Kirche

Sakrale und feurige Gesänge

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Sie waren weit mehr als feurige Säbel schwingende Reiter: die Kosaken, ursprünglich freie Krieger, die sich in der Zeit des zaristischen Russlands gegen Frondienste und Leibeigenschaft auflehnten. Freiheitsliebe, Heimatverbundenheit, tief empfundene Religiösität und ein Liedgut, das diese Werte in sich vereinte, zeichnete sie in besonderer Weise aus - und machte sie weltberühmt. Vladimir Gorovoi hat mit den besten weißrussischen und ukrainischen Sängern einen Chor gegründet, der genau diese Ideale hochhält. Der Rostov Don Kosaken Chor unter seiner Leitung konzertierte am Samstag, 19.6., in der evangelischen Kirche.

War mancher zunächst verblüfft, gar enttäuscht, dass der Chor aus nur acht Männern bestand, so sollten die Zuhörer was stimmliches Volumen und Ausdrucksstärke anging, schnell des Gegenteils belehrt werden. Hier waren nur auserlesene Stimmen versammelt, die sich dem Liedgut des freien Reitervolkes annahmen, im Wechselspiel zwischen Chor- und Sologesang alles gaben, damit nichts von dem, was damals war, in Vergessenheit geriet. Eine Atmosphäre des Monumentalen, hinter dem sich ein Hauch des Sentimentalen jedoch nicht zu verstecken brauchte, zog mit den dunklen Bässen, den klaren Tenören in die Kirche ein, erfüllte sie bis in den letzten Winkel und stand einem Chor von zwanzig und mehr Sängern in nichts nach.

Im ersten Teil des Konzerts, das sich dem Sakralen verschrieben hatte, erklang das "Ave Maria", die "Große friedliche Ektenie", "Ich bete an die Macht der Liebe", "Unser großer Gott", aber auch das "Wolgalied" aus der Operette "Der Zarewitsch".

Als Solist trat in dieser bekannten Operettenarie Vladimir Gorovoi selbst auf, der nach verschiedenen Knaben- und Jugendchören 1978 zunächst an der Musikakademie in Gomel, ab 1985 an der Hochschule in Minsk bei Professor Leonid Iwaschkow seine gesangliche Ausbildung erhielt. Exakt die Abstimmung zwischen ihm und den Sängern, gekonnt während des gesamten Konzertes der Wechsel zwischen fulminantem Chorgesang und dem jeweiligen Solisten. Fast alle Sänger des Chors traten auch als Solisten in Erscheinung, am eindrücklichsten sicher das Solo im "Vater unser", bei dem es mucksmäuschenstill war in der Kirche.

Der zweite Teil des Konzerts ließ die russische Seele aufleben, brachte ihr Temperament zum Ausdruck, das uns Europäern wohl immer ein wenig fremd bleiben wird. Mag das an der Schwermut liegen, die immer mitschwingt und derer sich auch die Volkslieder mit ihren raschen, mitreißenden Rhythmen niemals gänzlich entledigen können? Niemand weiß das genau. Mit den Liedern "Fährt ein Kosak durch die Stadt", "Eintönig klingen die Glocken", "Wir waren mit dem Ruderboot" und "Ich habe ein aschgraues Pferd gehabt", die von dem Leben, aber auch dem Leiden der Kosaken erzählen, wurde aber vor allem eines deutlich: Diese Musik berührt, hat ihre ganz eigene Schönheit. Je weiter das Konzert fortschritt, desto mehr entfalteten die Sänger ihre gesangliche Dynamik, desto mehr rissen sie mit.

Spätestens bei "Kathinka" sprang der Funke auch auf den letzten der Zuhörer über, alle klatschten mit, fanden für einen Moment Zugang zur russischen Seele, verweilten ein wenig in diesem Gefühl, bevor wieder das andere dominierte: Die Fremdheit, das Geheimnisvolle, aber auch die Faszination, sich dieser Art von Musik immer wieder aufs Neue anzunähern. sei
( 21.06.2004 - 10:57)

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