Gemeinde Reilingen

Seitenbereiche

Volltextsuche

Was suchen Sie?

RSS

Facebook

Kontrast

Schriftgröße:

Seiteninhalt

Wir berichten

" Rei, unn Moscht gedrunke!" Als der Most noch ein alltäglich gebräuchliches Hausgetränk war!

[Online seit 16.10.2018]


Die diesjährige reichliche Apfelernte, obwohl wir einen so trockenen Sommer wie seit hundert Jahren nicht mehr hatten,  erinnerte mich daran, wie wir immer einen Apfel-, Birnen-oder gemischten Birnen- Apfelmost im Holzfass im Keller liegen hatte. Wer keine eigenen Obstbäume  hatte,  steigerte zur Herbstzeit  einen oder mehrere der gemeindlichen Obstbäume im Ortsbereich. Das Gemeindeglöckchen auf dem Rathausturm erinnerte an den Versteigerungstermin.  Zu Fuß oder mit dem Fahrrad kamen die Interessenten dann an den vorher bekanntgegebenen  Treffpunkt. Vorher war man freilich schon geheim durch den Ortsetter  gezogen und hatte die   Wunschbäume betrachtet, den vermutlichen Ertrag geschätzt und eventuell einige Früchte  versucht. Die Zwetschgenbäume oder Birnenbäume waren mit einer Nummer versehen und nun wurden Gebote gemacht, und das Höchstgebot erhielt den Zuschlag. Der Feldschütz oder wer immer die Versteigerung leitete, notierte die Nummer der ersteigerten Bäume und den Geldbetrag, welcher auf dem Rathause bezahlt werden musste. Wir steigerten einmal einen Apfelbaum im Kleinen Hertenweg. Er stand direkt am heute nicht mehr vorhandenen „Hertengraben“, welcher das Schmutz- oder Regenwasser zum Kraichbach leitete. Beim Abmachen der ersteigerten Früchte  fielen einige in das oft übel riechende Abwasser. Aber sie wurden herausgefischt und zum Mosten verwendet. Wenn man nicht genügend eigenes Obst hatte, konnte man es auf Bestellung in der Küferei Leicht dazu kaufen.


Im Laufe der Zeiten gab es in Reilingen verschiedene Küfer, bei welchen man die Fässer putzen oder das Obst zu Saft auspressen lassen konnte. Vom Hörensagen kenne ich noch die „Dagenbachs“ in der Hauptstraße (heute Glaserei Dagenbach), erlebt habe ich noch den Küfer Ludwig Althaus ( Haus abgerissen, heute Parkplatz „Rewe“) oder  Eugen Leicht, erst links neben der evangelischen Kirche, abgerissen, heute Seniorenheim), später dann in der Ziegelgasse 33 im Hause der Schwiegermutter Barbara Weißbrodt.  Heute sind der damals vorhandene Laden, die  Küferwerkstatt  und der Pressraum von außen nicht mehr sichtbar. Wenige Leute hatten zu Hause einen „Muser“,  eine eigene Obstmühle oder eine kleine Obstpresse, mit welcher sie dann Selbstversorger mit eigenem Most waren.


Wenn der Most über Winter ausgetrunken war, kamen die Fässer zu Küfer Eugen Leicht, wo sie geputzt, eventuell repariert und mit „Liecht“ abgedichtet wurden. Nachdem sie noch mit „Schwefel - Schnieten“ geschwefelt waren, standen sie wieder für den nächsten Mostjahrgang bereit.  Eugen Leicht fertigte aber auch neue Fässer. Das war eine schwierige und kunstvolle Arbeit. Nach Schließung der Küferei Leicht übergab  Schwiegersohn Horst Hocker, welcher selbst noch als Küfer ausgebildet war und seine Frau Helga  geb.Leicht, zahlreiche Gerätschaften an das Reilinger Heimatmuseum. Dort kann man sich immer noch über das mühevolle Küfergewerbe informieren.


Mostkenner wussten, beim welchem Bauer es den besten Most zu trinken gab. Der Mostkrug stand immerauf dem Tisch. Es war das höchste Lob für den Landwirt, wenn man sagte: „Der hodd än gude Moscht!“ So gibt es heute noch den flappsigen Spruch zu hören: „Nix wie rei, unn Moscht g´soffe!“ Unser heutiges Bild zeigt Karl Weißbodt (links) und Eugen Leicht an der  hydraulischen Kelter in der Ziegelgasse 33.  Das zweite Bild zeigt die gekauften Äpfel im Hofe der Küferei. Mit der Schippe Heinrich Hocker und eine unbekannte Person.  Die Bilder stammen aus dem Besitz der Familie Horst und Helga Hocker.
Philipp Bickle

Weitere Informationen

Archiv - Ortsgeschichte

Hier können Sie ältere Artikel zum Thema Ortsgeschichte nachlesen.

Jahr 2003
Jahr 2004
Jahr 2005
Jahr 2006
Jahr 2007
Jahr 2008