Aus der Geschäftswelt

Wie aus kleinen Perlen ganz große Sachen werden

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Fast alles nur Luft! So viele neue Dinge haben die Besucher der Sommertour selten in zwei Stunden erfahren. Beim Besuch der Firma Schaumaplast in Reilingen stand "expandierbares Polystyrol" - gemeinhin als "Styropor" bekannt - im Mittelpunkt des Interesses. Das 1964 in Viernheim gegründete Unternehmen stellt seit 1968 hier in Reilingen Styropor-Produkte für alle Anwendungsbereiche her. Vor wenigen Wochen wurde die neue Firmenzentrale samt Lagerhalle in Betrieb genommen. Geschäftsführer Ralph Wittemann begrüßte die Leserschar im nagelneuen Besprechungsraum.

In einem kleinen Film wurde die über 40-jährige Firmengeschichte beleuchtet, die vor allem in den letzten 15 Jahren fulminant Fahrt aufnahm. Mit heute mehr als 2000 Beschäftigten in den Betrieben in Reilingen, Radebeul, Nossen, Lüchow, in Polen, USA und der Slowakei gehört Schaumaplast zu den fünf großen Styropor-Verarbeitern. In Reilingen (53 Mitarbeiter) ist man größter Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler.

Ein wenig ist die Herstellung von Styropor mit dem Popcorn-Machen in der Mikrowelle vergleichbar. Grundlage ist ein Rohmaterial, das die BASF, bei der das Styropor ja erfunden wurde, in Ein-Tonnen-Gebinden anliefert. Grundstoffe sind Kohlenstoff und Wasserstoff. Mit einer Art Staubsauger werden die feinen Perlen aufgenommen und in eine Art riesige Waschtrommel gepumpt. Dort werden sie ums 50-fache aufgebläht und wieder abgekühlt. Mithilfe von Dampf wird dieses vorgeschäumte Material dann durch Löcher in sogenannte Werkzeuge aus Aluminium gepresst und in seine künftige Form gebracht. Zwischen 45 und 80 Sekunden, je nach Größe und Dichte, dauert dieser Vorgang. Federn sorgen schließlich dafür, dass das Styropor anschließend wieder aus der Form fällt. Die Mitarbeiter stapeln die Leichtgewichte dann auf Paletten oder verpacken sie in Kartons und fahren sie ins Lager.

Apropos Lager: Ralph Wittemann erzählt, wie sich in den zurückliegenden zehn Jahren die Kundenwünsche verändert haben. Zur Kundenbindung gehöre es heute, dass man Gebindegrößen und Verpackungsformen auf deren Produktion abstimme. Zudem übernehme man für die meisten Kunden die umfangreiche Lagerhaltung, gerade bei Styropor-Verpackungen keine platzsparende Sache. "Just in time" heißt das Zauberwort. Schaumaplast liefert direkt ans Fließband an, so dass der Betrieb kaum Reserven vorhalten muss. "Hier liegt sicher eine Stärke von uns", sagt Wittemann. Überhaupt ist die Kundenpflege wichtig. "Wir nehmen gebrauchtes Styropor zum Recyclen mit und lagern die Werkzeuge ein, die dann schnell wieder herausgeholt werden können, wenn der Betrieb Nachschub braucht. Schnelle Reaktionszeiten zwischen Auftrag und Auslieferung sind heute sehr wichtig", so der Geschäftsführer weiter.

Für die neue Halle und den Bürotrakt war es höchste Zeit. Schaumaplast wächst, die Konjunktur floriert und gerade im Verpackungsmarkt gilt Styropor als unschlagbar. Es federt Stürze bei empfindlichen Produkten ab, hält Lebensmittel oder Pharmaprodukte beim Transport kühl. Ob Motorteile in Schmieröl transportiert werden müssen oder Fisch auf Eiswürfeln, Styropor hält dicht. Und bei üblichen Verpackungen ist es auch 10 bis 15 Mal wiederverwendbar. Oder man macht aus den Resten (auch Privatleute und Firmen können bei Schaumaplast unter der Woche Styropor abgeben) neue Produkte. Auch das konnten die Besucher sehen. Da wird das Styropor gehäckselt und zu einer Masse verschmolzen, aus denen Kunststoffprodukte wie Lineale oder sogar Dominosteine geformt werden können.

800 bis 1000 verschiedene Formen hat Schaumaplast in einer eigens brandgeschützten Halle liegen. Ihre Herstellung kostet bei Spezialunternehmen zwischen 2000 und 19 000 Euro. Und sie sind das eigentliche Kapital des Unternehmens. "Würde bei uns einmal eine Halle abbrennen, dann könnten die Produkte relativ schnell und auch preisgünstig nachproduziert werden. Aber der Verlust der Formen käme einer mehrwöchigen Schließung des Werkes gleich, bis die wieder vorhanden wären", erklärt Wittemann. Jede für sich ist ein Unikat. Weil sie genau die Maße, Einbuchtungen oder Aussparungen hat, die der Kunde braucht. Fünf bis acht Jahre lang wird so ein Werkzeug oft benutzt - in etwa der Zyklus in der Wirtschaft, bis ein Produkt, dem die Verpackung dient, überarbeit wird. Aber es gebe auch Erfolgsprodukte, die schon 20 Jahre unverändert hier laufen, so der Geschäftsführer stolz. Und noch mit einem Vorurteil räumte Wittemann auf: Styropor sei FCKW-frei und setze keine giftigen Stoffe frei.

Längst liefert Schaumaplast nicht mehr nur zu. In den anderen Werken werden aus dem druckstabilen EPP Fahrradhelme und ähnliche Dinge gemacht. Ein anderes Werk ist auf Dämmstoffe spezialisiert, die über 80 Prozent der weltweiten Styroporproduktion ausmachen. Und es gibt auch Endprodukte aus dem Hause Schaumaplast, die wir alle brauchen können. So stellten die beiden Mitarbeiter Styropor-Hüllen für Liter- und Dreiviertelliterflaschen vor, die den Inhalt gut vier Stunden kühl halten. Oder es waren Transportbehälter für die Pharmaindustrie zu sehen, die mit Kühlakkus ausgestattet sind. Und beinahe hätte es im Frühjahr 2006 Sonderschichten geben müssen.

Für Coke hatte man einen halben Ball als Deckel für eine Kühlbox entwickelt. Zwei solche Deckel konnte man zusammenfügen und fertig war ein leichter Fußball für den Strand. 10 Millionen Stück wollte der Getränkehersteller haben, entschied sich aber kurz vorher dann doch dagegen, weil der Endpreis vielleicht doch nicht am Markt zu erlösen gewesen wäre. Am Styropordeckel lag's jedenfalls nicht, der war ein Pfennig-Produkt wie die meisten großen und kleinen Teile, die Schaumaplast herstellt. Aber wie heißt es so schön: Auch Kleinvieh macht Mist.
Jürgen Gruler aus SZ
( 27.08.2007 - 09:43)

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