Ortsgeschichte

De „Voggel-Bäcker“
Bäckerei Vogel Bauzustand um 1930

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Mit dem Wachsen unserer Gemeinde und zusammen mit der durch das Fernsehen beanspruchten" Freizeit " werden die Kontakte in unserer Umgebung nicht mehr so persönlich geprägt, wie das früher der Fall war. So saß man abends während der Sommerzeit vor den Häusern zusammen und erzählte.
Eine solche Kontaktstelle stellte nicht selten auch der Bäcker dar. Allein in der Kirchenstraße gab es bis in die fünfziger Jahre drei Bäckereien.

Die Bäckerei Kief, Ehalt und den "Voggl-Bäcker", über den wir heute berichten wollen.

Nach dem Ersten Weltkrieg eröffnete Karl Vogel an der Ecke Kirchen-/Wilhelmstraße eine Bäckerei. Er hatte 1912 nach seiner Lehre in Ludwigshafen Mundenheim seine Gesellenprüfung mit "Eins" bestanden. Sein alter Gesellenbrief ist vorhanden. Der Gesellenbrief war in der Form eines Ausweises mit festem Karton ausgestellt, denn in der damaligen Zeit gingen auch manche Bäckergesellen auf Wanderschaft und mussten dazu ihren "Brief" mit sich führen.

Als Karl Vogel 1959 im Alter von 69 Jahren starb, übernahm Paul Powik bis zum Jahre 1964 die Bäckerei, bis sie schließlich ganz aufgegeben wurde.

Karl Vogel war stets ein lustiger Mann und immer zu Späßen aufgelegt. Obwohl durch eine Kriegsverletzung hörgeschädigt hatte er allzeit guten Kontakt zu seinen Mitmenschen. So brachten die Frauen das Brot und die Kuchen zum Backen zu ihm. Als Kinder brachten wir auch auf "Horden" Äpfel- und Birnenschnitze hin, die dann zu Dörrobst verarbeitet wurden.

Zwei kurze Geschichten seien hier noch erzählt

Da die Öfen schon in aller Morgenfrühe angeheizt werden mussten, geschah es, dass die Männer vom „Sängerbund" nach einer anstrengenden Singstunde, in den frühen Morgenstunden nach Hause gingen. Da es kalt war, und schon Licht in der Backstube brannte, ging man dort hinein. ( Übrigens in einen solchen Backofen wurden montags 48 Briketts zum Anheizen verwendet, während der Woche weniger, da der Ofen lange warm blieb) . Da es der Sängerrunde dort gut gefiel, blieb man lange sitzen und aß die Backwaren alle auf. Der Vogel - Bäcker, der damals noch nicht verheiratet war, ließ darauf seinen Schwestern melden, sie bräuchten heute morgen nicht zu kommen, die Bäckerei bleibe geschlossen.

Wer am Fenster der Backstube vorbeilief oder mit dem Wagen vorbeifuhr, musste sich stets in acht nehmen. Haarscharf gezielt flog ein „Brotknorzen", ein misslungenes Brötchen ("Offe - Krüppl" in Reilingen genannt) oder gar ein Brikett am Kopfe des Passanten vorbei. Zu sehen war niemand. Erst bei genauerem Hinsehen schaute hämisch lachend der "Voggl - Bäcker" hinter dem Rolladen der Backstube hervor.
Höllisch aufpassen mussten auch die Vertreter, welche das Geschäft besuchten. Häufig entdeckten sie erst in der nächsten Bäckerei, was geschehen war, wenn sie der dortige Bäckermeister fragte, ob sie vorher beim "Voggl - Bäcker" gewesen seien. Erstaunt fragten Sie, wieso er das wisse. „Weil Sie hinne am Kittel ganz weiß sinn", war hier die Antwort. Unbemerkt hatte sie Karl Vogel mit einer gehörigen Portion Mehl gekennzeichnet. So geschah es auch den Gemeindearbeitern, wenn sie vor dem Hause den "Dohl" (Gully) putzten.
Diese und noch weitere humorvolle Geschichten werden heute noch vom Vogel - Bäcker erzählt, und wenn er vom Himmel heruntersehen könnte auf den Bericht in den „Reilinger Nachrichten", so würde er verschmitzt lächeln und sagen: "Ja, so war's".

le, Bilder: Günter Wittmer u. Familie Powik
( 26.11.2007 - 10:54)

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Bäckerei Vogel Bauzustand um 1982 Bäckerei Vogel, Bauzustand um 1982 und um 1930. Im neuen Bild ist noch gut die rechts angebaute Backstube zu sehen.
Karl Vogel und seine Ehefrau Karl Vogel und seine Ehefrau
Paul Powik am BackofenPaul Powik am Backofen

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