat. Danach trennten sich die Sänger, und die alten Vereine Sängerbund und MGV machten sich wieder selbständig. Auch den Arbeitergesangverein versuchte man noch einmal zu gründen, jedoch ohne Erfolg.

Bereits in den 50er Jahren hatten die Vereine begonnen, die Termine ihrer Veranstaltungen miteinander abzusprechen, um Überschneidungen zu vermeiden. Aus diesen Anfängen entstand später die „Kultur­ und Sportgemeinschaft". Sie bildet eine Art Vereinskartell, in das jeder Verein seine Vertreter entsendet. Diese Organisation veranstaltete in den 50er bis zur Mitte der 70er Jahre das „Fest der Dorfgemeinschaft", das anfangs im Hofe der Franz-Riegler-Schule und später in der Halle des Reitervereins stattfand. Alle Vereine beteiligten sich immer wieder daran. Im Jahre 1959 wurde es als „Heimattag" gefeiert. Man lud alle auswärts wohnenden gebürtigen Reilinger dazu ein. Aus dem Erlös der Feste wurde der Bau der Fritz-Mannherz-Halle mitfinanziert. 

Seit 1981 veranstaltet die Kultur­ und Sportgemeinschaft statt des sommerlichen Festes mit Bierzelt und Schaustellern im Herbst ein Straßenfest, bei dem sich die Vereine rege beteiligen.

1995 wurde die Kultur­ und Sportgemeinschaft in einen eingetragenen Verein umgewandelt, der zwischenzeitlich 40 Mitglieder hat. 

1999 erweckte die Kultur­ und Sportgemeinschaft einen alten Brauch wieder zu Leben: Seitdem wird in der Spargelgemeinde alljährlich mit einem Sommertagsumzug der Winter ausgetrieben. 

 

Aus: "700 Jahre Reilingen, Chronik einer Gemeinde in Nordbaden", Herausgegeben durch die Gemeinde Reilingen 1986