Kirche

Die Einheit bewahren, und gleichzeitig Unterschiede aushalten können
Evangel. Landesbischof Fischer beim kathol. Bildungswerk

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Mit einer Betrachtung über den Epheserbrief (Kapitel 4, Vers 5) hat Dr. Ulrich Fischer seinen Vortrag "Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe - von der Einheit der Kirche in der Zerrissenheit der Welt" begonnen, der im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen stattfand. "Er zeigt, dass die Einheit der Kirche von Beginn an strittig war und schon damals dringend angemahnt werden musste", so der evangelische Landesbischof, der auf Einladung des katholischen Bildungswerkes im Reilinger Josefshaus vor einem interessierten Publikum sprach.

Manche Christen, führte der Theologe aus, seien vorher Juden, andere wiederum Heiden gewesen. Eine 300 Jahre dauernde christologische Auseinandersetzung, unter anderem um die Deutung der Dreifaltigkeitslehre, wurde im Konzil von Nicäa (325) mit dem Glaubensbekenntnis beschlossen. Basis: Jesus Christus, der die Wahrheit ist. Aber es gibt eben verschiedene Auslegungen dieser Wahrheit - übrigens auch schon in den vier Evangelien -, und die geben immer wieder Diskussionsstoff.

Doch Pluralismus gehöre zum Christentum dazu. "Die Wahrheit in Jesus Christus ist wie eine große Sinfonie: Verschiedene Instrumente klingen zusammen", erklärt Fischer.

Beginn der Ökumene

Seit 1945 hat sich eine Menge getan in der Ökumene, mit der man in Deutschland meistens die evangelische und katholische Konfession meint. Auf die Kirchenspaltung in Ost- und Westkirche (1054) folgte mit dem Religionsfrieden von Augsburg (1555) und dem Westfälischen Frieden (1648) die westeuropäische Trennung, hauptsächlich in Reformierte und Lutheraner. Die Folgen: Die Konfession des jeweiligen Landesherren war auch die seiner Untertanen. In der Kurpfalz ist das Verhältnis zwischen evangelischen und katholischen Christen etwa gleich, weil hier die Konfessionen oft gewechselt haben.

Doch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hätten Tendenzen angefangen, aufeinander zuzugehen. Schmunzelnd mutmaßte Fischer, dass fast jeder der Anwesenden noch die Geschichten von der katholischen Hausfrau kenne, die an Karfreitag demonstrativ Betten ausgeschüttelt habe. Oder vom evangelischen Bauern, der kurz vor der Fronleichnamsprozession noch Gülle auf den Feldern verteilte.

Aber mit der Gründung des ökumenischen Rates der Kirchen in Genf (1948), dem die evangelische, anglikanische und orthodoxe Kirche angehören (die römisch-katholische hat Beobachterstatus) war eine Entwicklung eingeleitet, die sich im 2. Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965), "dem größten Einschnitt in der katholischen Kirche, eine Revolution der Liturgie" (Fischer) fortsetzte.

Anerkennung der Taufe

Taufe und Patenamt werden gegenseitig anerkannt. Und es sei selbstverständlich, dass der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, gemeinsam Stellung zu gesellschaftspolitischen Fragen beziehen.

Vor etwa fünf Jahren regelte die Charta Oecumenica, dass Gemeinsamkeiten selbstverständlich seien, begründungspflichtig wurden die Ausnahmen. Dazu kommen noch Besonderheiten in Baden (im Unterschied zu allen anderen Landeskirchen werden seit den 70er Jahren echte ökumenische Trauungen vollzogen) und in ganz Baden-Württemberg (ökumenischer Religionsunterricht in den Klassen 1 und 2 sowie 5 und 6 in konfessioneller Kooperation möglich).

Herbe Kränkung als Christ

"Doch trotz dieser Errungenschaften ist nicht alles wunderbar", bedauerte der badische Landesbischof. Am 6. August 2000, also auf dem Höhepunkt der Ökumene, hat der Vatikan die Erklärung "Dominus Iesus" (Kardinal Ratzinger, der heute Papst Benedikt XVI. ist) veröffentlicht, die Dr. Fischer als "die herbeste Kränkung, die ich als evangelischer Christ erfahren habe", bezeichnet. Den evangelischen Gläubigen wird dabei der Status als Kirche abgesprochen, sie werden lediglich als "kirchliche Gemeinschaft" wahrgenommen. Das bedeutet, dass sie nur Anteil an der Wahrheit Jesu Christi haben.

Ein weiterer Punkt sei das Abendmahl. Vom Verständnis her stünde einer gemeinsamen Feier nichts im Wege. Einziges Hindernis: Die Ämterfrage, denn in der katholischen Kirche darf ausschließlich ein geweihter Priester Eucharistie feiern. Gerade im Hinblick auf die Kurpfalz, wo etwa 50 Prozent der Ehen konfessionsübergreifend sind, sei es beschämend, dass man keine Notlösung finde. "Ich halte es auch für skandalös, dass geschiedene Wiederverheiratete katholischen Glaubens nicht guten Gewissens zum Abendmahl gehen dürfen."

Doch Kritik übt der Landesbischof auch an seiner Kirche: "Der Ausstieg bei der Überarbeitung der Bibel-Einheitsübersetzung beschämt mich." Zu unüberbrückbaren Differenzen war es gekommen, weil der Vatikan sich bei strittigen Fragen auf die überlieferte Tradition beruft, die evangelischen Christen aber auf den Urtext zurückgreifen wollen.

Suche nach Beheimatung

Die Suche nach Beheimatung in der Kirche nehme zu, wie die Zahlen in den Kirchenbezirken Mannheim und Freiburg belegen: Hier gebe es inzwischen genauso viele Eintritte wie Austritte. In den letzten 30 Jahren sei die Abkehr vom Glauben oft dreimal so groß gewesen wie das Bekenntnis zur Religion. Gerade deshalb mahnte Dr. Ulrich Fischer die relativ starke Bibelvergessenheit sowohl auf evangelischer als auch auf katholischer Seite an. Vielmehr stelle er eine Überbetonung der Traditionen und Konfessionen fest. az aus SZ, Fotos svs
( 30.01.2006 - 14:26)

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Interessierte Zuhörer im JosefshausInteressierte Zuhörer im Josefshaus

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