Ortsgeschichte

Als der Bürgermeister noch ins Rathaus geläutet wurde

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Die Blechverwahrung ist erneuerungsbedürftig, das Dach selbst ist undicht und das Dachgebälk ist teilweise bereits morsch. Kein Wunder, denn der Turm des Rathauses ist bereits 125 Jahre alt.

In diesem Jahr jährt es sich zum 125. Male, dass das Reilinger Rathaus samt dem Rathaus-Glockenturm erbaut wurden. Bauführer Schilling, den der Reilinger Gemeinderat mit der Planung beauftragt hatte, schickte die Skizzen Ende 1877 an das Großherzogliche Bezirksamt in Schwetzingen mit der Bitte um Weiterleitung an die Großherzogliche Bauinspektion in Mannheim. In diesem Schreiben wurde unter anderem erwähnt, dass die Gemeinde beabsichtige, auch ein Türmchen auf das Rathaus zu setzen, da die Gemeinde im Besitz eines Glöckchens sei. Weiter war in dem Schreiben zu lesen, dass man beim künftigen Rathaus eine Durchfahrt plane, in der die Feuerwehrspritzen und der Leichenwagen untergestellt werden können.

Nach gut drei Monaten hatte alle Ämter die Pläne geprüft und in Reilingen lag die Baugenehmigung für das Rathaus vor. Nachdem die Arbeiten ausgeschrieben und öffentlich vergeben waren, konnten der Rathausbau beginnen. Maurermeister Jakob Decker hatte den Auftrag für die "vollständige Ausführung" erhalten.

Ein Festtag für ganz Reilingen war dann der 4. Mai des Jahres 1878. Der seit 1876 amtierende Bürgermeister Johann Weißbrodt legte eine Urkunde in den Grundsein, bevor dieser eingemauert wurde.

Bei dieser feierlichen Grundsteinlegung zum Bau des Rathauses, der "geschieht unter der glorreichen und segensreichen Regierung von Großherzog Friedrich" war eine für die damalige Zeit illustre Schar von Gästen nach Reilingen gekommen. Mit Blasmusik und Böllerschüssen war man vom alten Rathaus zu der Baustelle des neuen Rathauses gezogen mit Honoratioren, Gesangverein, Kriegerverein und den Lehrern mit der Schuljugend. Am Vormittag dieses Festtages der Grundsteinlegung hatte der Gemeinderat noch eine Entscheidung zu treffen, nämlich wie viele Liter Freibier es für die Maurer und die Vereine geben sollte, für die Kinder waren in den Bäckereien bereits Brezeln bestellt.

Bereits im Frühjahr des folgenden Jahres konnten Bürgermeister Johann Weißbrodt und die Gemeindemitarbeiter umziehen und die Glocke im Rathausturm konnte läuten. Die Glocke läutete beispielsweise zu Beginn einer Sitzung des Bürgerausschusses. Dieser Bürgerausschuss ist als ein Beratungsgremiun zu sehen, das den Gemeinderat ergänzte. Dem Gemeinderat gehörten vor 125 Jahren in Reilingen Johann Adolf, Georg Brecht, Andreas Dagenbach, Jakob Eichhorn, Josef Krämer und Peter Vögele an. Insgesamt bestand der Bürgerausschuss wohl aus zunächst 32, später dann aus 54 Personen.

Des weiteren ist nach Angaben von Friedrich Kief und Philipp Bickle, die sich mit der örtlichen Geschichte intensiv beschäftigen, die Rathausglocke auch geläutet worden, wenn der Bürgermeister ins Rathaus kommen sollte.

Wer in unseren Tagen Bürgermeister Walter Klein kurzfristig erreichen möchte, wird dem Handy vor der Rathausglocke den Vorzug geben. Der Glockenturm auf dem Rathaus gibt dem schmucken Gebäude aber nach wie vor eine individuelle Note und wird nach der Sanierung wieder in neuem Glanze erstrahlen.

Die Kosten für die aktuelle Glockenturm-Sanierung werden rund 25 000 Euro betragen. Zwar können die Finanzen unserer Zeit nicht mit denen vor 125 Jahren verglichen werden, die Baukosten für das Rathaus damals lagen bei 17 000 Mark. Dafür nahm die Gemeinde 1878 einen "Capital" von 12 000 Mark bei der Rheinischen Hypothekenbank in Mannheim auf. Dies wurde mit fünf Prozent verzinst und war 1893 wieder abgetragen.
( 29.03.2003 - 16:51)

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