Ortsgeschichte

Das Reilinger Schulwesen in Vergangenheit und Gegenwart

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Dieser Artikel wurde 1976 vom damaligen Konrektor der Schiller-Schule Josef Müller verfasst.

Bis um das 16. Jahrhundert wurden die Kinder und Jugendlichen gewöhnlich vom Pfarrer oder Mesner, aber auch von den Eltern und Paten in der Christenlehre unterwiesen. Schreiben und Lesen lernten nur einzelne Kinder ganz am Rande. Da es an Geschriebenem und Gedrucktem mangelte, blieb jeglicher Unterricht auf mündliches Tun beschränkt. Vor- und nachsprechen, Auswendig lernen von Reimsprüchen und Liedtexten unter Verwendung von Bildtafeln udgl. Die Schulzeit war kurz, oft betrug sie nur ein Jahresquartal innerhalb eines Kalenderjahres und war durch zahlreiche Feiertage nicht durch eigentliche Ferien unterbrochen. Auf eine strenge Schulzucht wurde besonderer Wert gelegt und mancher Schüler bekam die alttestamentliche Weisheit über die Zuchtrute allzu deutlich zu spüren. Einem Schulzwang waren die Kinder noch nicht unterworfen und Lehrpläne kannte man nicht.

1m 17. Jahrhundert taucht in den Akten der, vom Bürgermeister des Ortes von Jahr zu Jahr "gedingte ",Schuldiener auf.
Im Hauptberuf meist als Handwerker tätig, versuchte er sich, je nach Geschick, in der Kunst des Unterrichtens; daneben fungierte er als Mesner und Glöckner. Ein Schulhaus war zunächst nicht vorhanden, unterrichtet wurde in der Wohnung des Schuldieners oder in einem gemieteten Ra um. Seinen Lohn erhielt der Hobby -Lehrer unmittelbar von den Eltern der Kinder und zwar pro Schüler jährlich zuerst einen Gulden, später einen Gulden 15 Kronen und mehr.
Allmählich mauserte sich das Berufsbild des Lehrers vom Handwerkerpädagogen zum qualifizierten hauptberuflichen Lehrer.
Der erste dieser Art war Hans Peter Bader ( 1681 - 1717). Er erhielt das alte Rathaus als Schule und Wohnung zugewiesen. Seine Dienste wurden teils in Naturalien, teils in Geld honoriert. Neben 12 Malter Korn und einem halben Fuder Wein erhielt er
jährlich 8 Gulden.
Nach der Kirchenteilung im Jahre 1705 entstanden in Reilingen Konfessionsschulen. Der erste Schulmeister der reformierten Schule war Johann Jakob Kief, der als Nachfolger Baders von 1719 bis 1742 sein Amt ausübte. Nach 1840 wurde in der Schulgasse das erste evangelische Schulhaus gebaut, in dem bis 1896 unterrichtet wurde. Nach 1836 wird in den Schulakten auch ein katholisches Schulhaus erwähnt. Es stand am Eingang der Hockenheimer Straße in die Bundesstraße. In dem Gebäude befanden sich ein Schulsaal und die Dienstwohnung des katholischen Lehrers. Das Haus wurde bis 1930, zuletzt als Fortbildungsschule benutzt. Die zeit danach, etwa bis 1950, war es Sitz des Reilinger Landespolizeipostens. Leider ist dieses historische Gemäuer in der Zwischenzeit durch den Ausbau der Straßenkreuzung auf der B 39 der Spitzhacke zum Opfer gefallen.

Das Jahr 1876 brachte das Ende der Konfessionsschulen in Reilingen. Der damalige Großherzog von Baden führte die Simultan-
schule (Gemeinschaftsschule) ein. Die Kinder beider Konfessionen wurden wieder gemeinsam unterrichtet.

Die aufblühende Zigarrenindustrie nach 1860 im Verein mit den günstigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Gründerjahre ließen die Einwohnerzahl und damit auch die Kinderzahl des Ortes von Jahr zu Jahr anwachsen. Die vorhandenen Schulhäuser platzten bald aus allen Nähten, so dass verschiedene Klassen wegen Raummangel zum Teil in den Rathaussaal, in den Gasthof zum "Engel" und in das Grundstück des Heinrich Eichhorn, Hauptstr. 67 ausquartiert werden mussten. Dieser Notstand wurde; beseitigt durch einen Schulhausneubau , der neben dem errichteten neuen Rathaus an der Hockenheimerstraße aufgeführt wird im Jahre 1896 eingeweiht und seiner Bestimmung übergeben wurde. Das damals neue und danach lange Zeit als "Alte Schule" bezeichnete Gebäude reichte bereits wenige Jahre später nicht mehr aus, um alle Klassen unterzubringen, so dass man ein weiteres Schulhaus an der Alten Friedhofstraße erstellen musste. Das bis zur Erstellung der Schiller -Schule als "Neue Schule" bezeichnete, und später als "Franz-Riegler-Schule" umbenannte Gebäude wurde 1912 eingeweiht. Heute wird die Franz-Riegler-Schule nur noch teilweise zur Unterrichtung von Schülern genutzt. In 4 Klassenräumen ist ein Teil der Grundschule untergebracht. In den übrigen Räumen haben das DRK, die Freiw. Feuerwehr und der Hausfrauenbund eine bleibende Heimstätte gefunden.

Nach dem 2. Weltkrieg begann auch für die Schule eine Phase des Neuaufbaus und - beginns. Die Lehrpläne wurden entrümpelt und auf den Stand der neuesten Erkenntnisse gebracht. Dabei wurde besonders dem technisch-mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich im Unterricht ein breiteres Feld eingeräumt. Nach den allgemein höheren Zielsetzungen genügte, um nur ein Beispiel zu nennen, der landläufige Kreide-Physik-Unterricht nicht mehr. Wissensaneignung und -vermittlung speziell in den naturwissenschaftlichen Fächern, aber auch auf allen anderen Gebieten, sollten nicht mehr allein durch den Vortrag des Lehrers, von der Tafel aus geschehen, vielmehr hatten die Schüler gruppenweise "selbsttätig" zu werden. Selbständig in Gruppen experimentierende Schüler benötigen aber ein gut eingerichtetes Physik -Chemielabor. Mit den äußerst dürftigen Mitteln, die wir bislang in unserer Schule dafür einsetzen konnten, war ein Unterricht in diesem Sinne nicht zu erreichen. Die des Englischunterrichts und die Differenzierung der Hauptschüler in Kurs- bzw. Leistungsgruppen erforderte zusätzlich Stunden, daraus resultiert ein Mehrbedarf an Lehrkräften und Unterrichtsräumen. Neben dem technisch-naturwissenschaftlichen Unterricht sollte auch das manuen-handwerklich-praktische Tun in der Schule nicht zu kurz kommen. Ab Ostern 1958 wurde vom 6. Schuljahr ab für alle Knaben der Werkunterricht eingeführt. Auch hier musste zunächst aus Mangel an geeigneten und Werkzeugen notdürftig improvisiert werden. Nicht viel besser erging es den Mädchen im Handarbeitsunterricht. Die mangelhafte Ausstattung mit den nötigen Gerätschaften wirkte sich auch hier hemmend aus.

Seit Ostern 1958 wurde auch die Grundschule in das Schulsportprogramm mit einbezogen. Die anfallenden Iv1ehrstunden erbrachten stundenplantechnische Schwierigkeiten, weil die kleine Halle im Hofe des Gasthauses zum "Hirsch" schon allein mit dem Stundensoll der Hauptschule völlig ausgelastet war.

Die Fakten zeigten, dass die Reilinger Schulraumverhältnisse und die vorhandenen Lehrmittel nach dem Kriege den modernen Zielsetzungen nicht standhielten. Hinzu kam noch die steigende Schülerzahl, bedingt durch die sprunghaft anwachsende Einwohnerziffer, als Folge der Zuwanderung von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen.

Im Schuljahr 1959/60 waren 480 Schulkinder in 16 Klassen aufgeteilt. 4 Klassen waren Wanderklassen, ohne eigenes Klassenzimmer. Nach Lage der Dinge blieb den Verantwortlichen in Reilingen eigentlich keine andere Wahl als ein neues Schulhaus zu bauen.

1965 war es dann So weit. Es war das Optimale an Einrichtung, an Schulraumkomfort, was in gutem Glauben, in vorausschauender Planung vom damaligen Bürgermeister H. Mannherz, im Verein mit dem Schulleiter H. Kollmannsperger, den Gemeinderäten und nicht zuletzt von dem Architekten F. H. Bender erstellt und am 15. Oktober 1965 in einer Feierstunde seiner Bestimmung übergeben wurde.

10 Jahre sind seitdem durch das Land gezogen. Abermals steht die Gemeinde vor der dringenden Aufgabe, weiteren Schulraum zu schaffen, weil die Schiller -Schule zu klein geworden und eine Mitbenutzung der Riegler-Schule für die Dauer untragbar geworden ist. Seit Anfang 1975 laufen die Vorbesprechungen und Planungen zu dem Vorhaben "Erweiterungsbau Schiller-Schule" zwischen dem Gemeinderat, dem Bürgermeister H. Kief , dem Schulleiter H. Kurtz und dem leitenden Architekten F, H. Bender auf Hochtouren, Schon im Herbst 1975 wurde unter reger Beteiligung von Schülern, Lehrern und der Bevölkerung mit dem 1. Spatenstich, ausgeführt von H. Bürgermeister Kief, das Starbeichen für den Baubeginn gegeben. Nun steht der Rohbau bereits und im Sommer, so Gott will, wird ein Teil der Grundschüler in dieses neue Haus einziehen.

Als die Generation der heute 50-jährigen eingeschult wurde, war der Lehrer neben den Eltern noch Respektsperson. Er war Klassenlehrer und Fachlehrer zugleich. Als unumschränkter Herrscher gebot er meist über eine stattliche Anzahl Schützlinge, meist waren es um oder mehr als 40 an der Zahl, streng, gerecht, in den Augen der Schüler und Eltern zuweilen ungerecht. Wer will es ihm aber verdenken? Bei einer konstant hohen Klassenbelegschaft mit der sich der Lehrer seit es Schulklassen bei uns Deutschen gibt, herumschlagen musste , ging ihm manchmal der "Gaul" durch, und ging manchmal etwas daneben, was vielleicht gar nicht in seiner Absicht lag. Bei der Bevölkerung war der Lehrer geachtet und man respektierte sein Tun. Hinzu kommt noch, dass frühere Lehrergenerationen aktiven Anteil am kulturellen Leben, sprich: Vereinsleben, der Gemeinde hatten. Viele Väter und Mütter lernten auf diese Weise den Lehrer ihrer Kinder kennen und begründeten damit nicht selten eine solide Vertrauensbasis zwischen Schule und Elternhaus.

Aus der Bevölkerung kann man zuweilen den Vorwurf hören, der Lehrer von heute engagiert sich zu wenig in der Öffentlichkeit. Dieser, in manchen Augen beklagenswerte Mangel, hat seine Ursache in einer sich völlig geänderten Schulsituation. Der moderne Schulalltag fordert den einzelnen Lehrer viel stärker, als es früher der Fan war. Er ist, wenn er seine Aufgabe ernst nimmt, oft bis zur Grenze seines physischen und psychischen Leistungsvermögens ausgelastet. Ein umfangreiches Stoffangebot, die Erprobung moderner Unterrichtsmethoden und die Beschäftigung mit neuen Teilbereichen wie Mengenlehre, Arbeitslehre u. a. m. zwingen den Lehrer zu intensiver Fortbildung. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass ein Großteil der Lehrer nicht mehr am Dienstort wohnt.
Heute stehen wir auch in Reilingen mitten drin in einer Schulwirklichkeit, die geprägt ist von der Unrast unserer Zeit. Etwas wehmütig denkt man zurück an jene Schulstubenathmosphäre, durch die ein wohltuender Hauch von Herz und Menschlichkeit wob, trotz aller Mängel und Unzulänglichkeiten mit der sie behaftet war. Viele unserer Schulkinder sind unruhig und erfüllt von rastloser Hektik; dazu gesellt sich ein Schülertyp, der durch sein auffallendes Fehlverhalten dem Lehrer das Leben sauer macht. Seitdem sich die Bindungen in unseren Familien gelockert, die Väter ihre dominierende Stellung eingebüßt haben, die Mütter vielfach in ihrer Doppelrolle als Mitverdiener, Hausfrau und Mutter überfordert sind, wird die Familie auch ihrer Erziehungsaufgabe nicht mehr gerecht. Das Kind wächst nicht mehr so behütet heran, wie es in früheren Generationen einmal der Fan gewesen ist. Es ist selbständiger, selbstbewusster aber auch unerzogener geworden und steht auch kritischer seiner Umwelt gegenüber. Die fehlende Nestwärme in zerrütteten Verhältnissen erzeugt Spannungen und Neurosen.

Diesen gefährdeten Kindern kann in dieser Lage nur sinnvoll geholfen werden, wenn die Klassenziffern radikal gesenkt würden und wenn genügend Schulraum geschaffen wird. Der Lehrer hingegen braucht dringend, mehr denn je, die Mithilfe der Eltern. Erst dann, wenn in allen Belangen erzieherischen Tuns sich Eltern und Lehrer nicht mehr als Widerpart verstehen, dann erst wird eine gedeihliche und ersprief3liche Zusammenarbeit möglich sein.

Wir in Reilingen sind in der glücklichen Lage, dass wir neben einem umsichtigen und tatkräftigen Schulleiter, einen, den Nöten der Schule stets aufgeschlossenen Bürgermeister und Gemeinderat haben. Ihrer Initiative und der Mithilfe des Elternbeirats verdanken wir, dass uns in absehbarer Zeit weiterer Schulraum zur Verfügung steht. Hoffen wir weiter, dass seitens unserer Behörden alles getan wird, uns mit den erforderlichen Lehrkräften zu versorgen.
Josef Müller
( 03.06.2006 - 14:47)

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