Was sonst interessiert

Wie Anwohner den Großbrand erlebten

Zurück zur Startseite - Zur Kategorie-Übersicht


Merkwürdig verlassen liegt das Reilinger Neubaugebiet "Holzrott" am Mittwochnachmittag, 20.8.08, unter einem dichten braun-gelben Nebelschleier, die Szenerie wirkt gespenstisch, die Luft ist voller beißendem Rauch. Nicht mal 200 Meter entfernt von den ersten Häusern brennt es in einem Matratzenlager (wir berichteten aktuell). Ein Drehbuch für einen Öko-Krimi könnte die Situation nicht besser beschreiben. Dort, wo noch vor wenigen Minuten lärmende Kinder auf den beiden Spielplätzen tobten, ist es ebenso totenstill wie in den Straßen des Ortsviertels am nördlichen Rand der Spargelgemeinde. Von überall ist das Dröhnen der Martinshörner auf den Einsatzfahrzeugen von Feuerwehr, Notarzt- und Rettungswagen, sowie der Polizei zu hören. Über dem Ort kreist seit wenigen Minuten ein Polizeihubschrauber, durch die Straßen des "Holzrotts" fährt langsam ein Lautsprecherwagen der Polizei und fordert die Anwohner auf, dringend Türen und Fenster zu schließen. Selbst der Rundfunk unterbricht sein Programm, um die gleiche Meldung über den Äther zu geben. Die drei elfjährigen Freundinnen Daniela, Desirée, Celine, die sich eigentlich auf das gemeinsame Planschen und Trampolinspringen im Garten gefreut hatten, sitzen aufgeregt vor dem Radio. "Ist das echt oder nur eine Übung", so ihre bange Frage. Die Antwort erübrigt sich, als ein Messtrupp der Feuerwehr direkt vor dem Haus hält und mit Spezialgeräten die vom Brand belastete Luft untersucht. Lagen die Messwerte direkt am Brandort noch um den Grenzwert, können die Feuerwehrleute zunächst mal Entwarnung geben. Dennoch, so deren Empfehlung vor Ort im Wohngebiet, sollten die Fenster und Türen geschlossen bleiben. Nur wenige Häuser weiter kommt in diesem Moment der 14-jährige Alexander von einer Fahrradtour nach Hause. Hustend und mit tränenden Augen berichtet er, dass die ganze Landschaft bis hin zum Gemeindewald unter einem Nebelschleier liegt. Und selbst im Wald habe man den Rauchgeruch wahrgenommen. Als das Telefon klingelt, meldet sich am anderen Ende der Leitung eine Familie aus dem "Holzrott" die zu einem Ausflug in den Mannheimer Luisenpark aufgebrochen war und dort auch die Chance nutzte, den Kindern einmal den Rhein-Neckar-Raum von oben zu zeigen. Und als sie auf der großen Tafel in Richtung Hockenheim/Reilingen orientieren, können sie ganz deutlich die gewaltige Rauchwolke und den Dunstschleier erkennen. Zurück im Auto lässt sie die Warnmeldung im Radio umgehend beim Nachbarn anrufen. Er kann die Familie ebenso beruhigen wie weitere Anrufer von besorgten Nachbarn, die derzeit auswärts ihren Urlaub verbringen. Selbst von der türkischen Mittelmeerküste kommt ein Anruf. Er könne im Hotelzimmer im Satelliten-TV das Regionalfernsehen aus dem Rhein-Neckar-Raum empfangen und habe dort einen Bericht über den Großbrand gesehen. So geht es dann den ganzen Abend weiter, Verwandte und Freunde melden sich voller Sorge, ein Reporter einer großen deutschen Boulevardzeitung geht von Haus zu Haus, um mögliche "Opfer der Katastrophe" aufzuspüren. "Ja, es stinke vor dem Haus zwar fürchterlich und reize Augen und Bronchen, aber ansonsten sei die Situation in den geschlossenen Häusern relativ problemlos", ist für ihn eine unbefriedigende Antwort. Und auch die Frage nach vielleicht betroffenen Kindern führt nicht zum Erfolg: "Denen geht es gut, die sitzen im Wohnzimmer und spielen." Längst hat man sich im Reilinger "Holzrott" mit der ungewohnten Situation arrangiert. Einige Familien haben sich zu einem Kinobesuch entschlossen, andere haben sich für diese Nacht bei Verwandten einquartiert. Die meisten Anwohner aber sind dem Rat von Polizei und Feuerwehr gefolgt und haben ihre Häuser so gut wie möglich "luftdicht" gemacht. Und im übrigen Gebiet der Spargelgemeinde ist von den Auswirkungen des Großbrandes eh nicht viel zu verspüren. Als dann in den frühen Morgenstunden der Südwest-Wind auf Südost dreht, geht dann doch ein Aufatmen durch die Neubausiedlung. Endlich können die Fenster wieder geöffnet werden, fast geruchlose frische Luft durchstreicht die Zimmer. Dafür zieht die Rauchwolke – der Brand ist um diese Zeit noch immer nicht gelöscht und der Brandherd hat sich sogar ausgeweitet – in Richtung Reilinger Industriegebiet und das Hockenheimer Neubaugebiet "Biblis". Im Laufe des gestrigen Tages geht dann so langsam die Rauchbelastung für die Bevölkerung zurück, eine außergewöhnliche, aber letztendlich wenig spektakuläre Ausnahmesituation geht ihrem Ende entgegen. Zurückbleiben die Erinnerung an das Geschehene, viele vom Brandgeruch belastete Wohnungen und Kleider, aber auch die Erkenntnis, wie schnell es zu einer Katastrophe kommen kann – und wie professionell und motiviert die ehrenamtlichen Einsatzkräfte der Feuerwehr sich auch über Stunden hinweg dafür einsetzen, dass es eben nicht soweit kommen muss.

og aus SZ
( 25.08.2008 - 10:39)

Zurück zur Startseite - Zur Kategorie-Übersicht

© Gemeinde Reilingen 2008