Aus dem Rathaus

Konstruktiver Dialog baut Vorurteile ab
Konstruktiver Dialog baut Vorurteile ab

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Viele Menschen aus Hockenheim, Altlußheim, Neulußheim und Reilingen kaufen regelmäßig in türkischen Gemüse- und Obstgeschäften ein, holen sich "beim Türken" einen leckeren Döner oder lassen sich ihr Auto von einem aus der Türkei stammenden Kfz-Meister reparieren. Aber kennt man allein deshalb schon seine türkischen Mitbürger, deren Kultur und Traditionen, oder gar deren Religion?

Viele Informationen
Am Samstag bot nun im Rahmen der Sicherheitswoche 2008 ein "Tag der offenen Moschee" die Gelegenheit, nicht nur das muslimische Gottes- und Gemeindehaus im Industriegebiet Talhaus näher kennenzulernen, sondern sich auch im intensiven Gespräch mit vielen Mitgliedern der türkischen Gemeinde mit deren Kultur, den Traditionen und dem Islam auseinanderzusetzen. Angesichts er vielen gesprächsbereiten und überaus gastfreundlichen Frauen und Männer, die oft schon in dritter Generation in Deutschland leben, war die Zahl der interessierten deutschen Bürger der Verwaltungsgemeinschaft Hockenheim eher peinlich.

Wer aber in die Haci-Bayram-Moschee gekommen war, der wurde nicht nur mit einer meist unbekannten Welt konfrontiert, sondern - je länger er blieb- auch bewusst, warum so viele Menschen in Deutschland ein Problem damit haben, mit Muslimen und dem Islam umzugehen.

Die türkische Gemeinde machte es ihren deutschen Mitbürgern am Samstag richtig leicht, alte Vorurteile abzubauen und ein negativ geprägtes Halbwissen mit vielen Informationen zu ergänzen.

Zu den beeindruckendsten Momenten zählte sicher die Möglichkeit, am Mittagsgebet im großen Gebetssaal teilzunehmen. Geographisch und spirituell ausgerichtet auf die Kaaba, dem zentralen Heiligtum des Islam im Innenhof der großen Moschee Al-Masdschid al-Haram im saudi-arabischen Mekka, beeindruckte der Gebetsraum allein schon durch sein Aussehen.

Da man sich im Islam kein Bild von Gott machen darf, ist in der ganzen Hockenheimer Moschee kein solches zu finden. Dennoch übt der Gebetssaal mit seinen vielen Schriftzeichen (allein die 99 Gottesnamen oder verschiedenen Verse aus dem Koran), den blau-weiß-roten Kacheln oder gewaltigen Kristallleuchtern einen faszinierenden Eindruck aus. Irgendwie hatte man beim Besuch der Moschee den Eindruck, dass Abendland und Morgenland sich nicht näher sein können als an diesem Ort.

"Keine Islamisten"
Davon überzeugten sich auch die Bürgermeister Werner Zimmermann (Hockenheim), Hartmut Beck (Altlußheim) und Gunther Hoffmann (Neulußheim), die gemeinsam mit dem Hockenheimer Polizeichef Manfred Krampfert, dessen Stellvertreter Horst Heiler sowie Doris Trautmann vom Ordnungsamt der Stadt Hockenheim sich ebenfalls durch die Haci-Bayram-Moschee führen ließen wie die interessierten anderen Besucher. Sie alle hatten in Fatih Sahan, dem Dialogbeauftragten der Muslime in Baden, Mustafa Yamuk, dem Hockenheimer Imam (vergleichbar in etwa mit einem Pfarrer oder Pastor der christlichen Kirchen) und Ali Keles, dem Gemeindevorsteher, aufgeschlossene und dialogbereite Gesprächspartner.

Sie, wie auch die vielen anderen anwesenden türkischen Frauen und Männer machten dabei immer wieder deutlich, wie sie als Muslime den Islam als Religion verstehen - und sich absolut von Islamisten oder gar islamisch-orientierten Terroristen unterscheiden. Und wer sich von den Besuchern länger mit den Vertretern der türkischen Gemeinde unterhielt, ja ab und zu sich sogar richtig kritisch mit den Unterschieden zwischen Christentum und Islam auseinandersetzte, gewann nicht selten den Eindruck, dass die beiden großen Weltreligionen in vielen Punkten gar nicht so weit voneinander entfernt sind.

"Nur wenn wir regelmäßig miteinander reden und uns austauschen, können wir Vorurteile auf beiden Seiten abbauen", betonte Fatih Sahan. Gemeinsam mit Imam Yamuk lud er Gruppen und Vereine der christlichen Kirchengemeinden, aber auch die Schulen der Verwaltungsgemeinschaft Hockenheim zum Besuch der Haci-Bayram-Moschee ein: "Unsere Moschee ist für sie immer offen."

Hand in Hand gegen Gewalt
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung nutzte Kai-Uwe Bechtel vom Polizeirevier Hockenheim den "Tag der offenen Moschee" aber auch als passende Gelegenheit, das aktuelle Schwerpunktthema "Hand in Hand gegen Gewalt" speziell den türkischen Besuchern vorzustellen. Ein sicheres Leben und friedliches Miteinander sei für alle Bevölkerungsgruppen in Deutschland ein gleich wichtiges Thema - und dies unabhängig von Herkunft oder Religion. "Wir wollen gemeinsam sicher leben und müssen gemeinsam dafür arbeiten", machte der Polizeibeamte deutlich.

Ein vertrauensvoller Dialog geprägt von gegenseitigem Respekt sei die beste Grundlage für ein partnerschaftliches Miteinander. Die Polizei als Freund und Helfer stehe stets im direkten Kontakt mit der Bevölkerung, denn sie brauche deren aktive Mithilfe und Unterstützung ganz nach dem Motto "Hinsehen statt wegschauen, Engagement statt Gleichgültigkeit!"

Tanzendender Derwisch
Im Rahmenprogramm sorgten die traditionellen Tänze der "Verrückten Mädchen vom Schwarzen Meer" ebenso für Begeisterung wie der über 20-minütige Rundtanz eines Tanzenden Derwisches faszinierte. Mustafa Bulbul, Imam der Schwetzinger Muslime, erläuterte den Anwesenden die Bedeutung der verschiedenen Bewegungen einer besonderen Gottesdienstform des mystischen Islam, die nur in Trance bei voller gedanklicher Ausrichtung auf Gott in der gezeigten Form möglich seien.

"Wir Türken der dritten Generation sind hier längst integriert und nehmen Deutschland als Heimat wahr", betonte Fatih Sahan unter dem Beifall der türkischstämmigen Anwesenden. Dennoch wolle man aber die Kultur der Ahnen pflegen und für zukünftige Generationen erhalten - und zwar als echte Bereicherung für die gesamte und überaus vielfältige Gesellschaft in Deutschland.
Otmar A. Geiger aus SZ, Foto Polizei
( 21.07.2008 - 15:46)

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