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Aus der Begräbnis- und Friedhofsordnung des Jahres 1898 (Teil 1)

[Online seit 20.05.2019]

 


Nachdem der neue Friedhof am Heidelberger Weg am Sonntag, dem 20. Dezember  1896 nach evangelischen Ritus und am Sonntag, dem 17. Januar nach katholischem Ritus eingeweiht. Nun wurde am 29. Oktober 1897 vom Gemeinderat eine Begräbnis-und Friedhofsordnung beschlossen und im Mai 1898 als rechtsgültig erklärt. Dabei gab es eine Friedhofskommission bestehend aus dem Bürgermeister und Gemeinderat sowie dem evangelischen und katholischen Pfarrer.                                               
§ 5  Zum Leichenpersonalgehören zwei Leichenfrauen, zwei Todtengräber ( jeweils einer evangelisch und einer katholisch) und der Leichenwagenführer.
§ 7 Der Leichnam darf nur durch die Leichenfrau aus- und eingekleidet und mit  Beihilfe des Schreiners in des Sarg gelegt werden, sofern dies nicht durch Angehörige besorgt wird.
 § 9 Die Särge dürfen nur aus Tannenholz gefertigt werden. Dieselben sind …. bei  stark fortgeschrittener Verwesung, Auslaufen der Leiche usw. luft- und wasserdicht zu fertigen Der Sargdeckel darf nur durch vier Holzschrauben und hölzerne Stollen, nicht durch Riegel befestigt werden; dies hat vom Schreiner zu geschehen. (Es gab ja noch keine Leichenhalle. Der Verstorbene war zu Hause aufgebahrt!)
§ 11 Die Leichen Erwachsener müssen alle ohne Unterschied vom Sterbehause auf dem kürzesten Wege zum Grabe geführt werden. Leichen von Kindern unter drei Jahren werden durch die Leichenfrau ( auf dem Kopf) auf den Friedhof getragen. ( Dies blieb so bis etwa 1920. Dann gab es dafür eine schwarz gestrichene Korbchaise, welche im Spritzenhaus aufbewahrt wurde. Sie wurde von der Leichenfrau mit dem Kindersarg auf den Friedhof geschoben. Die Holzräder mit Eisenreifen waren mit ledernen Riemen umspannt, damit es beim Schieben über das Pflaster der Hauptstraße nicht so holperte.)
§ 12   Es ist erlaubt, Kränze oder Blumen auf den Sarg zu lege oder am Leichenwagen anzuhängen. Ebenso ist gestattet, dass ein Ehrengeleit von Freunden und Verehrern des Verstorbenen zu beiden Seiten des Leichenwagens einhergehen. Wollen Freunde des Verstorbenen am Sterbehause oder am Grabe Gesänge vortragen oder Trauermusik veranstalten, so ist vorher dem Geistlichen Mitteilung zu machen. Außer dem Geistlichen dürfen andere Personen nur mit Genehmigung der Friedhofskommission Ansprachen halten.
§ 13  Dem Leichenpersonal ist jede Anforderung und Annahme von Speisen und Getränken, sei es im Sterbehause oder in einem anderen Local untersagt.
§ 16 Die Leichen von Kindern unter sechs Jahren sind in einer besonderen Abtheilung des Friedhofes zu beerdigen.  
Nachdem die Begräbnisse  in den Sechziger Jahren immer mehr von  den berufsmäßigen Bestattungsunternehmen durchgeführt wurden, gab es keine gemeindliche Leichenfrau mehr. Eine sehr beliebte Leichenfrau war Lina Zinser geb. Bickle ( 1904 bis  1967 ). Sie kleidete den Verstorbenen ein und verzierte den  offenen Sarg mit Blumen. Der Sarg blieb ja 3 Tage im Sterbehause stehen. Die Nachbarsleute und Freunde konnten so an dem aufgebahrten Sarge Abschied nehmen. Als Lina Zinser  1967 verstarb wurde über ihre Arbeit in der Schwetzinger Zeitung  sehr lobend berichtet. Lina Zinser betreute auch zahlreiche Gräber, welche sie nach Aufforderung der Angehörigen  pflegte und bei Trockenheit mit Gießwasser aus den Pumpbrunnen versorgte.
Philipp Bickle
( Diese Friedhofsordnung wurde von Friedrich Kief am 28.5 2003 in der Ausgabe Nr. 22 der Reilinger Nachrichten vorgestellt.  Das Bild der Leichenfrau Lina Zinser wurde uns  von Brigitte und Peter Herchenhan zur Verfügung gestellt. Das Bild vom Leichenzug stammt aus „Der Große Duden (Bildwörterbuch )“ , Bibliographisches Institut AG, Leipzig 1935 S.191

Fotos: Ph. Bickle

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