Was sonst interessiert

Die Hasenfahne beim Marathon in Paris
Die Hasenfahne beim Marathon in Paris

Zurück zur Startseite - Zur Kategorie-Übersicht


Können Sie sich vorstellen, sich für eine Sportübertragung am frühen Sonntagmorgen den Wecker zu stellen? „Ja, klar!“ werden jetzt viele sagen, für einen Boxkampf etwa oder für ein Formel 1 Rennen am anderen Ende der Welt – aber für einen Marathonlauf? Wohl eher nicht. Und dennoch sind in Reilingen an diesem frühsommerlichen Sonntagmorgen im April einige Fernseher eingeschaltet, denn unter den 35000 Läuferinnen und Läufern, die beim Marathon in Paris an den Start gehen, sind auch zwei Reilinger – Peter Hancke und sein Sohn Christian.

Rund 6 Monate haben sich beide intensiv auf den Lauf vorbereitet, nachdem sie sich Anfang Oktober letzten Jahres angemeldet hatten. Für Vater und Sohn bedeutet dies die größte Herausforderung, an die sie sich je gewagt haben, denn immerhin 42,195 km lang ist die obligatorische Distanz eines Marathons. Bereits zwei Minuten, nachdem Peter Hancke im Herbst 2006 das Anmeldeformular über das Internet abgeschickt hat, kommt die Bestätigung aus Paris – mit der Zuteilung der Startnummern 34897 und 34898.

Auf die Idee, am Paris Marathon teilzunehmen, hat Peter Hancke sein Freund Jacky Naudinet, aus Reilingens französischer Partnergemeinde Jargeau, gebracht. Dieser lief beim Marathon im letzten Jahr mit und reiste diesmal als Zuschauer mit seiner Frau Brigitte nach Paris, um die deutschen Freunde zu unterstützen. „Ohne die Jumelage wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich da anzumelden“, erinnert sich Peter Hancke, „da sieht man, was aus so einer Partnerschaft alles werden kann!“

Bereits am Freitag vor dem Lauf reiste Familie Hancke nach Paris, mit im Gepäck „natürlich eine Reilinger Hasenfahne!“ lacht Hanckes Frau Reni, die ihre beiden Männer begleitet hat. Dort bezog man ein Hotel in Start- und Zielnähe, das an diesem Wochenende voll belegt mit Läufern aus aller Welt war. „Es ist schon faszinierend“ erzählt Peter Hancke, „auch das ganze Drumherum um so einen Marathon mal hautnah mitzukriegen“. Beispielweise die Tatsache, dass Menschen aus 95 Nationen in Paris an den Start gingen oder wie professionell und reibungslos die Anmeldeprozedur vor Ort ablief. „In einer umfunktionierten Ausstellungshalle befand sich das Büro, wo wir zunächst ein ärztliches Attest abgeben mussten, bevor wir unsere Startnummern in Empfang nehmen durften“ erzählt Hancke. In der zweiten Etage war das Merchandising aufgebaut, wo es von Mützen über T-Shirts, Schals oder Mini-Eiffeltürme alles Mögliche und Unmögliche zu kaufen gab.

„Aufgeregt waren wir schon“ gibt Hancke zu „als wir am Sonntagmorgen mit der Metro, die sich von Station zu Station mehr mit Läufern füllte, losfuhren, um pünktlich am Start zu sein“. Über 200.000 Menschen säumten die Laufstrecke an diesem Morgen, der Wetterbericht kündigte mit 30° C einen heißen Tag an.
Um 8.45 Uhr gab dann der Bürgermeister den Startschuss zum „31. Marathon de Paris“. Jeder Läufer musste zuvor einen Chip am Schuh befestigen, damit mittels eines Transponders die Geschwindigkeit sowie die jeweilige Position übermittelt werden konnten. Der Chip dient zum einen der Sicherheit des Läufers, falls ein Notfall eintritt, zum anderen aber auch, damit man eine Kontrolle hat, dass alle Punkte ordnungsgemäß passiert werden und die Strecke nicht vorzeitig verlassen wird. „Eine herrliche Laufstrecke lag vor uns“ schwärmt Hancke, der Paris schon seit seiner Studienzeit in den 70ern kennt, „so eine Art Geschichtsunterricht im Laufen“. Auch die Zuschauer zu Hause an den Fernsehern können mitverfolgen, wie sich der Läuferpulk von den Champs Élysées in Bewegung setzt.
Manche Läufer winken in die Kameras, einige halten Schilder mit Grüßen in die Höhe oder schwenken ihre Landesfahne, ja, eine gewisse Euphorie ist auch die übermittelten Fernsehbilder zu spüren. Vorbei geht es am Place de la Bastille, jenem geschichtsträchtigen Ort, an den Gärten der Tuilerien, in denen schon Napoleons Joséphine wandelte, man erkennt den Louvre oder auch mal ein Straßenschild wie das von der „Avenue de Versailles“. Alle 5 km entlang der Strecke sind Verpflegungsstände für die Läufer aufgebaut. 400000 Flaschen Wasser, 2000 kg Würfelzucker und 14500 kg Orangen unter anderem werden dort während des Laufs an die Mitwirkenden ausgegeben. Mittlerweile ist es ist heiß, wie es der Wetterbericht angekündigt hat, „da durften wir keinen Stand auslassen“ erzählt Peter Hancke. Auch das Aufnehmen der Verpflegung während des Laufens haben die Hanckes während der Vorbereitung ausgiebig trainiert.
„Ich habe mich natürlich schon irgendwann während des Laufs gefragt, warum ich mir das eigentlich antue“, sinniert Hancke, „bei km 35 war ich sogar kurz davor, aufzugeben, denn da denkt man wirklich, was soll das Ganze“, erzählt er weiter. Trotzdem, die Läufer motivieren sich gegenseitig, ziehen einander mit, selbst wenn man die Sprache des anderen nicht versteht. Besonders beeindruckt hat Peter Hancke, dass alles so friedlich ablief, trotz der vielen tausend Menschen unterschiedlicher Nationen. „Da gab es kein Geschubse, keine Drängelei an den Verpflegungsstationen, nicht einmal ein böses Wort.“ Geholfen hat aber auch Sohn Christian, der immer an der Seite seines Vaters lief. Und auch das Publikum, das überall den Straßenrand säumt, trägt viel dazu bei, weiterzumachen. „Bravo – bravo!“ und „allez, allez!“ hört man immer wieder die Rufe, 70 Musikgruppen spielen entlang des Weges auf, Cheerleader in bunten Kostümen feuern die Läufer an. Ab und zu gibt es eine erfrischende Dusche von der Feuerwehr, man tut, was möglich ist für die Menschen, die sich beim Marathon alles abverlangen. Die ersten Läufer sind nach 2 Stunden im Ziel, da haben Vater und Sohn Hancke noch etwa die Hälfte vor sich. „Bei 40 km habe ich zu meinem Sohn gesagt, jetzt schaffen wir’s, gleich sind wir im Ziel!“ Und endlich ist es geschafft, nach 4 Stunden und 37 Minuten übermittelt der Chip am Schuh der Reilinger das Überqueren der Ziellinie unter den Positionen 19538 und 19542 an das Organisationsbüro.
Fremde Menschen liegen sich in den Armen und beglückwünschen sich. Alle sind froh, angekommen zu sein, 42,195 km gepackt zu haben. Noch einmal werden alle mit Getränken und Obst versorgt, bevor jeder Teilnehmer eine Medaille und ein T-Shirt als Erinnerung bekommt, dann hat man nur noch einen Wunsch: „Ab ins Hotel und unter die Dusche!“

Ob er noch einmal einen Marathon mitlaufen würde? „Wer weiß“, lacht Peter Hancke, „vielleicht probier ich es das nächste Mal in New York, das würde mich auch reizen!“ Eine tolle Vorstellung ist es schon – die Reilinger Hasenfahne, die auf der Brooklyn Bridge im Wind weht…..
AB
( 07.05.2007 - 10:31)

Zurück zur Startseite - Zur Kategorie-Übersicht

© Gemeinde Reilingen 2007