Ortsgeschichte

1895: Der Friedhof wird verlegt

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Teil 1

Geschehen zu Reilingen, den 19. April 1895, vor dem Gemeinderat
Punkt 1:

Der Bürgermeister trägt vor, dass der Friedhof alsbald zu Ende gehe und beantragt der Bürgermeister darüber zu beraten, ob derselbe verlegt oder aber in demselben wieder neu begonnen werden soll.

Beschluss:
1. Die Verlegung des Friedhofes in die Gewann Heidelbergerweg links wird beschlossen, vorausgesetzt, dass die Grundstückseigentümer ihre Grundstücke zu einem annehmbaren Preis abtreten.
2. Der Bürgermeister wird betraut, mit den Grundstückseigentümern in Unterhandlung zu treten.

Mit diesem Beschluss wurde etwas auf den Weg gebracht, was den Reilingern insgesamt unsympathisch, ja sogar zuwider war: nämlich die Verlegung des Friedhofes an einen Platz außerhalb des Ortes. Bereits in den Jahren 1861 und 1880 mussten Erweiterungen an dem seit 1842 bestehenden, an der heutigen Alten Friedhofstraße liegenden Begräbnisplatz vorgenommen werden.
Beide Male drängte das Großherzogliche Bezirksamt Schwetzingen den hiesigen Gemeinderat, diesen beengten Friedhof zu schließen und in der Nähe des heutigen einen neuen anzulegen. Doch beide Male gelang es den Gemeindevätern in Verhandlungen, vom Großherzoglichen Bezirksdienst eine Genehmigung zur Erweiterung des Friedhofes in westlicher Richtung zu erwirken. Denn wer wollte sich schon dem Vorwurf seiner Mitbürger aussetzen, etwas Vertrautes und Altgewohntes aufzugeben, ohne nicht mindestens den Versuch gemacht zu haben, dies zu erhalten und fortführen zu können? Und war es nicht eine von altersher überlieferte christliche Sitte, die Toten in der Geborgenheit eines Kirchhofes um das heimatliche Kirchlein zu bestatten? Wohl lag der damalige Friedhof nicht mehr bei oder um eine Kirche, doch lag er Immerhin noch inmitten des Dorfes und in unmittelbarer Umgebung der Lebenden. Kam es nicht geradezu einem Verrat gleich, die Verstorbenen künftig so weit vom pulsierenden Leben zu verbannen und sie gleichsam aus der Dorfgemeinschaft auszustoßen?

Doch die Wirklichkeit war die: Nachdem ab 1894 die Bebauung der Kirchenstraße begonnen hatte, war keine Erweiterung in westlicher Richtung mehr möglich. Die gesetzlich vorgeschriebene Entfernung vom Friedhof zum Wohngebiet konnte somit nicht mehr eingehalten werden. Dieser Tatsache mussten sich Bürgermeister und Gemeinderäte beugen. Demzufolge war die allgemeine Stimmung in der Einwohnerschaft die: Die Gewissheit, dass der künftige Friedhof auf jeden Fall weit weg vom Ort liegen würde, hat die Reilinger Volksseele vorgewärmt, zum Kochen brachte sie ein anderer Beschluss! Dass sich der damalige Bürgermeister Eichhorn bemüht hatte, einen für die Gemeinde annehmbaren Preis mit den Grundstückseigentümern auszuhandeln, darf man gewiss sein. Doch Erfolg war ihm nicht beschieden. Und nun war guter Rat teuer, denn ohne geeignetes Gelände konnte kein neuer Friedhof angelegt werden. Was aber dann, einen Ausweg suchend, der Gemeinderat beschloss, erzürnte die sonst braven Reilinger in höchstem Maße!

Geschehen zu Reilingen, den 13. Dezember 1895, vor dem Gemeinderat
Punkt 2:

Der Bürgermeister trägt vor, dass er der Ansicht sei, den Friedhof in den Gemeindewald zu verlegen, weil die Eigenthümer, deren Gelände zur Anlage eines Friedhofes sich eignen würden, wegen Abtretung zu hohe Preise verlangen.
Beschlussfassung wird beantragt. Beschluss:
1. Nach ordentlicher Beratung: In Anbetracht der hohen Güterpreise, welche diejenigen Eigentümer stellen, deren Gelände zur Friedhofsanlage sich eignen würde, soll der neue Friedhof in den Gemeindewald verlegt werden.
2. Einholung der Zustimmung des Bürgerausschusses.

Für den 20. Dezember 1895 wurde der Bürgerausschuss einberufen, der damals 43 Personen männlichen Geschlechtes zählte. Der Amtsdiener musste beim Austragen der Einladungen an die Ausschussmitglieder auf einer vorgefertigten Liste vermerken, ob die Einladung vom Ausschussmitglied selbst, oder von welchem Familienmitglied in Empfang genommen wurde! Von den 43 Männer waren 28 zur Abstimmung erschienen, und mit 25 Ja- gegen 2 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung wurde der Gemeinderatsbeschluss vom 13. Dezember bestätigt und eine Verlegung des Friedhofes in den Gemeindewaid befürwortet.

Damit hatten die Reilinger ihr Weihnachtsgeschenk und für die Festtags-Unterhaltung ein gutes Thema. Mit der Beschlusslage vom 13. und 20. Dezember 1895 war die Sache - Verlegung des Friedhofes - für das Jahr 1895 abgeschlossen und nahm ihren Fortgang am 10. Januar 1896.

Friedrich Kief
( 08.12.2008 - 12:19)

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