Aus dem Rathaus

Hartes Geschäft hinter blinkenden Lichtern und Disco-Rhythmen

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Im Wohnwagen von Ort zu Ort: Leben der Schausteller im Wandel / Mehrere Standbeine zum wirtschaftlichen Überleben

Seit Generationen träumen die Menschen davon, einmal wie ein Clown oder als Besitzer eines bunten Karussells im Zirkuswagen von Stadt zu Stadt durch das Land zu ziehen. Vor allem in den von Hektik und Stress geprägten Tagen unserer Zeit ist das Verlangen groß nach Freiheit und Selbstständigkeit von den Zwängen des Alltags.
Die Schausteller können heute auf eine mehr als 3000-jährige Geschichte zurückblicken.
Über das "fahrende Volk" berichten bereits die ältesten bekannten Quellen und selbst in der Bibel werden Gaukler, Märchenerzähler oder Zauberer erwähnt.
Vieles hat sich seitdem aber verändert, sich der Stimmung und Mode der Zeit angepasst.
Dennoch ziehen die Schaustellerfamilien noch immer in ihren Wohnwagen von Ort zu Ort. Reilingen besuchen sie mit ihren Fahrgeschäften, Buden und Imbissständen gleich zweimal im Jahr. Nicht nur die Kinder freuen sich bereits Tage vorher auf das Frühlingsfest oder die traditionsreiche Kerwe. Kein Wunder also, dass sich auch an diesem Wochenende wieder Jung und Alt auf dem Parkplatz neben den Fritz-Mannherz-Hallen drängen werden.
Dass sich hinter den blinkenden Lichtern, den fetzigen Disco-Rhythmen aus den Lautsprechern und dem typischen Volksfestgeruch aus gebrannten Mandeln, Magenbrot und Bratwurst heute ein knallhartes Geschäft verbirgt, wird aber nur den wenigsten Besuchern bewusst. Selbst für alte und traditionsreiche Schaustellerdynastien geht es inzwischen ums Überleben.
Seit fast 40 Jahren kommt der Karlsruher Fredy Traber zweimal im Jahr nach Reilingen. Anfangs zog er mit seinen Eltern von Volksfest zu Volksfest, besuchte nahezu jede Woche eine andere Schule und half sehr früh im Familienbetrieb mit. „Ich kenne Reilingen noch, als der Rummel mitten im Dorf in der Gartenstraße stattfand“, erzählt der Karussellbetreiber, dessen Familie, zwar weitläufig, aber immerhin, zu der weltbekannten Zirkus- und Schaustellerdynastie Traber gehört.
Als junger Bub besuchte er sogar die Reilinger Volksschule – was übrigens auch heute noch viele Schausteller- oder Zirkuskinder tun müssen, die mit ihren Familien von Ort zu Ort reisen. „Das Gastschüler-Dasein ist gar nicht so schlecht“, weiß der Vater von mittlerweile zwei erwachsenen Kindern zu berichten. Das bringe Vorteile für das spätere Leben. Man sammle Erfahrung, würde viele Menschen und unterschiedliche Lehrer kennenlernen. „Dumm geblieben ist dabei keiner“, stellt Fredy Traber mit einem spitzbübischen Lächeln fest. Immerhin würden gerade viele Schaustellerkinder hervorragende Abiturabschlüsse ebenso vorweisen können wie qualifizierte Berufsausbildungen.
Da Schausteller Familienmenschen sind, wird besonderer Wert auf eine heimische Umgebung gelegt. Für rund neun Monate im Jahr lebt man auf engstem Raum in den Wohnwagen, isst zusammen mit den Mitarbeitern und bekommt auch das (Familien-)Leben der Kollegen hautnah mit. Der Wohnwagen ist Wohnraum und Büro zugleich. „In unserem Beruf ist der Zusammenhalt wichtig“, betont Traber, muss aber eingestehen, dass in den vergangenen 20 Jahren der Konkurrenzkampf immer stärker und viel härter geworden
ist.
„Um heute überleben zu können, braucht der Schausteller mehrere Standbeine“, sieht Traber, der als Generalpächter seit vielen Jahren für seine Kollegen auch den Reilinger Kerwerummel organisiert, die wirtschaftliche Situation nüchtern. „Nur ein gesunder Branchenmix hilft zu überleben.“
Der Drang auf die Festplätze sei zwar ungebrochen, aber das Geld werde bewusster, sogar äußerst sparsam ausgegeben, beschreibt er die wirtschaftliche Situation der vergangenen Jahre. Und trotzdem sind er und seine Kollegen stolz auf ihren Beruf: „Es gibt doch nichts Schöneres, als den Menschen Freude zu bringen.“ Nur wer einmal in die glänzenden Augen und strahlenden Gesichter der Kinder beim Karussellfahren geblickt habe, könne die Freude an diesem Beruf verstehen.
Dafür nimmt man auch gerne bis zu 30 Ortswechsel im Jahr in Kauf, baut bei glühender Hitze oder eisiger Kälte die Fahrgeschäfte auf und ab, oder fährt noch nachts nach dem Abbau durch den Regen zum nächsten Rummelplatz. Wer den Aufbau der Fahrgeschäfte auf dem Parkplatz neben den Mannherz-Hallen beobachtet, stellt fest, dass dort ein eingespieltes Team arbeitet. Die Mitarbeiter der zehn Schaustellerunternehmen kennen jeden Griff und lassen aus Stahl, Kabelsalat und farbigen Lampen die tollsten Fahrgeschäfte entstehen. Dabei wird großer Wert auf die Sicherheit gelegt.
Die Reilinger dürfen sich heute auf einen sicher vergnüglichen Kerweauftakt freuen. Bürgermeister Walter Klein wird um 15 Uhr zusammen mit Fredy Traber das erste Fass Kerwebier anstechen. Mit dem traditionellen Familientag mit deutlich
ermäßigten Preisen werden sich die Schausteller dann am Dienstagabend wieder aus der Spargelgemeinde verabschieden.
Dann klingt auch die Reilinger Kerwe aus, auf die sich aber Alt und Jung heute erst mal freuen ...
og aus SZ
( 29.10.2007 - 11:19)

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