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"Fühlen und abstraktes Denken in Einklang bringen"

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Ab Mai wird es in Reilingen eine weitere Ganztageskinderbetreuung geben: das Reggio-Montessori-Kinderhaus in der Carl-Bosch-Straße 17. Freier Träger ist der im Oktober vergangenen Jahres gegründete Verein zur Förderung der Reggio-Montessori-Pädagogik e.V. mit derzeit sieben Mitgliedern. Insgesamt 38 Plätze in drei Gruppen für Kinder von ein bis sieben Jahren werden angeboten. Unsere Zeitung sprach mit der Vereinsvorsitzenden Anke Bargenda über das Projekt.

Wie kamen Sie auf die Idee, in Reilingen ein Kinderhaus einzurichten?

ANKE BARGENDA: Ich bin gelernte Erzieherin und habe eine Weiterbildung in Reggio-Pädagogik und eine zweijährige Ausbildung zur Montessori-Erzieherin absolviert. In einem Montessori-Kinderhaus in Kassel konnte ich mehrjährige Berufspraxis sammeln. Als ich vor drei Jahren mit meiner Familie nach Reilingen zog, habe ich eine solche Einrichtung in der nahen Umgebung vermisst und so reifte die Idee, selbst etwas auf die Beine zu stellen.

Was hat es mit der Reggio-Montessori-Pädagogik auf sich?

BARGENDA: Es geht um zwei pädagogische Konzepte, die miteinander kombiniert werden. Die Reggio-Pädagogik hat sich in den 70er Jahren aus einer Elterninitiative in der italienischen Stadt Reggio entwickelt, die Montessori-Pädagogik ist älter, geht auf die 1870 geborene Italienerin und Ärztin Maria Montessori zurück.

Auf welchen Prinzipien basiert die Reggio-Pädagogik?

BARGENDA: In der Reggio-Pädagogik wird die Wechselbeziehung von der geistigen Entwicklung eines Kindes und seiner Umwelt betont. Dem Raum kommt daher große Bedeutung zu. Ein Kind wird in einer solchen Einrichtung immer die Möglichkeit finden, sich zu verstecken oder zurückzuziehen. Podeste und kleine Polstersitzecken regen an, sich auf eine andere Raumebene zu begeben. Auch Spiegel sind vorhanden, damit sich die Kinder selbst beobachten und eine Beziehung zu ihrer Person herstellen können. Schwerpunkt bei der Reggio-Pädagogik ist auch die Projektarbeit. Die Themen der Projekte entstehen und entwickeln sich aus der gezielten Beobachtung der Gruppe durch die Erzieherin. Sie erkennt, wo Defizite vorhanden sind und die Kinder einen tieferen Einblick in das Geschehen ihrer Umwelt benötigen. Eine Aufgabenstellung für die Kinder könnte beispielsweise lauten, den Weg des Brotes in den Supermarkt zu erforschen.

Und die Montessori-Pädagogik?

BARGENDA: Hier geht es in erster Linie darum, die Wahrnehmungsfunktion des Kindes durch entsprechendes Spielzeug, Spiel- und Lernmaterial, so genanntes "Montessori-Material", zu schulen. Es unterteilt sich in Sinnes-, Sprach-, Mathematik-, Biologie- und Geografiematerial, Material für die "Übungen des täglichen Lebens" sowie für Kinder ab einem Jahr. Maria Montessori beobachtete, dass jedes Kind im Vorschulalter bestimmte Phasen hat, in denen es besonders sensibel für Zahlen und Buchstaben ist. Eigens dafür entwickelte sie Spiel- und Lernmaterial, durch das die Kinder schrittweise Fähigkeiten erlangen, die man ihnen nie zugetraut hätte: intensive Konzentration, große Aufmerksamkeit, Genauigkeit, Anspannung, präzise Bewegungsabläufe oder Ordnungssinn.

Können Sie das "Montessori-Material" näher beschreiben?

BARGENDA: Das Sprachmaterial ist sehr bedeutsam, weil es die Sprachbildung Schritt für Schritt erweitert. Kinder entdecken, dass sich Wörter aus Lauten zusammensetzen, die durch geschriebene Zeichen sichtbar gemacht werden. Sie erkennen, dass einzelne Wörter bestimmte Funktionen haben und lernen diese durch spezielle Symbole zu kennzeichnen. Das gesamte Sprachmaterial hilft dem Kind in der Bewusstwerdung seiner Sprache und ihrer Anwendung. Das Sinnesmaterial ist für die Kinder übersichtlich und interessant gestaltet. Durch seine unterschiedliche Oberflächenbeschaffenheit, durch verschiedene Farben, Formen, Gewichte und Größen werden alle Sinne angesprochen und geschult. Das Mathematikmaterial führt die Kinder, zum Beispiel mit numerischen Stangen, in die Welt der Zahlen ein. Später dann werden sie, unter anderem anhand des goldenen Perlenmaterials, mit dem Dezimalsystem vertraut gemacht. So bekommen sie eine Vorstellung und ein Gefühl für eine bestimmte Menge, lernen Fühlen mit abstraktem Denken in Einklang zu bringen.

Gibt es weitere Besonderheiten in der Montessori-Pädagogik?

BARGENDA: Ja, die "Übungen des praktischen Lebens", bei denen die Kinder lernen, wie man Schnallen, Schleifen, Knöpfe oder Reißverschlüsse schließt oder eigene Erfahrungen im Umgang mit Alltagsutensilien machen. Abläufe, die für uns Erwachsene selbstverständlich sind, müssen von Kindern ja erst geübt und erlernt werden. Die Erzieherin zeigt und führt vor. Das Kind ahmt nach, getreu dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun!". Entscheidend ist dabei, dass man ein Kind nicht zwingt, etwas zu tun, sondern ihm die freie Entscheidung überlässt...

..die Kinder dürfen also tun und lassen, was sie wollen?

BARGENDA: Auf keinen Fall, denn Montessori-Pädagogik hat nichts mit antiautoritärer Erziehung zu tun. Freiheit ist wichtig, aber in einem klar definierten Bereich. Die Wahl des Spiels ist frei, jedoch muss sich jedes Kind an bestimmte Regeln halten, zum Beispiel, dass Spielsachen wieder aufgeräumt werden oder dass alle zu einer bestimmten Zeit gemeinsam Mittag essen.

Welche Rolle spielen die Eltern?

BARGENDA: Eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern ist erwünscht, wobei es hier nicht um zwanghaftes Mittun geht, sondern um ein gemeinsames Tragen und Verwirklichen des pädagogischen Konzepts.

Wie ist die Resonanz bisher auf das Kinderhaus?

BARGENDA: Gut, ich habe bereits einige Voranmeldungen, sowohl von Reilinger als auch Hockenheimer Kindern. Wenn die Bauarbeiten im Kinderhaus beendet sind, ist auch ein Tag der offenen Tür geplant. sei aus SZ

Weitere Informationen gibt es unter Telefon 06205/28 20 66 oder 0174/21 08 409 oder aber auch über Mail: mailto:anke_bargenda@yahoo.de
Elke Seiler aus SZ
( 13.03.2006 - 12:06)

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