Ortsgeschichte

Das Reilinger Postwesen wird 150 Jahre alt
Von 1964 bis 1977 befand sich das Postamt in der Hauptstraße

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Es war im Jahr 1859, als in Reilingen im Hause des Posthalters Vogt in der Hauptstraße 81 eine Postagentur eröffnet wurde. Zuvor war der Postdienst von so genannten Amts- oder Landboten versehen worden. Diese holten in der Regel zweimal wöchentlich zu Fuß die Postsendung in Heidelberg und einige Jahre später in Schwetzingen ab. Um 1860 fuhr ein Pferdeomnibus von Speyer über Hockenheim, Reilingen, Walldorf nach Wiesloch und zurück, der außer Personen und Fracht auch die Post beförderte. Somit war unser Ort einer wichtigen Verkehrsstraße angeschlossen.

Durch die Entwicklung der Zigarrenindustrie in Reilingen wurde diese Poststelle von Jahr zu Jahr immer mehr in Anspruch genommen und schließlich um die Jahrhundertwende in ein Postamt umgewandelt. Dieses wurde von einem Postmeister geleitet, dem gewöhnlich eine Postangestellte und zwei Briefträger zur Seite standen. Als Amtvorsteher wirkten hier vor dem 1. Weltkrieg die Postmeister Selzer und Wimmer.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg war ein Teil der Zigarrenindustrie der allgemein schlechten Wirtschaftslage zum Opfer gefallen. Dadurch hat der Postverkehr erheblich nachgelassen und das Postamt wurde wieder in eine Postagentur zurückgestuft. Diese Postagentur wurde im Jahre 1925 von Jakob Schell übernommen, der den Betrieb auf sein Grundstück Hauptstraße 137 verlegte, wo sich die Post bis August 1964 befand. Jakob Schell selbst trat im Oktober 1953 in den wohlverdienten Ruhestand.

Bis zum Jahre 1930 gehörte die Reilinger Agentur zum Postamt Hockenheim. Von 1894 bis zu dieser Zeit brachte der Postführer Philipp Astor aus der Ziegelstraße und später dessen Sohn Andreas Astor alle Postsendungen mit einem Pferdefuhrwerk nach Hockenheim und zurück. Damals wurden auch Personen mit der „Postchaise“ befördert. Das Fahrzeug konnte bis zu sechs Reisende aufnehmen, die „große Postkutsche“ bis zu 14 Personen. Sie fuhren täglich dreimal zur Nachbarstadt. Der Fahrpreis pro Person betrug 0,20 RM je Fahrt.
Schon 1928 hatte die Firma Jourdan einen Omnibus-Pendelverkehr zwischen Reilingen und Hockenheim eingerichtet, sodass selten noch Leute mit dem Postfuhrwerk fuhren.

Im Jahre 1930 wurde unsere Poststelle dem Postamt Schwetzingen unterstellt. Seit dieser Zeit bringt das Postauto alle Post von Schwetzingen hierher und befördert alle hier aufgegebenen Sendungen nach dort. Im Jahre 1941 wurde aus der Postagentur ein Zweigpostamt.

Im Laufe des Zweiten Weltkrieges wurden auch die Postkraftwagen für Kriegszwecke gebraucht, und da bald ein starker Benzinmangel eintrat, musste der letzte Postführer Andreas Astor noch einmal in Tätigkeit treten. Mit seinem Pferdefuhrwerk besorgte er von 1941 bis Kriegsende den Transport aller Postsendungen nach Hockenheim und zurück. Er ließ sich durch keinen Fliegeralarm abhalten, seinen Dienst pünktlich und gewissenhaft zu tun.

Ab 1964, infolge der beginnenden Hochkonjunktur, wird die Reilinger Postagentur wieder zu einem Postamt angehoben. Durch diesen wirtschaftlichen Aufschwung bedingt, wurden die zu klein gewordenen Diensträume in der Hauptstraße 137 in das inzwischen umgebaute frühere Gasthaus „Zum Adler“ in die Hauptstraße 79 verlegt. Mit der starken Ausdehnung des Dienstbereiches wurden die Räume allmählich wieder zu klein. Zuerst wurden seitens der Oberpostdirektion Karlsruhe an einen Umbau gedacht, von dem man bald wieder abkam. Es musste wegen der Raumnot Abhilfe geschaffen werden. Sehr günstig kam das Angebot eines Unternehmers, auf dessen Grundstück in der Schubertstraße 5 nach den Plänen der Oberpostdirektion Karlsruhe ein Postneubau zu erstellen. Nach kurzer Bauzeit von Oktober 1976 bis März 1977 konnte der Bau vollendet werden.

Im Zuge der Neuorganisation der Postämter wurden im Jahr 1979 das Postamt Schwetzingen mit seinen angegliederten Postämtern, dabei auch Reilingen, dem Postamt Mannheim II unterstellt.

22 Jahre hatte das Reilinger Postamt in der Schubertstraße 5 Bestand. Als Betriebleiter stand ihm Posthauptsekretär Franz Eichhorn vor. Ihm zur Seite standen ein Schalterbeamter, fünf Zusteller und zwei Teilkräfte. In Reilingen wurden im Durchschnitt täglich 3.600 Briefsendungen und 90 Pakete und Päckchen beim Eingang bearbeitet. Die Anzahl der abgeschickten Sendungen lag im Durchschnitt bei 850 Briefen und 60 Paketen und Päckchen.

Die Poststelle in der Schubertstraße 5 wurde wegen der hohen Kosten beim Postfilialnetz und angesichts eines zunehmenden Wettbewerbs auf den Postmärkten im März 1999 aufgegeben. Letztmaliger Schaltertag war am 13.03.1999. Zwei Tage später wurde die postalische Versorgung von Reilingen durch eine Postagentur im Schreibwarengeschäft Robert Lakus in der Hockenheimer Straße 2 übernommen. In diesem Zusammenhang konnten die Öffnungszeiten auf 58,5 Stunden in der Woche ausgeweitet werden. Das Sortiment umfasst etwa 95 % des Dienstleistungsangebotes einer eigenbetriebenen Postfiliale. Ausgenommen sind nur wenige, hauptsächlich internationale Dienstleistungen, die im allgemeinen selten nachgefragt werden.

Die flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen ist seit geraumer Zeit ein wichtiges Thema, zumal die Deutsche Post AG in den vergangenen Jahren beständig Filialen geschlossen und ihr Dienstleistungsspektrum beschnitten hat. Betroffen waren in aller Regel Gemeinden in ländlich geprägten Gebieten. Ob wir in Reilingen weiterhin von derartigen Überlegungen unmittelbar berührt sein werden, wird die Zeit zeigen.

Fotos: svs/le
Quellen: Ortschronik „700 Jahre Reilingen“ (1986), Heimatschrift „Reilingen früher und heute“ (1959)
( 29.12.2008 - 09:28)

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Postbedienstete bei der Einweihung am 25. August 1964Postbedienstete bei der Einweihung am 25. August 1964
Postamt in der Schubertstraße 5 Rund 22 Jahre war das Reilinger Postamt in einem Flachdachbau in der Schubertstraße 5 untergebracht. Der Standort wurde kurz vor dem Jahrhundertwechsel (1999) aufgegeben. Unser Bild stammt aus dem Jahr 1984.
Die Reilinger Postagentur im Jahr 2008.Die Reilinger Postagentur im Jahr 2008.

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