Umwelt

Die Stille im Garten an kalten Wintertagen

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Langsam kommt Ruhe in den Garten. Die letzten Äpfel sind geerntet. An trockenen Herbsttagen raschelt das Laub zwischen den Füßen des Gärtners, der durch seinen Garten streift und über den vergangenen großen Sommer nachdenkt. Während wir uns an den Radiatoren der Zentralheizung wärmen, bleiben Tiere und Pflanzen draußen. Um mit der Kälte zurechtzukommen gibt es für sie nur zwei Möglichkeiten: Flüchten oder standhalten.

Unsere Zugvögel, die uns im Sommer die Kohlweißlinge aus dem Gemüsegarten geholt haben, ziehen es vor, in wärmere Landstriche auszuweichen. Einjährige Pflanzen, die Sommerannuellen, verabschieden sich im Herbst mit den ersten Frösten und lassen nur ihre Samen zurück. Der Gärtner weiß, dass er sich um die Ansaat von Ringelblume oder Borretsch gar nicht zu kümmern braucht, wenn er ihnen nur genug Platz lässt, ihre Samen über den Winter zu bringen. Auch eine so schwierig anzusäende Gewürzpflanze wie das Bohnenkraut, ohne dessen Geschmack Eintöpfe fade sind, kommt im späten Frühjahr ganz von alleine wieder zum Vorschein. Mit etwas geübten Blick erkennt man die jungen Sämlinge dann und kann sie auf ein gemeinsames Beet setzen.

Stauden ziehen sich in den Untergrund zurück, entledigen sich ihrer oberirdischen Organe und warten auf die wärmenden Strahlen der Märzsonne, um wieder zum Vorschein zu kommen. Die welken, vertrocknenden Überreste der Pracht des Sommers bleiben ihnen aber erhalten. Dadurch haben sie eine isolierende Zudecke und überstehen so die Kälte der dunklen Jahreszeit besser. Der müßige Gärtner, der nur die Beete abräumt, die er ändern will oder wo größere Korrekturen an der Zusammensetzung des Sommerflors zu machen sind, freut sich an den verblühten Resten der Pflanzen und wartet auf die ersten Nachtfröste, um am anderen Morgen die mit Reif überzogenen Eisblumen anzuschauen.

Bei den Tieren gibt es auch solche, die den Winter nur selten überleben und deshalb im Herbst für reichlich Nachwuchs sorgen. Im Spätsommer kann man in lauen Nächten dem Liebestreiben der Schnecken zuschauen. Wenig später findet man die Ergebnisse des Liebeswerbens in Form von Eigelegen aus winzigen Ping-Pong-Bällen. Meist sind sie nur flüchtig unter ein Moospolster gelegt oder unter ein Stück verrottendes Holz. Nach des Gärtners Wunsch kann der Winter gar nicht kalt genug sein, um diese Gelege dann erfrieren zu lassen. Man macht sich das Leben selber schwer, wenn man im Herbst grobschollig umgräbt. Die freundlich roten, großen Nacktschnecken, die sich über den Sommer durch konsequentes Abweiden der Salatpflänzchen unbeliebt gemacht haben, nehmen die Chance gerne wahr. ihre Eigelege tief in die durch Umgraben gelockerte Erde zu bringen. Dort sind sie vor Frost sicher und im nächsten Frühjahr sind die .jungen Schnecken gleich an Ort und Stelle, um die Sämlinge zu dezimieren.


Der weitsichtige Gärtner hat, die Schneckenplage im Blick, die Laubhaufen, die es unter die Büsche in der Ecke des Garten getrieben hat, unberührt gelassen. Überdies hat er aus rohen Brettern einen kleinen Verschlag unter den Busch gebracht und mit Holzwolle ausgestopft. Wahrscheinlich bekommt er so einen Untermieter, der ihm im zeitigen Frühjahr mit der jungen Schneckenbrut hilft. Igel ziehen nämlich gern in solche Laubhaufen, die ihnen einen trockenen und gut isolierten Schlafplatz garantieren. Mit den ersten Frühlingsstrahlen der Sonne wird er dann aus dem Versteck kommen und auch, da ihn der Hunger treibt, am helllichten Tag schmatzend durch das junge Grün ziehen und den ersten noch schmackhaften Jungschnecken nachstellen.

Die unaufgeräumten Ecken im Garten sind Winterasyl für viele weitere nützliche, für den Gärtnergänzlich unnütze und überhaupt unbekannte Tiere. Denn irgendwo müssen sie ja bleiben die Laufkäfer, die ebenfalls den Schnecken nachstellen, die Ohrwürmer, die den Läusen den Garaus machen, die Wildbienen, die im Frühjahr schon im Garten summen, wenn die Honigbienen noch im Bienenkasten sitzen und die ganzen anderen Kerfe, die einen Sommertag so schön machen, an dem man nur im Garten sitzt und mal schaut, ob nicht ein buntschillernder Käfer vorbeikommt oder ein anderes Insekt mit irisierenden Flügelfarben.

Einen Liebhaber eines besenreinen Gartens lässt dies freilich alles kalt. Die Vorbereitung für den Winter heißt großes Klar-Schiff-Machen. Da wird abgeräumt und gerecht, zurückgeschnitten und geputzt, daß der Garten wie gewienert ist. Freundliche Unterstützung bekommt er von den Gartenbedarfscentern, in denen es jetzt endlich auch Staubsauger für den Garten gibt. So gesäubert ist der Garten ein kaltes Grab für seine rührigen Bewohner. In der Kälte des Winters erstarrt das meiste und kommt, wenn überhaupt, erst spät im Frühjahr wieder. Außer natürlich die ganz Harten und ganz Zähen. So wie die Läuse, die unter den schützenden Hüllblättern in der Rosenknospe überwintern oder die sorgsam vergrabenen Schnecken in den Gemüsebeeten. Die werden ' schon dafür sorgen, daß im nächsten Gartenjahr die Klage nicht abreißt über die kümmerliche Rosenblüte und die gelichteten Setzlingsreihen.
Hubert Schütz
( 08.11.2004 - 14:04)

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