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Leidenschaftlicher Landmann mit weitem Horizont
Werner Weißbrodt

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Sag' noch mal einer, dass es keine Kavaliere alter Schule mehr gibt. Allerdings ist Werner Weißbrodt mehr als das. Wenn der Landwirt mit Leib und Seele, der im April seinen 78. Geburtstag feiert, mit Inbrunst betont, "ohne meine Gretel hätte ich das so nicht geschafft", dann ist das kein Blumenstrauß aus wohlklingenden Worten sondern die schlichte Wahrheit.

Bei den Weißbrodts war es schon immer Tradition, sich der Verantwortung und den damit verbundenen Aufgaben zu stellen. Und das war für die Ehefrauen oft ein hartes Brot. Denn auf einen Hof muss die Arbeit getan werden, ob der Göttergatte nun ein wichtiges Amt bekleidete oder nicht.

Der im Jahr 1930 geborenen Werner konnte sich schon deshalb keiner Aufgabe entziehen, weil er ein Einzelkind war. Als der Opa 1945 starb, der Krieg zu Ende und der Vater noch in Gefangenschaft war, wurde nicht lange gefackelt: Der Bub verlies das Gymnasium und wurde Bauer. Die Zeiten waren hart. Aber es ging allen so, erinnert sich der Senior. Niemand war neidisch, weil niemand viel hatte und wenn Not am Mann war, packten eben alle mit an. Landwirte waren geschätzte Leute und jedes Jahr lebten alle ein wenig besser und komfortabler.

Nach der Heimkehr des Vaters und der Währungsreform 1948 packte den Reilinger Jungbauern das Fernweh. Er kramte sein Schulenglisch zusammen und unterzog sich einem strengen Auswahlverfahren für einen Austausch mit den USA.

Ein ganzes Jahr lang wurde eine Farm in Meyersdale/Pennsylvania sein Zuhause. "Das Schlaraffenland", schwärmt er noch heute. So viel saftiges Futter für die Kühe und all die Maschinen, vom Schlepper, über die Melkmaschine bis hin zum Mähdrescher, herrlich. Für den mittlerweile 19-jährigen Jungen aus "Good Old Germany" war das wie im Paradies, auch wenn er natürlich noch immer kräftig zupackte.

Damals begann die Freundschaft zum späteren baden-württembergischen Landwirtschaftsminister Gerhard Weiser. Der war nämlich mit dem gleichen Programm unterwegs und in beiden ist damals der Keim für eine lebenslange Liebe zu Amerika und der offene Blick über die Kurpfalz hinaus begründet worden.

Auf die Frage. ob es ihn nicht gejuckt hätte, ein für allemal über dem großen Teich zu bleiben. zögert er ein bisschen. "Das hat sich so nicht gestellt", erwidert er dann in seiner bedächtigen und dennoch klaren Art. „Vielleicht, wenn ich Geschwister gehabt hätte, aber so ...".

Nun ja. Werner Weißbrodt hat sich der Verantwortung nicht entzogen und kehrte voller Ideen auf die heimischen Felder zurück. Das war so schlimm auch wieder nicht, weil ihm bald eine temperamentvolle Schriesheimer Weinkönigin über den Weg lief. Kräftig musste er werben, bis die junge Frau, die auch noch zweitbeste Melkerin Deutschlands war, 1957 in die Heirat und den Umzug von der Bergstraße in die Rheinebene einwilligte. Spargel und Tabak wurden zur Lebensgrundlage der Familie und sorgt fürs Auskommen. Ausländische Hilfskräfte gab es damals noch nicht und Handarbeit war die Regel.

Eigentlich wäre da mit Müh' und Not gerade noch ein bisschen Zeit für den Fußball und das Singen gewesen, die beiden Hobbies von Werner Weißbrodt. Doch darauf wurde keine Rücksicht genommen. "Das eine Amt zog das andere nach", fasst Gretel Weißbrodt knapp zusammen. Weder bei der Raiffeisenbank, noch im Gemeinde- oder Kreisrat, weder im Bauernverband, noch im Badischen Genossenschaftsverband oder als Schöffe war er verzichtbar.

All dies, so sieht es der kontaktfreudige Werner Weißbrodt, war anstrengend, aber auch anregend und hat ihm das eine oder andere Mal geholfen, das rechte Augenmaß zu. bewahren und die Zeichen der Zeit zu erkennen. Zum Beispiel auch den Niedergang der Landwirtschaft. Noch vor einem halben Jahr hätte er jedem Jungbauern händeringend abgeraten, seinen heiß geliebten Bauernberuf zu ergreifen. 45 Mark kostete der 100-Kilo-Sack Weizen nach dem Krieg, neun Euro im vorigen Jahr. Ruinöse Zustände im harten europäischen Wettbewerb und bei den horrenden Kosten für Dünger, Maschinen und alles andere.

Der Reilinger neigt gewiss nicht zur Bitterkeit, aber es ist schon spürbar, wie frustrierend es war zu sehen, wie die Bürokratie immer mehr einengte und das Ansehen der Landwirte ins Bodenlose sank. "Der Formularkram, das geht auf keine Kuhhaut", wettert er. 1994 gehörten dann auch die Weißbrodts zu denen, die keinen Nachfolger für den Hof hatten und das Gelände abgaben oder verpachteten. Ähnlich wie damals, als das letzte Pferd den Stall verließ, verdrückte der gestanden Landmann auch beim Verkauf des großen Schleppers leise eine Träne. Umso besser gefällt ihm nun, dass endlich eintritt, was er schon längst vorhergesehen hat: Landwirtschaft hat wieder Zukunft, auch wenn für die Tabakbauern in absehbarer Zeit wohl tatsächlich das Totenglöcklein läutet.

Aber die Blüte wird nur dann von Dauer sein, wenn für die Produkte "anständiger Arbeit" auch "anständige Preise" zu erzielen sind. Gretel und Werner Weißbrodt gehen da mit gutem Beispiel voran. Im eigenen Garten wird Gemüse und Salat angebaut, Brot wird beim Reilinger Bäcker und Fleisch beim Reilinger Metzger gekauft. Die Äpfel kommen aus Schriesheim ebenso wie der Wein und außerhalb der Saison kommen weder Tomaten, noch Schlangengurken oder Erdbeeren auf den Tisch.

Und wie lautet ihr Lieblings-Spargelrezept? Die ganzen Spargelstangen mit zerlassener Butter und Kartoffeln, ein Rumpsteak oder Ente darf für ein Festessen dann aber auch dabei sein.

Zur Person: Werner Weißbrodt
*17. April 1930 in Reilingen geboren,
*1949 bis 1950 USA-Aufenthalt,
*1952 bis 1956 Vorsitzender Kreislandjugend Mannheim,
*1957 Heirat, Geburt des Sohnes Karlheinz 1958 und der Tochter Elke 1961,
*1976 bis 1993 Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Mannheim
*Maßgeblicher Initiator des Zusammenschlusses mit Heidelberg im Jahr 1993, dann bis 1998 stellvertretender Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Rhein-Neckar, seither Ehrenvorsitzender,
*ab 1965 Vorstandsvorsitzender der Raiffeisengenossenschaft Reilingen, später Aufsichtsratsvorsitzender bis 1996,
*langjähriges Mitglied in Ausschüssen und im Fachrat des Badischen Genossenschaftsverbandes,
*1968 bis 1980 Gemeinderat, später auch Kreisrat,
*1968 bis i995 Schöffe im Landgericht Mannheim,
*Vorsitzender der Teilnehmergemeinschaft des Verfahrens Neubaustrecke Schnellbahntrasse und B36/B39-Verlegung Altlußheim, Neulußheim, Hockenheim und Reilingen.
Kirsten Baumbusch aus RNZ, Foto svs
( 04.02.2008 - 10:54)

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