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Volksschule - früher : Es gab (fast nur ) männliche Lehrpersonen ( Teil 1)
[Online seit 04.06.2019]
( aus: Entwurf eines Gesetzes über das Volksschulwesen im Königreiche Bayern, München 1867)
§ 1 „Die Volksschule ist eine öffentliche Anstalt, welche der Jugend neben der Pflege ihrer religiösen und sittlichen Erziehung in den zur weiteren Ausbildung für das häusliche, sociale und Berufsleben nothwendigen allgemeinen Kenntnissen und Fertigkeiten zu unterrichten hat…§ 2 . Wesentliche Gegenstände des Unterrichtes sind: Religionslehre, deutsche Sprache mit Lesen , Schreiben und Aufsatzübungen, Rechnen, das Wissenswertheste aus der Geogrphie, Geschichte, Naturgeschichte und Naturlehre, Singen (religiöser und Volksgesang), Elementarübungen im Zeichnen. Dazu kommen bei Knaben Leibesübungen, bei Mädchen weibliche Arbeiten.
§ 4 Die Volksschule gliedert sich in die Werktags- und die Fortbildungsschule. Die letztere hat neben Wiederholung des in der Werktagsschule Erlernten den Unterricht derselben nach Stoff und Form und mit besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse des praktischen Lebens weiter zu führen.
Die Fortbildungsschule wird an Sonn- und Feiertagen, dann für die Knaben im Winterhalbjahre noch an einigen Werktagen nach Bestimmung der Schulbehörden gehalten.
§ 8 Von einem Lehrer sollen in der Regel nicht mehr als 80 Kinder zusammenunterrichtet werden.
§ 11 An Mädchenschulen können statt Lehrer auch geprüfte und als befähigt erkannte Lehrerinnen verwendet werden.
Kommentar: „Es wurde hierbei von der Erwägung ausgegangen, dass das Maß von Kenntnissen und Fertigkeiten, welches in der Volksschule erstrebt wird, vollständig innerhalb der Gränzen der weiblichen Befähigung liegt, und erfahrungsgemäß der Schulunterricht bisher von weiblichen Lehrindividuen mit gutem Erfolg ertheilt wurde, dass die erziehliche Aufgabe in Bezug auf Mädchen, die Pflege der weiblichen Tugend und Sitte, de Sinnes für Anstand, Ordnung und Reinlichkeit unter weiblicher Leitung besser gelöst werden könne, als unter männlicher Leitung, dass endlich dem Unterrichte in den weiblichen Handarbeiten, welche an praktischer Bedeutung für den künftigen Gebrauch im Leben bei den Mädchen den Fertigkeiten im Lesen und Schreiben sehr nahe kommen, durch Aufstellung von weiblichen Lehrkräften In entsprechender Weise und im organischen Anschlusse an den übrigen Unterricht Rechnung zu tragen möglich gemacht ist, und den Schulgemeinden die Nothwendigkeit erspart wird, hierfür in eigener Weise zu sorgen. Dazu kommt noch, dass nachdem die Lehrerinnen nach dem Entwurfe nicht den wirklichen Schullehrern , sondern nur mit den Verwesern auf gleiche Stufe in Bezug auf ihr Einkommen gestellt sind, den Schulgemeinden durch Berufung von Lehrerinnen eine wesentliche Erleichterung infinanzieller Beziehung verschafft.“
Philipp Bickle
Fotos: Ph.Bickle