Kirche

"Wer nicht genießen kann, wird ungenießbar"

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Die Bäume treiben aus, Osterglocken und Tulpen blühen, erste Sonnenstrahlen wärmen die Haut. Wer bekommt da nicht Frühlingsgefühle? Aber können wir sie wirklich genießen, gönnen wir uns Zeiten des Müßiggangs inmitten von Alltagsstress und Erfolgsdruck? Hannelore Schneider, Heilpraktikerin für Psychotherapie und biblisch-therapeutische Seelsorgerin aus Neulußheim, referierte beim Katholischen Bildungswerk zum Thema "Genießen und Verzichten - beides gehört zum Leben" im Don-Bosco-Haus. In dem Sprichwort "Wer nicht genießen kann, wird ungenießbar" steckt sicher viel Lebensweisheit, doch es kommt auch hier auf die richtige Balance an. Oder anders formuliert: "Wer nicht ab und zu verzichtet, kann auch nicht genießen".

Hannelore Schneider erläuterte, weshalb das Genießen für viele Menschen schwer geworden ist. Gefährlich sei die "Ich-muss-Spirale", die suggeriere, dass man immer zu funktionieren habe und dass jedem Genuss ein Pensum erledigter Arbeit vorausgehen müsse. Prinzipiell sei das Gebot "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen" natürlich nicht schlecht, nur bleibe nach der Erledigung aller Aufgaben oft keine Zeit mehr für eigene Bedürfnisse. Genussfeindlich seien auch Neid, Eifersucht oder Bitterkeit.

Den größten Feind des Genießens sah die Seelsorgerin jedoch in jeder Form von Sucht, ob übermäßiger Fernsehkonsum, Alkohol, Zigaretten oder Drogen, aber auch Kaufrausch oder der oft als "Putzfimmel" abgetane Sauberkeitswahn. Wichtig sei, sich bewusst zu machen, dass hinter jeder Sucht eine Sehnsucht stecke. Deshalb legte Schneider ans Herz: "Verdrängen sie Gefühle nicht, sondern stellen sie sich ihnen". Sehr oft gehe es bei Süchten um die Sehnsucht nach Anerkennung, Wertschätzung und Liebe.

Als Quelle, diesen Lebensdurst nach Liebe zu stillen, führte sie die biblische Geschichte "Die Frau am Brunnen" an. Eine Samaritanerin möchte geliebt werden und ist - da ihre Sehnsucht bisher ungestillt blieb - bereits zum sechsten Mal verheiratet. Die anderen Frauen sprechen abfällig von ihr, so dass sie nur noch zu außergewöhnlichen Zeiten zum Wasserholen an den Brunnen geht. Eines Tages trifft sie dort Jesus, der sie nicht verurteilt und zu ihr spricht: "Wenn du von diesem Wasser trinkst, wirst du nie wieder Durst verspüren". Das Angebot, "unseren Lebensdurst durch die Liebe Gottes" zu stillen, besteht laut Hannelore Schneider auch heute noch. Dabei mahnte sie mit den Worten von Anselm Grün: "Nicht an den falschen Quellen stillt eure Sehnsucht, sondern bei Gott als der lebendigen Quelle".

Genuss und Verzicht gehören für Schneider zusammen und müssen in Balance zueinander gelebt werden. Als bedeutende Persönlichkeiten wurden Franz von Assisi genannt, der trotz reicher Herkunft in Armut und Enthaltsamkeit lebte, und Mutter Teresa, die sich beispiellos für das Los der Menschen in der Dritten Welt einsetzte.

Einen Verzicht in Maßen begrüßte die Seelsorgerin, denn auch ein ständiges Leben im Überfluss verhindere das Genießen. Fasten mache den Kopf klar, bringe zur Besinnung, helfe, das eigene Leben zu überdenken und neue Prioritäten zu setzen - nicht nur bei Nahrung oder Alkohol.

Am Ende des Abends stand eine praktische Übung, bei der Schokolade mit allen Sinnen und ganz in Ruhe verspeist wurde. Der große Kreis an Interessierten war erstaunt, wie groß und lange anhaltend die Freude an nur einem einzigen Stück der braunen Köstlichkeit sein kann. sei aus SZ
( 05.04.2007 - 09:48)

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