Ortsgeschichte

Die Landtagswahlen sind stets ein deutliches Spiegelbild der Stimmung in den vier Orten
Eröffnung der Ausstellung \

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Die in mühevoller Kleinarbeit während der Projektarbeit zusammengetragenen Daten und Ergebnisse lassen es jetzt das erste mal zu, die Wahlen zum Badischen Landtag speziell für die Verwaltungsgemeinschaft Hockenheim bis in Detail zu analysieren.

Ausgenommen natürlich die Jahre 1932 bis 1945, die Jahre der Nazi-Diktatur in Deutschland. So haben in Hockenheim seit 1905 (mit Ausnahme von 1909 nach einer Wahlabsprache) stets die konservativen Kräfte die meisten Stimmen bekommen.

In Reilingen waren die Konservativen oder das Zentrum (als eine Art politische Formation der katholischen Kirche) immer die stärkste Partei. Genau so, wie in Altlußheim (und das ebenfalls bis heute) die SPD als stärkste Partei aus den Wahlen hervorging.

"Kunterbunt" ging es dagegen in Neulußheim zu. Mal waren die Sozialdemokraten vorne, dann die Konservativen oder Kommunisten. Und bereits ab 1925 dominieren die Nationalsozialisten.

Modernes Parteigefüge

Bereits 1905 wird die Herausbildung eines modernen Parteiengefüges deutlich, obwohl noch immer die Klassengegensätze und die konfessionelle Spaltung für das politische Leben bestimmend sind. Vor allem in Hockenheim und Reilingen erzielen die starken katholischen Minderheiten eine Majorität, weil das so genannte evangelische Lager gespalten ist. In den ehemals württembergischen Lußheimer Gemeinden erzielen dagegen die Sozialdemokraten jeweils die absolute Mehrheit.

Wahlabsprachen üblich

Aufgrund von (damals üblichen) Wahlabsprachen tritt 1909 das Zentrum im Raum Hockenheim nicht an. Ein Teil des katholischen Klientels wechselt zur SPD und katapultiert diese Partei an die erste Stelle in Hockenheim. In Reilingen dagegen können sich die konservativen Kräfte halten. Und in den "roten Hochburgen" jagt der konservative evangelische Pfarrer Karl der SPD alle bisherigen Meriten ab. Vor allem in Neulußheim eine eklatante Wechselstimmung: Wählten 1905 noch 62 Prozent die SPD, bekamen jetzt die Konservativen 74 Prozent der Wählerstimmen.

SPD holt wieder auf

Bei der Landtagswahl 1913 erobert die SPD in allen vier Kommunen das verlorene Terrain zurück. In Hockenheim gelingt es den Sozialdemokraten aber bis 1932 nicht mehr, das Wahlergebnis von 1905 zu erreichen. Dafür erhält der konservative Kandidat, Bürgermeister Stephan aus Altlußheim, hier mehr Stimmen als in seiner Heimatgemeinde. Grund für viele spätere Feindschaften zwischen den beiden Kommunen. Und in Neulußheim schaffen es die Liberalen, mit der SPD nahezu gleichzuziehen.

Kontinuität der Ergebnisse

Die Kontinuität der Wahlergebnisse aus dem Großherzogtum Baden der Vorkriegszeit wird nahezu bestätigt. Für die SPD, das katholische Zentrum sowie für die mehr linksliberale DDP zahlt sich das Engagement für die erste demokratische Republik in Deutschland aus. Diese Parteien der "Weimarer Koalition" stellen in allen vier Gemeinden die überwiegende Mehrheit. In keiner Gemeinde eröffnet sich eine Option für die (rechte) Monarchie oder die (linke) Rätegesellschaft nach dem Vorbild der Sowjetunion.

Größeres Parteienspektrum

Das Parteienspektrum erweitert sich, die ersten Enttäuschungen über die demokratischen Parteien machen sich bemerkbar. Der Versailler Friedensvertrag, das Verhalten der Besatzungstruppen, besonders in der französischen Zone, verbittert die Menschen. Das Zentrum hält sich und baut sogar in Reilingen seine Führungsposition aus. Der liberale Schwerpunkt verlagert sich eindeutig nach rechts, die DVP zählt Neulußheim als seine Hochburg.

Parole "Volksgemeinschaft"

Die Landtagswahl 1925 leidet noch unter dem Krisenjahr 1923, ökonomische und politische Krisen vereinigen sich. Die neue Parole heißt nicht nur bei der NSDAP "Volksgemeinschaft". Erste Tendenzen zur Auflösung der bisherigen Milieus Arbeiter, Katholiken, Stadt und Landwirtschaft sind zu erkennen.

Regional sticht vor allem Neulußheim hervor, denn es ist bis heute nicht erklärbar, warum hier von der KPD (1924 immerhin knapp 37 Prozent) zur NSDAP (39,9 Prozent) gewechselt wurde. In Reilingen und Hockenheim dümpeln die Nazis als Splitterpartei und in Altlußheim dominiert die SPD erneut dank Bernhard Gehweiler.

Zentrum verliert Anteile

Bei der letzten demokratischen Landtagswahl vor Ende des zweiten Weltkriegs erweitert sich erneut das breite Spektrum der Parteienlandschaft, die aber fast alle kaum über ein Prozent hinauskommen. Auch in den HoRAN-Gemeinden wird das Unbehagen und die Unsicherheit gegenüber den traditionellen Parteien deutlich. Das Zentrum verliert deutlich Anteile, auch die Katholiken orientieren sich an der "nationalen Volksgemeinschaft"

Dennoch widerstehen sie von allen Milieus am stärksten den Nazi-Versprechungen. Die konservativ-evangelischen sowie liberalen Lager sind zerfallen und in verschiedenen Gruppierungen und Parteien aufgegangen. Allein die Kommunisten können sich behaupten und in Altlußheim sogar ihre Stimmenzahl dank eines kommunistischen Bürgermeisters, der auch von den Konservativen mitgewählt wurde, verdoppeln.

Noch können das Zentrum (in Hockenheim und Reilingen) und die SPD in Altlußheim die NSDAP aufhalten, doch auch hier sind die Tendenzen klar zu erkennen, dass 1929 wohl die letzte freie und demokratische Landtagswahl in Baden gewesen sein wird. og aus SZ
( 28.04.2006 - 09:47)

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