Ortsgeschichte

Warten auf den Einmarsch der Alliierten

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Zum Frühlingsanfang 1945 zeigte sich das Wetter in der Kurpfalz von seiner besten Seite: Milde, ja frühsommerliche Temperaturen herrschten im Raum Hockenheim Mitte März vor 60 Jahren. Doch den Menschen war nicht nach Frühlingsgefühlen zumute. Der leidvolle Krieg neigte sich in Riesenschritten seinem Ende zu, die gegnerischen Armeen rückten unaufhaltsam in Richtung Rhein vor.

Fast ununterbrochen flogen die leichten Jagdbomber der Alliierten Angriffe auf Städte und Dörfer der Region, Amerikaner und Franzosen kontrollierten inzwischen fast das gesamte Luftgebiet über der Kurpfalz. Unzählige Zivilisten und Soldaten, Frauen und Kinder kamen noch in diesen letzten Wochen des Krieges durch Bomben und Bordwaffenbeschuss ums Leben oder verloren ihr Hab und Gut. Fliegeralarm war Tag und Nacht. Das Motorengedröhn der fliegenden Festungen war besonders in den Nächten bei Angriffen auf Stuttgart, Heilbronn, Pforzheim oder Mannheim fast schon zur Gewohnheit geworden. Aber direkte Angriffe auf Hockenheim, Altlußheim, Neulußheim und Reilingen waren für die wehrlosen Bewohner der Stadt etwas Neues.

Eine abrückende Pioniereinheit der SS-Division "Götz von Berlichingen” wollte kurz vor dem Anrücken der Kampfverbände zwar noch die Kraichbachbrücken in und um Hockenheim zerstören, gab aber angesichts der immer wieder zurückkehrenden Tiefflieger dieses Vorhaben auf. Letzte Verbände der abrückenden Wehrmacht sprengten dann aber doch noch die Kraichbachbrücke an der Umgehungsstraße (spätere B 36) sowie die Überführungsbrücke über die Rheintalbahn.

Je schneller sich die US-Armee dem Rhein näherte, umso hektischer wurden die Aktivitäten in den vier Ortschaften. Obwohl verboten, wollten vor allem die katholischen Nazi-Gegner, engagierte Sozialdemokraten und Kommunisten, ihre Heimatgemeinden retten und sie kampflos übergeben. Dieses Vorhaben stieß auf erbitterten Widerstand bei den NSDAP-Ortsleitungen und den Ortsbauernführern, die die Heimatfront zu organisieren hatten.

Vor allem die Angriffe während der Karwoche 1945 verursachten den Tod oder schwere Verletzungen zahlreicher Zivilpersonen. Kinder, die mit weggeworfener Munition und Handgranaten hantierten, wurden getötet oder schwer verletzt. Zwangsarbeiter, die die kommende Freiheit erahnten, zogen plündernd durch die Straßen.

Mit Angst erwarteten die Menschen mit weißen Betttüchern in den Fenstern - die NSDAP-Ortsleitungen und alle deutschen Kampfverbände hatten sich inzwischen in Richtung Kraichgau/Odenwald abgesetzt - die Amerikaner. Diese hatten in den frühen Morgenstunden des 30. März bei Speyer mittels Pontonbrücken auf breiter Front den Rhein überquert. Vom Talhaus her, aus Richtung Altlußheim und vom Insultheimer Hof kommend, rückten die GIs in Hockenheim und den umliegenden Gemeinden ein.

Panzerspähwagen voraus, durchkämmten Infanterieeinheiten der 7th US-Army die Straßen, Scheunen und Gärten, um wenig später die Rathäuser zu besetzen. Als sie wieder herauskamen, hatten einige Soldaten die dort gefundenen Hakenkreuzfahnen um den Bauch gebunden. Hitler-Bilder wurden zerstört, mögliche NS-Oberen festgenommen. Diese Aktionen wurden von den französischen Truppen fortgesetzt, die nach dem Abzug der amerikanischen Kampfverbände die Gemeinden für einige Wochen besetzt hielten. Vor allem die algerischen und marokkanischen Truppenteile, mehr noch aber die unter der französischen Fahnen kämpfenden Fremdenlegionäre (darunter überraschenderweise auch viele Deutsche), sorgten mit ihren Plünderungen und Übergriffe auf die Zivilbevölkerung für ein wildes Durcheinander.

Ein Zustand, der noch lange Zeit anhalten und später durch die Ankunft von vielen Hundert Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten noch verstärkt werden sollte. Schwere Nachkriegsjahre für Altlußheim, Hockenheim, Neulußheim und Reilingen hatten begonnen.
Otmar A. Geiger aus SZ
( 04.04.2005 - 14:15)

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