Ortsgeschichte

Die Windhose von Reilingen
Ein Israelit marschiert nach Reilingen

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Teil 2

Ein Waldarbeiter, den Schimper befragte, schilderte den Vorgang folgendermaßen:

"Ich habe schon viel Schreckliches gesehen, ich habe in den langen Jahren alle Arten von argen Gewittern erlebt..., aber solche Gedanken von gänzlichem Verlorensein habe ich nie gehabt wie damals. Es schien der Weltuntergang zu sein".

Auch andere bezeugten dies. Sie schilderten, dass die Wolken heftig "rumgerührt" wurden und alles wieder ganz schnell vorbei war; schneller als jeder gewöhnliche Wind.

Zum Glück waren um die Mittagszeit, als sich diese Katastrophe ereignete, nur noch wenige Menschen auf dem Feld. Die meisten befanden sich zum Mittagessen bereits daheim. Zwei Männer, die sich noch im Freien befanden, wurden von dem Unwetter überrascht.

Ein Israelit war auf dem Weg nach Hockenheim. Ihn erfasste der Sturm, ehe er sich's versah, und schleuderte ihn umher. In Hockenheim angekommen, musste er sich legen, und man rief den Physikus (Arzt) Wilhelm aus Schwetzingen, um ihn zu behandeln. Der Mann war so unerwartet vom Sturm erfasst worden, dass er den Vorgang überhaupt nicht beschreiben konnte. Im Gegenteil, der Umstand musste ihn vollends verwirrt haben, denn als er den Arzt sah, stammelte er: "Herr Doktor, ich bin tot".

Der andere war ein Knecht, der aus unbekanntem Grunde sich noch nicht auf den Heimweg zum Mittagessen gemacht hatte. Vielleicht wollte er noch seine angefangene Arbeit vollen-den? Er war noch auf dem Feld beim Pflügen. Dabei wurde er von dem Wirbelsturm über-rascht und vom Pflug gerissen. Seine Pferde wurden "im Dormel" herumgedreht.

All dies hat sich außerhalb unseres Ortes ereignet, als die Windhose sich unserem Ort nä-herte oder als sie bereits wieder weiter zog. Die eigentliche Katastrophe, die unsere Ge-meinde damals heimsuchte, betraf ausschließlich die unteren Häuser unserer Ziegelgasse. Sie hat die fast unbeschreibliche Gewalt des Wirbelsturms getroffen.

"Die Kunde von einem -Sturmwind-, der so gewalttätig seine Spur in Wald und Flur geschrie-ben, hatte sich natürlich in der Nähe des Schauplatzes schnell verbreitet...", schrieb Schim-per in seinem Buch. Gerne hätte er sich sofort auf den Weg gemacht, um alles zu erkunden und vor allem auch mit den „in ihrer Wohnung überfallenen, von Schrecken und Entsetzen heimgesuchten Bewohner der Ziegelgasse zu Railingen" gesprochen und sich die angerich-teten Schäden angeschaut. Aber in den Tagen der 2. Hälfte dieser unglücksbringenden Wo-che regnete es ununterbrochen. Erst der folgende Sonntag (3. August 1845) brachte überra-schend schönes Wetter. Schimper machte sich bereits morgens in aller Frühe auf den Weg, um den angerichteten Schaden zu begutachten und den Ablauf des Geschehens zu erfor-schen.

Sein erster Gang brachte ihn in den Hardtwald bei Oftersheim. Dort war er überrascht über die große Anzahl von Menschen, die sich alle, auch von der Neugier getrieben, am ersten möglichen Tag auf den Weg gemacht hatten, um die Schäden dieser Naturkatastrophe, wie sie zuvor noch nie beobachtet worden war, zu besichtigen. Hier erfuhr er auch erstmals Nä-heres über den Ablauf des Unwetters von Menschen, die alles in unmittelbarer Nähe miter-lebt hatten.

Dann aber hielt ihn nichts mehr, und er machte sich auf den Weg nach Reilingen, um sich selbst zu überzeugen, dass wirklich die Mitte des Wirbelsturmes über die Häuser der Ziegel-gasse hinweggegangen war und dass die Verwüstungen tatsächlich so schlimm waren, wie sie ihm geschildert wurden. Aber davon werden wir in der nächsten Ausgabe berichten.
Bernhard Römpert, Repro BR
Fortsetzung folgt
( 29.09.2008 - 09:56)

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