Ortsgeschichte

Von Polizeidienern und Wachtmeistern
Wachtmeister Christoph Vögele (um 1920)

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Mehr als ein Jahrhundert lang gab es in unserer Gemeinde Polizeidiener. Aus den Unterlagen im Gemeindearchiv geht hervor, dass wir bereits um 1840 einen solchen hatten.

Polizeidiener waren Angestellte der Gemeinde - im Gegensatz zu den Gendarmen, die Beamte des Großherzogtums Baden waren und ihren Sitz in Schwetzingen mit Außenstelle in Hockenheim hatten.

Die Aufgaben der Polizeidiener waren vielfältig. Sie mussten Botengänge für die Verwaltung erledigen oder Nachrichten für die Einwohner mit der Schelle bekannt geben. In den Verordnungen hieß es weiter: "Dem Polizeidiener obliegt die Aufrechterhaltung die öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung." Sie sollten "durch Belehrung strafbare Handlungen verhüten und gegen Rechtsbrecher nachdrücklich einschreiten".

Dazu gehörte auch die Überwachung der Polizeistunde in den Gasthäusern. Daneben mussten sie darauf achten, ob die ortspolizeilichen Vorschriften eingehalten wurden. Davon gab es viele, z. B. dass die Ortsstraßen von den Anwohnern" gehörig gereinigt" wurden - mindestens jeden Samstag und vor jedem Feiertag; dass Fruchtwagen nicht zu breit geladen wurden und auch keine zwei oder drei aneinandergehängt wurden.

Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts waren die Polizeidiener auch "Amtsvollzieher". Das bedeutete, dass sie befugt waren, im Auftrag der Gemeinde Geldforderungen bis zu einem Betrag von 60 Mark einzuholen, Pfändungen vorzunehmen und diese zu versteigern.

Wenn die Stelle eines Polizeidieners neu zu besetzen war, wurde dies durch "Ausschellen" bekannt gegeben, und die Interessenten konnten sich darauf bewerben. Der Gemeinderat prüfte, welcher Bewerber am geeignetsten war. Dann musste der Kandidat nach Schwetzingen zum Bezirksamt und wurde dort noch einmal überprüft. Wenn dieser nach Ansicht des Bezirksamtes für gut befunden wurde, konnte er seinen Dienst antreten.

Aus einem Brief vom Juli 1853 an die Gemeinde kann man ersehen, welche Kriterien für eine Eignung maßgebend waren:
„Großherzoglicher Oberamtmann Dilgers: Den auf Ladung erschienenen zum Polizeidiener vorgeschlagenen Kandidaten prüfte man, und nachdem man sich überzeugt, dass derselbe im Lesen und Schreiben hinlänglich unterrichtet ist, so verpflichtete man denselben unter Hinweisung auf seine Obliegenheiten handgelübdlich."

Die Abschrift dieser Urkunde erhielt das Bürgermeisteramt mit dem Auftrag, den Kandidaten "in den Dienst und insbesondere in die Besoldung des abgetretenen Polizeidieners einzuweisen".

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt bei der Einstellung als Polizeidiener war, wie das Bezirksamt 1869 schrieb, dass "tunlichst auf gediente Militärpersonen Rücksicht zu nehmen" sei.

Manchmal waren Gemeinde und Bezirksamt in Schwetzingen nicht gleicher Meinung, wenn es um die Besetzung der Polizeidienerstelle ging. Die ersten Unterlagen über Polizeidiener im Gemeindearchiv berichten von einem solchen Fall.

Die Gemeinde hatte ihren Polizeidiener, der schon 6 Jahre im Dienst war, mit der Begründung entlassen, er habe "oft zu viel getrunken und sich berauscht".

Der Polizeidiener beschwerte sich beim Bezirksamt und erklärte dort u.a. seine Vermutung, dass er wegen "seiner Gesinnung bei der letzten Bürgermeisterwahl" nun aus dem Dienst entfernt wurde. Das Bezirksamt schloss sich dieser Meinung an und ließ die Begründung der Gemeinde nicht gelten.

Aber auch das Bürgermeisteramt, das inzwischen einen neuen Polizeidiener eingestellt hatte, blieb stur und wollte nichts rückgängig machen. Der Bürgermeister schrieb noch einmal an das Bezirksamt, "dass derselbe zur jüngsten Zeit wegen Betrunkenheit seinen Dienst nicht mehr gehörig versehen hat". Die Gemeinde gab als Zeugen den Gendarmen Friedrich und den Nachtwächter Zeißler an, "welche gütigst gefragt werden wollen". Außerdem sei der neue Polizeidiener ein braver Mann, der seine "Schuldigkeit tun werde".

Das Bezirksamt konnte sich nach langem Hin und Her erst durchsetzen, als es eine Strafe von 57 Gulden androhte, wenn die Gemeinde nicht binnen drei Tagen den neuen Polizeidiener wieder entlassen würde. Erst dann gab das Bürgermeisteramt ein wenig kleinlaut nach.

Der Verdienst der Polizeidiener war nicht besonders gut. In der Mitte des 19. Jahrhunderts erhielten sie 100 Gulden im Jahr. Das dürfte wohl für den Lebensunterhalt nicht gereicht haben. So mussten sie wie die meisten Einwohner noch mit ein paar Äckern und etwas Vieh ihre finanzielle Lage aufbessern.

Darum haben sie wohl auch des öfteren eine Erhöhung ihres Gehaltes beantragt, wie beispielsweise die Polizeidiener Lehr und Unglenk gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Eine solche Erhöhung konnte allerdings das Bürgermeisteramt und auch der Gemeinderat nicht allein entscheiden. Dazu musste eine Bürgerversammlung einberufen werden. Ihr gehörten 43 - wahrscheinlich gewählte Bürgervertreter an. 37 davon waren zur Beratung erschienen.

Im Protokoll zur Versammlung heißt es: "Es wurde eine lebhafte Debatte geführt ..., es wurde teils gegen und teils für eine Gehaltserhöhung gesprochen". Und "nachdem sich kein Sprecher gemeldet, überhaupt die Sache hinlänglich erörtert war, schloss der Bürgermeister die Beratung und brachte zur Abstimmung die Frage, die er festgesetzt hatte". Das Ergebnis war, dass der Polizei- und Ratsdiener künftig statt 250 Mark 300 Mark und der erste Polizeidiener statt 325 Mark 375 Mark im Jahr erhielt. Der Beschluss wurde einstimmig gefällt.

Im 20 Jahrhundert erhöhten sich die Anforderungen an die Kandidaten bei der Einstellung in den Gemeindedienst. Ab 1923 durften in größeren Gemeinden nur noch Personen eingestellt werden, die die Polizeischule mit Erfolg besucht hatten. Auch die Polizeidiener unserer Gemeinde wurden immer wieder aufgefordert, an Fortbildungsveranstaltungen bei der Polizeischule Karlsruhe teilzunehmen. Später wurde die Weiterbildung durch Schießübungen und "weltanschauliche Schulungen" ergänzt. Damals hatte der erste Polizeidiener den Titel "Wachtmeister" und der zweite nannte sich „Schutzmann".

1933 erschien ein Rundschreiben vom Bezirksamt Mannheim, in dem die Gemeinden darauf hingewiesen wurden, dass "gegen die Einstellung von SA, SS und des Stahlhelms als Hilfspolizeibeamte keinerlei Bedenken bestehen". Der nächste Hilfspolizeidiener war auch schon, wie in den Akten steht, "ein alter Kämpfer und mit einer der ältesten SA-Männer hier". Ein viertel Jahr später war er bereits Polizeiwachtmeister. Er war für einen Ortspolizisten eingestellt worden, der bei der Partei nicht besonders beliebt war.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Zeit der Ortspolizisten vorbei. Im Februar 1946 wurde die Übernahme der Gemeindepolizei zur Landespolizei vorbereitet. Die beiden letzten Gemeindepolizisten Jakob Schleich und Fridolin Dagenbach wurden von der Landespolizei übernommen.
br, Repor br
( 14.08.2006 - 12:27)

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Polizeidiener Johann Klotz (um 1920)Polizeidiener Johann Klotz (um 1920)

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