Ortsgeschichte

Protokollsplitter (5. Fortsetzung)

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Nr. 37, Geschehen zu Reilingen, am 19. November 1872; vor BM Peter Müller.

Da die am 29. Dezember 1871 ernannte Industrielehrerin Eva Katharina Schnabel, ledig, von hier, am 26.0ktober 1872 gestorben ist, die erste Industrielehrerin ihren Dienst abgegeben hat, so hat sich der Gemeinderath heute behufs Vornahme einer Wahl auf dem Rathhause dahier versammelt, und zwar nach vorausgegangener Bekanntmachung durch die Schelle, daß die Stelle zweier Industrielehrerinnen vakant, und sich die Lusttragenden bei dem Bürgermeisteramte melden sollen.

Es haben sich gemeldet: 1. Bertha Heckmann, 2. Susanna Finzer, 3. Josef Schweigert, Ehefrau, 4. Susanna Auer, 5. Marie Catharina Unglenk, 6. Sofie Gruber, 7. Florentine Klussel.

Man hat sich nun über die Fähigkeiten berathen und dann beschlossen.

Es wurden auf unbestimmte Zeit als Industrielehrerinnen ernannt:
1. Bertha Heckmann, für die Kinder der höheren Klassen bei der Confessionen an der Katholischen Schule.
2. Susanna Finzer, für die Kinder der minderen Klassen in der Evangelischen Schule.

Beide mit einem jährlichen Gehalt von 20 Gulden. Dieselben nehmen die auf sie gefallene Wahl an.

Beurkundet: Bürgermeister Peter Müller, die Räte Eichhorn, Adolph, Dagenbach, Krämer, Kneis, Weißbrodt, Rathschreiber Konrad Dussel

Anmerkung:
Darüber, was vor rund 130 Jahren die Berufsbezeichnung Industrielehrerin bedeutete, gibt es heutzutage keinen genauen Hinweis. Möglicherweise waren diese Industrielehrerinnen späterhin die HandarbeitsIehrerinnen. Auch ist unklar, ob diese Industrielehrerinnen wöchentlich oder monatlich Unterrichtsstunden erteilten und welche Befähigungen (Fachbildung) diese Frauen für die Ausübung ihrer Anstellung haben mußten.

Nr. 54 Geschehen zu Reilingen, den 30.April 1874; vor Bürgermeister P. Müller.

In heutiger Sitzung wurde einstimmig beschlossen:

Der Fortbildungsunterricht soll im Sommer hier nicht stattfinden, und zwar aus dem Grunde, weil fast sämtliche Schüler welche zur Gruppe des Landwirtschaftsstandes zählen, und den Sommer hindurch sich ausschließlich diesem Stande widmen. Ihre Arbeitszeit im Sommer erstreckt sich bekanntlich über den ganzen Tag bis in die späte Nacht hinein, weshalb es unmöglich erscheint noch eine Fortbildungsschule allwöchentlich auch noch einmal besuchen zu können. Hierwegen erscheint es in unserer Gemeinde geboten, daß im Winter eine Fortbildungsschule errichtet wird, welche jedoch nur in der Woche einmal und zwar am Samstag besucht werden soll. Die Schüler beider Confessionen möchten aber nicht zusammen in einem Lehrsaal den erwähnten Unterricht erhalten, sondern getrennt, da jeder Lehrer seine Schüler am besten bekannt ist.

Ferner wurde beschlossen, ein General-Register über sämtliche Grund- und Pfandbücher über Gläubiger und Schuldner soll angelegt werden. Rathschreiber Simshäuser werde damit betraut und erhalte derselbe nach Beendigung dieses Geschäftes für jeden Ittem vier Kreuzer aus der Gemeindekasse ausbezahlt.

Die Rekruten sollen bei der Musterung zweimal, sowohl bei der Musterung und dann bei der Ziehunq mit ihrem Fuhrwerk auf Kosten der Gemeinde nach Schwetzingen gefahren werden.

Beurkundet: BM Peter Müller, die Räte: Eichhorn, Adolph, Kneis, Becht. Ratschreiber K. Dussel

Anmerkung:
Wenn auch nicht jeder männlich e und nicht jede weibliche Schulentlassene zu jener Zeit im Sommerhalbjahr so intensiv und zeitlich ausdauernd in der Landwirtschaft tätig war, so kann man doch für die Entscheidung des Gemeinderates, daß nur im Winterhalbjahr Fortbildungsunterricht stattfinden soll, volles Verständnis haben.
Das Wort Ittem steht im obigen Zusammenhang für „jeden Einzeleintrag“. Einige Zeit nach der körperlichen Musterung der Jungmänner fand ebenfalls in Schwetzingen die Ziehung statt, bei der die Gemusterten erfuhren, ob sie für den Militärdienst tauglich sind und zu welcher Waffengattung sie ihre Einberufung erhalten werden.

Friedrich Kief
( 30.09.2005 - 11:59)

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