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Ein Reilinger gibt der Börse ihr Gesicht
Dirk Müller: Ein Reilinger gibt der Börse ihr Gesicht

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Als am Montagabend in der Hockenheimer Stadthalle Volksbank Kur- und Rheinpfalz und Hockenheimer Zeitung ihre geladenen Kunden über das Thema "Finanzkrise 2008 - ein Wirtschaftskrimi" informierten, stand ein echter Reilinger im Mittelpunkt des Geschehens. Denn Dirk Müller ist "das Gesicht der Deutschen Börse" oder "Mister DAX". Kein anderer ist so wie er zum Synonym für die Stimmungen am Aktienmarkt geworden. Haare raufend, nachdenklich oder freudestrahlend, Dirk Müller ist meistens im Bild, wenn das Fernsehen vom Börsenparkett sendet. Wir haben mit ihm gesprochen:

Wie hat Sie Ihr Weg aufs Börsenparkett geführt?

Dirk Müller: Schon mit 16 habe ich in der Schule unter dem Tisch Aktiencharts gemalt, anstatt Matheaufgaben zu lösen. In der Pause bin ich zum Kiosk rübergerannt und habe mir das Börsenblatt geholt. Ich wollte unbedingt Händler werden. Drei Banken haben damals in Reilingen ausgebildet. Ich bin zur Deutschen Bank gegangen. Als ein hungriger Kollege im Händlerjargon nach Mohrenköpfen ruft, habe ich als Azubi meine Beziehung zu einem Hersteller ins Spiel gebracht und im gleichen Jargon die Ware zu 25 Pfennig das Stück angeboten. Eine halbe Stunde lang wurden dann in der Bank nur noch Mohrenköpfe gehandelt - und meine Leidenschaft für die Börse war im Haus bekannt. Kurz darauf habe ich dann als Assistent des renommierten Rentenhändlers Hans Dittmar begonnen. Der Sprung an die Börse war damit geschafft.

Wer hat Sie als Gesicht der Deutschen Börse entdeckt?

Müller: Zum Medienereignis bin ich aber erst geworden, als ich 1998 beim Kursmakler ICF anfing. Von nun an saß ich genau unter der Dax-Tafel. Seitdem lichten mich Fotografen aus aller Welt ab. Ich mag es, wenn es rund geht und der Adrenalinspiegel steigt. So entstehen die Bilder, das ist keine Show. In einer Welt, in der Aktienkurse auf schier unbegreifliche Weise von Computern in den Banken von Frankfurt bis Tokio gesteuert werden, in der abstrakte Kurven über Bildschirme in U-Bahnen und Wohzimmern flackern, erzähle ich mit Mimik und wenigen Worten manchmal mehr als tausend Charts und Analysten. TV-Sender aus aller Welt und Zeitungen und Magazine aus aller Herren Länder haben mich schon gefilmt und interviewt.

An Ihrem fotogenen Outfit ist ja Ihre Frau nicht ganz unschuldig?

Müller: Jawoll! Meine liebe Frau steht jeden Morgen mit mir auf, um meine Frisur in "Form" zu bringen. Die Frisur war ihre Idee und ich kam mit dem Gelkram irgendwie nie richtig klar. Da haben wir den Deal gemacht: Ich bringe ihr einen Kaffee ans Bett, sie macht mir die Haare. Als Friseurmeisterin lag das irgendwie auf der Hand.

Spekulieren Sie denn selbst an der Börse?

Müller: Ich bin stets dabei, meine Finanzen im Auge zu behalten und da gehören regelmäßige Anpassungen natürlich unbedingt dazu. Die Märkte sind heutzutage viel zu komplex und zu riskant, um dem Motto des Altmeisters Kostolany noch zu folgen: "Aktien kaufen, Schlaftablette nehmen und liegen lassen". Heutzutage muss man sich ständig mit seiner Geldanlage auseinandersetzen. Wer das nicht tut, wird in den nächsten Jahren manch böse Überraschung erleben. Das gilt für diejenigen, die noch nach Kostolany-Manier arbeiten, aber erst recht für diejenigen, die sich überhaupt nicht mit ihrer Altersvorsorge auseinandersetzen.

Was bedeutet für Sie der durchaus beschauliche Wohnort im Vergleich zur Börsenhektik?

Müller: Es ist im wahrsten Sinne ein "nach Hause kommen". Ich bin hier groß geworden, kenne jede Straße und sehr viele Menschen. Es ist eine Welt, die viel ehrlicher und direkter ist als diese Scheinwelt der Finanzen. Die Leute hier sind noch bodenständig und zuverlässig. Hier kann ich mich "erden" und die künstliche Finanzwelt 100 Kilometer weit hinter mir lassen. Ich liebe die vertraute Stimmung auf den Waldfesten, das ständige "ooohhh, wiiiieee!?" Die Leute hören einander noch zu und passen aufeinander auf. Hier stimmt das soziale Miteinander. Viele meiner Kollegen in Frankfurt können das nicht verstehen, dass ich jeden Tag ein bis zwei Stunden zur Arbeit fahre. Ich sage: Lieber gebe ich den Job auf als meinen Wohnsitz in Reilingen. Im Sommer fahre ich am liebsten mit dem Geländewagen zum Campen in die Karpaten. Sonnenuntergänge und Lagerfeuer - das ist real und bringt mich weg von der künstlichen Welt der Börse.

Wie entwickelt sich denn die Börse in den nächsten zwölf Monaten und was hören wir am Montag von Ihnen?

Müller: Das ist eine Frage, die eigentlich einer laaangen Antwort bedarf. Wir sehen die größte Herausforderung für unser Wirtschaftssystem seit vielen Jahrzehnten und was zurzeit passiert, gleicht einem Tanz auf dem Vulkan. Wie dieser Tanz ausgeht, kann heute niemand wissen. Wir handeln an der Börse immer nur Wahrscheinlichkeiten und die Risiken sind so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Aber auch über diese Risiken und Chancen werde ich am Montag einen kleinen Überblick geben. Es kann allerdings bei einem solchen Vortrag nur ein kurzes Schlaglicht sein. Die Themenfülle ist riesig. Daher bin ich auch gerade dabei, ein Buch zu diesem Thema zu schreiben, das dem Leser in einfachen, verständlichen Worten die Situation erklärt und ihm auf unterhaltsame Art die möglichen Entwicklungen mit all ihren großen Chancen, aber auch den dramatischen Risiken bewusst macht. Wenn alles gut läuft, wird dieses Buch im Herbst erscheinen. Um den täglichen Informationsbedarf des ganz normalen Bürgers zu diesen Themen auf einfache und vor allem ehrlich-neutrale Weise zu decken, entsteht in diesen Tagen das Internetportal http://www.misterdax.de, in dem ich für jeden verständlich die wahren Hintergründe der aktuellen Entwicklungen erläutern werde. Denn das, was täglich über die Medien zu den Leuten nach Hause kommt, hat mit der Realität an den Finanzmärkten meist recht wenig zu tun. Über so manche Erläuterung zum aktuellen Handelsgeschehen können wir am Parkett nur ungläubig den Kopf schütteln. Mein Ziel ist, dem Bürger die wahren Hintergründe zeitnah zugänglich zu machen, damit er seine eigene Finanzplanung auf neutrale und direkte Informationen gründen kann.
Jürgen Gruler aus SZ, Foto privat
( 23.06.2008 - 07:50)

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