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Meister der Lebenskunst
Der Hase: Meister der Lebenskunst

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"Vor fast genau 2 Jahren zeigte Prof. Jsef Walch erstmals seine Sammlung, die dem Reilinger Wappentier, dem Hasen gewidmet ist, im Reilinger Heimatmuseum. Im vergangenen Jahr war die Sammlung in den Ausstellungsräumen der ätesten Schokoladenfabrik Deutschlands, im Halloren-Museum in Halle/Saale zu sehen. Mehr als 15.000 Besucher sahen die Ausstellung. Inzwischen weckt die weit über Reilingen hinaus bekannte Sammlung großes Interesse. So widmete die bedeutende "Berliner Zeitung" der Sammlung und dem Sammler am vergangenen Ostersamstag einen umfassenden Artikel, den wir hier abdrucken. Die Sammlung wächst stetig um rund 100 Objekte pro Jahr Unser Bild zeigt aktuelle Erwerbungen, darunter Leuchter aus dem Jugendstil, gefertigt in Worpswede, einen silbernen Jugendstil-Brieföffner mit Hase, ältere Figuren aus Meißer Prozellan und aus der Rosenthal-Produktion, silberne Dosen in Hasen-Form aus Syrien, alte, orientalische Parfumfläschlein mit Hasen als Dekoration, bemalte Teller u.a."

Schlau und flink ist der Hase. Und beliebt. Als Kuscheltier etwa, als Objekt von Kunst oder Kitsch, als Symbol im christlichen Umfeld, als vermehrungsfreudiges Sex-Symbol. Nicht von ungefähr hat das "Bunny"-Signet des Magazins Playboy das Rennen um die höchste Druckauflage gegen Dürers 1502 geschaffenes Bild "Junger Feldhase" nach Längen gewonnen.

"Der Hase hat Kompetenz", sagt Josef Walch mit Nachdruck. "Als Meister der Lebenskunst ist er nicht nur wachsam und friedliebend, sondern auch fruchtbar und intelligent. Außerdem sitzt er manchmal seine Probleme ganz einfach aus, was sehr weise sein kann." Walch verkündet solche Einsichten mit dem heiteren Temperament seiner südbadischen Heimat. Und er weiß, wovon er spricht. Der Professor für Kunstpädagogik an der Hochschule für Kunst und Design in Halle/Saale ist vor mehr als einem Jahrzehnt auf den Hasen gekommen.

Darauf gebracht hat ihn das Stadtwappen von Reilingen. In dem Städtchen im Rhein-Neckar-Kreis lebt Walch seit mehr als einem halben Jahrhundert. Das Wappen zeigt Sterne auf tiefblauem Grund - und einen schneeweißen Hasen. Keiner weißt, wie der da drauf gekommen ist. Eine Sache, die im Wissenschaftler Walch den Jagdinstinkt weckte. Seither ist der Kunstpädagoge auf der Hasenpirsch.

Hunderte Stücke hat er inzwischen zusammengetragen. Hasen in allen nur denkbaren Materialien, Formen und Farben, von der Antike bis in die allerjüngste Gegenwart: Walch besitzt Bilder, Grafiken, Plastiken und Schnitzereien aus Holz, Jade oder Elfenbein. Fotografien finden sich in seiner Sammlung ebenso wie Schmuck, Spielzeug, Werbemittel, Bücher, Stoffmuster und Porzellan. Werke von berühmten Künstlern sind ebenso vertreten wie Volkskünstlerisches oder auch ein Hasen-Holzspielzeug, das ein Vater in den 20er Jahren für sein Kind gebastelt hat. "Ein wunderschönes Tier", schwärmt Walch, "so abgegriffen, wie es ist. Man sieht, wie lieb das Kind es gehabt haben muss." Die Frage nach dem materiellen Wert gibt es bei diesem Sammler nicht.

So kommt es, dass Walchs Schätze manchmal schon etwas sehr Spezielles haben. Da ist etwa eine attische Grabstele aus dem vierten Jahrhundert vor Christi. Darauf hält ein Jüngling einen Hasen, der Möhrchen knabbert. Die mümmelt auch ein Exemplar auf einer winzigen Wiener Bronze von 1920. Hasen schmücken den antiken römischen Becher, das Porzellandöschen aus Limoges, die indische Miniatur, die Bierhumpen vom Augsburger Hasenbräu und eine chinesische Münze zum Jahr des Hasen. Dürers Hase fehlt nicht, ein Scherenschnitt von Goethe ist zu betrachten, Werke von modernen Künstlern. Auch Josef Walch selbst hat den Hasen humorvoll auf Leinwand gebracht. Eine Herde lebensgroßer Plastikhasen erweist sich als Teil der Installation, bei der Ottmar Hörl im Jahr 2003 unter dem Titel "Das große Hasenstück" 5 000 Exemplare auf dem Nürnberger Marktplatz aufmarschieren ließ - zu Ehren Dürers.

Bei vielen seiner Sammelstücke hat Walch auch die passende Geschichte parat. Zu den unscheinbaren bräunlichen Kerzen in Hasenform etwa: "Die weisen natürlich auf Joseph Beuys. Der Absturz mit einem Kriegsflugzeug auf der Krim und die Begegnung mit Nomaden, die ihn pflegten, waren ja sein Grunderlebnis, das auch seine Kunst prägte. Diese Tartaren benutzten Kerzen in Hasenform, für sie Symbol des Lichtes und des Friedens. So wurde der Hase zum wichtigen Symboltier für Beuys."

Im Laufe der Jahre, sinniert Walch, der Herr der Hasen, sei die Beschäftigung mit seinem Lieblingstier immer spannender geworden. Welche Haken der Hase im Laufe der Kulturgeschichte geschlagen hat! Schon in der Antike hoppelt er durch die Literatur, Ovid besingt ihn als Tier des Paradieses. Dahin wird er auch in der christlichen Kunst oft versetzt, etwa auf dem Titelblatt der Cranach-Bibel. Und dann sind da noch die vielen Theorien über den Osterhasen mit dem Eierkorb. Umstritten seien sie allesamt, sagt Josef Walch. Er nimmt es gelassen.

Die Idee vom eierbringenden Hasen hält sich hartnäckig. Und hat schon etliche Eltern in Erklärungsnöte gebracht. Hilfe sollte eine Erfindung bringen, die 1907 als preußisches Reichspatent angemeldet wurde als "lebendiger, eierlegender Osterhase". Die Gebrauchsanweisung: "Zu diesem Zwecke braucht man nur einem lebendigen Haushuhn, das sich gerade zum Eierlegen anschickt, einen Stoffüberzug, der die Form und Gestalt eines Osterhasen hat, überzustülpen. Die Kinder werden sich davon täuschen lassen und annehmen, der Osterhase selbst habe die Eier gelegt."

Furchtsam, friedlich, fruchtbar

Der Hasensammler Josef Walch bezeichnet sein Lieblingstier als Lebenskünstler. Wachsam und schlau sei der Hase, friedliebend und intelligent. Symbolträchtig sind auch die Schnelligkeit, die Furchtsamkeit und die Fruchtbarkeit des Hasen.

In Sprichwörtern ist der Hase, der in der Kunst und in der Literatur immer wieder eine Rolle spielt, häufig verewigt: "Wer den Hasen fängt, hat ihn" heißt es oder auch "Viele Hunde sind des Hasen Tod". "Mein Name ist Hase" sagt man und "Du bist ein Hasenfuß".

An den Osterhasen haben Kinder in diesem Jahr mehr als 40 000 Briefe geschrieben. Die Karten, Gedichte und selbst gemalten Bilder, adressiert an Hanni Hase im niedersächsischen Ostereistedt, haben Hans-Hermann Dunker, ein ehemaliger Postler, und sein Team in den vergangenen Wochen beantwortet. Die Post kam größtenteils aus Deutschland und den benachbarten europäischen Ländern. Die Kinder wünschten sich Schoko-Eier, Frieden und Spielzeug.
Margit Boeckh aus Berliner Zeitung
( 28.03.2008 - 10:33)

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