Ortsgeschichte

Mit modernster Technik der "Burg unter der Grasnarbe" auf der Spur
Die Burg unter der Grasnarbe

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Spannend, informativ und unterhaltend zugleich war am Sonntagnachmittag, 15.09.2008, ein Ausflug in die Heimatgeschichte rund um Reilingen. Den bundesweiten "Tag des offenen Denkmals" nunitzten nämlich die Gemeindeverwaltung und die Freunde Reilinger Geschichte gemeinsam, um einer breiten Öffentlichkeit die neuesten Forschungsergebnisse für den Bereich der historischen Burg Wersau und der legendären Wendelinsbruderschaft vorzustellen. Das Interesse an dieser Veranstaltung war mit fast 200 Personen so groß, dass mehrere Gruppen und Stationen gebildet werden mussten.

Im Hof der ehemaligen Schlossmühle wurden die Anwesenden zunächst von Philipp Bickle, dem Vorsitzenden der Freunde Reilinger Geschichte begrüßt, in einem kurzen Überblick auf die vielfältigen Informationsmöglichkeiten hingewiesen und verschiedene Experten der Archäologie und Geschichtsforschung als ideale Gesprächspartner vorgestellt. Bürgermeister Walter Klein nutzte die Gelegenheit, um die Besucher auf die einmalige Chance der Gemeinde Reilingen hinzuweisen, nach dem erfolgten Kauf des für die Dorfgeschichte bedeutsamen Grundstücks sich noch intensiver mit der Geschichte und Vergangenheit der Burg Wersau zu beschäftigen. Da von der mittelalterlichen Burganlage heute nichts mehr zu sehen ist, und es auch so gut wie keine Pläne oder korrekte Aufzeichnungen gibt, habe man sich entschlossen, der Burg Wersau mit den neuesten technischen Möglichkeiten, aber auch mit Hilfe der klassischen Archäologie auf die Spur zu kommen. "Wir wollen uns die notwendige Zeit nehmen, und alle Möglichkeiten nutzen, das Geheimnis um die Burganlage zu lüften", so Walter Klein, der zugleich darauf hinwies, dass über ein späteres Nutzungskonzept weder beraten, noch irgendeine Entscheidung bereits getroffen wurde. "Es gibt verschiedene Gedanken und Vorschläge, die wir zunächst mal sammeln." Die Reilinger Bevölkerung, aber auch die vielen interessierten Heimatfreunde der Region dürften aber davon ausgehen, dass die jetzt entdeckten Spuren der Vergangenheit ordentlich gesichert und ausgewertet würden.

Wie man die "Burg unter der Grasnarbe" gefunden wurde, erläuterte der Geologe Dr. Martin Waldhör. Zusammen mit weiteren Spezialisten seines weltweit renommierten Fachbüros sei von dem gesamten Grundstück eine geoelektrische Kartierung erstellt worden (wir berichteten). Mit nahezu 40000 Messungen habe man einen Überblick über das bekommen, was sich bis zu einigen Metern im Boden verstecken würde. "Das Ergebnis ist sensationell und wird mit Sicherheit in der Fachwelt für Schlagzeilen sorgen."
Von einem Glücksfall für die Heimatforschung sprach der Archäologe Dr. Ludwig Hildebrandt, der seit vielen Jahren im Auftrag der Gemeinde Reilingen sich um alle historischen Bodenfunde in der Spargelgemeinde kümmert. Während es vielen anderen Städten und Gemeinden darum gehe, den Grund und Boden schnellstmöglich zu bebauen, zeige man in Reilingen sehr viel Verständnis für die Geschichtsforschung. Und dass die Risikofreude von Bürgermeister Klein und des Gemeinderats, die teueren Bodenuntersuchungen vornehmen zu lassen, jetzt auch noch belohnt wurde, stimme zuversichtlich. "Die Burg Wersau liegt wie in einem Buch vor uns und muss jetzt nur noch aufgeblättert werden." So wisse man nicht nur mit Bestimmtheit, wo die Burg mit ihren bis zu 24 Gebäuden lag, sondern dass sie ob ihrer Größe auch zu den bedeutendsten in der ganzen Region gehörte.
Da man vor Beginn der Veranstaltung zahlreiche Fundorte mit Bändern oder Sägemehl gekennzeichnet hatte, konnten die Anwesenden die Ausführungen von Dr. Hildebrandt auch direkt vor Ort nachvollziehen. Ob es sich nun um die Stallungen, den Burggraben oder die Kernburg handelte, das Bild der ehemaligen Burg Wersau wurde von Station zu Station deutlicher.

Um diesen Eindruck zu verstärken, berichtete der Historiker Otmar Geiger in der Figur eines Wersauer Burgwächters vom früheren Leben im Mittelalter, erzählte von den Kaufsmannszügen, Pilgern und Reisenden auf der nahen Kaiserstraße, für deren Schutz die Burgmannschaft zu sorgen hatte. Und die von Philipp Bickle mit Hilfe weiterer Vereinsmitglieder zusammengestellte Ausstellung von alten Burgansichten verstärkte noch den Eindruck, wirklich auf einer Burg zu sein. Für Schmunzeln sorgte bei den Anwesenden der Auftritt des bekannten Tenors Christian Göbelt, der begleitet von Musikus Alexander Leventhal, einige Trinklieder alter Tage zum Besten gab. Begeistert war man aber auch über die Führungen durch die alte Schlossmühle, die in Begleitung von Luise Niedermayer, einer ehemaligen Bewohnerin, vom Speicher bis in den Gewölbekeller führten. Spannend und für viele neu, den Wünschelrutengänger Anton Harbich auf dessen Rundgang über das Gelände zu begleiten und zu sehen, dass auch er an Stellen fündig wurde, wo von der Wissenschaft Bodenfunde erwartet werden.

Und wer am Ende seines Aufenthaltes sich die Wersau vielleicht noch immer nicht so richtig als Burg vorstellen konnte, der kam aber bei den Marketenderinnen Hildegard Bickle und Regina Geiger auf den Geschmack. Sie hatten nämlich das nach einem alten Rezept eigens vom Reilinger Kreuzbäcker nachgebackene "Wersauer Schlossbrot" in ihren Körben, zu denen die frischen Äpfel von den alten Bäumen auf dem Gelände ganz besonders gut schmeckten.

og aus SZ, Fotos: CB, A. Geiger
( 15.09.2008 - 15:19)

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Fast 200 Interessierte waren in der SchloßmühleFast 200 Interessierte waren in der Schloßmühle
Archäologe Dr. Ludwig HildebrandtArchäologe Dr. Ludwig Hildebrandt kümmert sich seit vielen Jahren im Auftrag der Gemeinde Reilingen um alle historischen Bodenfunde in der Spargelgemeinde
Otmar Geiger in der Figur des Wersauer BurgwächtersHistoriker Otmar Geiger in der Figur eines Wersauer Burgwächters

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