Kirche

Mit Querdenkern ist Kirche mehr gedient
Theologie-Professor Norbert Scholl sprach im Don-Bosco-Haus

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Leere Kirchenbänke, Priestermangel und häufig Unverständnis, oft sogar Ablehnung der kirchlichen Lehre gegenüber - es ist unübersehbar: Der christliche Glaube befindet sich hierzulande in einer tiefen Krise, wie auch Umfragen immer wieder zeigen. Religiosität und Gottesdienst sind für die Hälfte der Gesellschaft nur noch von geringer Bedeutung. Doch jede Krise bietet auch Chancen. "Kirche und christlicher Glaube stehen in einer Übergangsphase zu einem neuen Verständnis, einem veränderten Glaubensbewusstsein. Denn der Glaube an Gott ist nicht ausgelöscht", ist sich Norbert Scholl, Professor für katholische Theologie, sicher. Der streitbare Religionspädagoge, Mitglied der Reformbewegung "Wir sind Kirche", war am Montagabend zu Gast im Don-Bosco-Haus in Reilingen und referierte über das Thema "Wenn der Kinderglaube nicht mehr trägt - von der Sicherheit zum Vertrauen".

Er sei der Überzeugung, dass es heute durchaus noch ein religiöses Suchen gebe. Vielleicht müsse man von der "Tragik einer verfehlten Begegnung" sprechen: "Die Menschen sind von einer tiefen Sehnsucht nach Religion erfasst, aber die traditionellen Kirchen sind nicht mehr die Adressaten dieser Suchbewegung." Das Christentum, so der 74-Jährige, der fast 30 Jahre an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg lehrte, lebe aus der alltäglichen Erfahrung.

Bis in die jüngste Gegenwart habe christlicher Glaube bedeutet, sich an die von der Kirche festgeklopften Lehrsätze zu halten. Doch der biblische Glaube sehe anders aus. "Nimmt man die Bedeutungsvarianten der drei indogermanischen Sprachen für das Wort ‚glauben' zusammen, erkennt man die Bedeutung: Wer glaubt, der gibt sein Herz an etwas, das er für liebenswert hält und zu dem er deshalb fest und treu steht", so Scholl. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil habe sich die Situation gewandelt: Ein gereifter, mündiger Glaube solle Bereitschaft zu beherztem Wagnis und zu verantwortetem Handeln aus eigener Gewissensentscheidung zeigen.

Von Sicherheit zum Wagnis

Nicht wenige Menschen fühlten sich durch die Herausforderungen des modernen Lebens auch im Glauben verunsichert. Christlicher Glaube bedeute aber nicht Sicherheit und Befreiung vom Risiko der eigenen Entscheidung. "Glaube ist ein Risikounternehmen. Einziger fester Halt ist die Zusage Jesu: ‚Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt'", sagte der Referent.

Das Johannes-Evangelium überliefert ein Jesus-Wort: "Ich bin der Weg." Und genauso solle auch die Kirche sein, so die Überzeugung des Professors: ein dynamischer Organismus, in dem das Leben pulsiert. Die Kirche Christi bedeute nicht Stillstand, sie sei vielmehr eine "pilgernde Kirche”, eine Kirche, die den Aufbruch wagt. Scheinbar unwandelbare und immergleiche Grundsätze gehörten der Vergangenheit an. "Ein Christ darf und soll mündig sein. Auf Dauer ist der Kirche mit Querdenkern mehr gedient als mit braven Ja-Sagern und stets zu kindlichem Gehorsam bereiten Gläubigen", rief er das Publikum auf.

Wie die neue Gestalt der Kirche aussehen könnte, beschreibe Jacques Gaillot, der von Rom in die Wüste geschickte Bischof von Evreux. Ihn zitierte Scholl: "Ich verstehe meinen Dienst als Aufwecken und Wachrufen, weniger als Führen. Die Geschichte zeigt, dass alle großen Veränderungen von der Basis kommen. Die Kirche erlebt zurzeit die Krise einer Geburt. Diese Krise zerstört die Kirche nicht, sie baut sie neu auf, damit sie der kommenden Zeit entgegengehen kann."

Die Seelsorge, glaubt auch Theologe Scholl, werde sich in Zukunft stärker an der jeweiligen Lebenssituation des Einzelnen orientieren, einheitliche Normen hätten keine Zukunft mehr: "Vielleicht sind wir auf dem Weg zu einem Glauben, der wieder näher an der vorgegebenen Wirklichkeit liegt und stärker auf die jeweilige Situation bezogen ist." Unter Umständen bedeute der beklagte "Glaubens”-Verfall nur das Dahinschmelzen eines ideologischen Scheinglaubens.

In einer angeregten Diskussion mit den Zuhörern im Anschluss an den Vortrag gab Professor Norbert Scholl Antworten auf brennende Fragen. Er zeigte sich auch "dankbar", dass das Bußsakrament jetzt das Sakrament der Versöhnung ist. Seiner Meinung nach wurde sehr viel Missbrauch damit getrieben. Vielmehr halte er das Angebot des Beichtgesprächs vieler Kirchen für sinnvoller. Außerdem sei für ihn der Ausdruck "schwere Schuld" ohnehin eine fragwürdige Sache. Keinesfalls aber könne ein Kind damit belastet sein, das zur Erstkommunion geht und deshalb vorher zur Beichte muss. az aus SZ
( 05.12.2005 - 14:24)

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