Kirche

Bei Störungen nicht lange warten
Logopädin Belinda Barth über Spracherwerb und -probleme

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„Der Mensch ist als ein horchendes, merkendes Geschöpf zur Sprache gebildet“. Das hat Johann Gottfried Herder bereits im 18. Jahrhundert erkannt und war seiner Zeit damit weit voraus. Ohne die Fähigkeit, sich sprachlich auszudrücken, ohne Handys, SMS, Internet und Fax würde auch unsere moderne Welt zweifellos aus den Fugen geraten: Sprache ist wichtiger denn je geworden. Aus dieser Perspektive heraus bekommt die Sprachentwicklung von Kindern eine neuen Stellenwert.

Belinda Barth, Logopädin aus Hockenheim, gab am Montagabend im katholischen Kindergarten St. Josef Einblick in die stufenweise Sprachentwicklung bei Kindern und zeigte mögliche Sprachstörungen auf. Geladen hatte das katholische Bildungswerk alle Eltern und Interessierten zu diesem Vortrag.

Zunächst skizzierte Belinda Barth in groben Zügen, in welchen Etappen sich ein Kind sprachlich entwickelt. Bis zum Alter von acht Monaten schreie das Baby, es gurre, quietsche oder lalle, probiere viele Kehllaute sowie andere Artikulationsstellen aus. Danach kommen die ersten Doppelsilben wie beispielsweise „gaga“, „Mama“ oder „Papa“. „Auch wenn sich Eltern verständlicherweise über diese erste Ansprache freuen, haben sie für das Kind noch keine Bedeutung“, erklärte Barth. Im Alter von einem Jahr solle das Kind dann mindestens zehn Wörter beherrschen, im Alter von zwei Jahren bereits 50. Zweijährige sollten laut Barth auch schon in der Lage sein, einfache Zweiwortsätze wie „Mama kauft“ zu bilden, auch wenn die Sprache noch durch Gesten unterstützt werden dürfe. Zwischen zwei und drei Jahren müsse dann das Sprachverständnis langsam wachsen, das Kind solle erste Ich-Sätze bilden und auch das erste Fragealter (Wo?) setze um diese Zeit ein.

Einzelne Lautverbindungen dürfen in diesem Alter noch unvollkommen sein und dass Konjugation und Deklination Schwierigkeiten machen, das Kind keine Nebensätze bildet und Artikel wie auch Präpositionen auslässt, ist laut Barth normal und kein Grund zur Beunruhigung. Bis Ende des vierten Lebensjahrs solle ein Kind die Umgangssprache weitgehend beherrschen. Im Gebrauch der Zeiten könne es jedoch noch unsicher sein, auch Lispeln sowie ein entwicklungsbedingtes Stottern lägen im Normbereich. Ab dem vierten Lebensjahr setze dann das zweite Fragealter (Warum?) ein. Barth betonte: „Diese Fragen sind wichtig, denn die Kinder erschließen sich viel Grammatik, Weltwissen und erweitern ihren Wortschatz“.

„Wenn es zu Sprachstörungen kommt, hat das ganz oft etwas mit dem Hören zu tun“, so Barth weiter. Wenn ein Kind beispielsweise durch häufige Mittelohrentzündungen oder Störungen in den Hörbahnen nicht gut hören könne, sei eine verzögerte Sprachentwicklung die Folge. Es gebe aber auch viele andere Auslöser für Sprachstörungen, darunter Hirnreifestörungen, Koordinationsstörungen der Zunge oder Probleme im psycho-sozialen Umfeld.

Die in Hockenheim ansässige Logopädin zeigte verschiedene Arten von Sprachstörungen auf. Zunächst der verzögerte Sprachentwicklungsbeginn, wenn ein Kind nach einigen Monaten das Schreien einstellt und damit seine sprachliche Entwicklung blockiert. Dann die Dyslalie (Lauterwerbsstörung), die beim Weglassen einzelner Laute („Bume“ statt „Blume“) oder dem Ersetzen durch andere Laute („Tuh“ statt „Kuh“) vorliegt. Oder Dysgrammatismus: Darunter versteht man das Weglassen von Wörtern oder Satzteilen, das Bilden fehlerhafter Formen („der Mädchen“, „du macht“) sowie Probleme bei der Satzstellung. Problematisch kann ab einem gewissen Alter auch ein eingeschränkter Wortschatz – ein Phänomen, das häufig bei zweisprachig aufwachsenden Kindern auftritt – oder ein eingeschränktes Sprachverständnis werden.

„Wenn sie bei ihrem Kind ein sprachliches Problem feststellen und es in seiner Entwicklung mehr als nur ein paar Monate außerhalb der Norm liegt, sollte man nicht zu lange zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen“, erklärte Barth. „Denn Sprachstörungen regulieren sich in der Regel nicht von selbst“. sei aus SZ, Foto svs
( 20.11.2006 - 11:48)

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