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Das "Wirtschaftswunder" hatte 1953 (noch nicht) alle erreicht!

[Online seit 23.02.2015]

In den Fünfziger Jahren nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg ging es mit der Entwicklung der deutschen Wirtschaft zumindest im Westen steil bergauf. Man konnte wieder einkaufen und die neue Mark war ein gutes Zeichen für die Vorwärtsentwicklung, die Versandgeschäfte (Neckermann, Quelle, Bauer, Schöpflin-Hagen, Witt Weiden usw.) entwickelten sich und man konnte" auf Raten" ( uff die Hack") kaufen.
Während bei der Krönung der englischen Königin Elisabeth (2. Juni 1953) bei "Radio Walter Hocker" in der Hockenheimer Straße erstmals ein Fernseher stand, waren zahlreiche Nachbarn und Freunde zum "Mitgucken" eingeladen. Während der "Life"-Übertragung saß Willi Gögele im Obergeschoss und musste die Dachantenne auf Zuruf leicht drehen, wenn das Bild wieder einmal stark "grießelte". Beim Endspiel zur Weltmeisterschaft ( "Wunder von Bern" ), wobei erstmals wieder eine deutsche Mannschaft zugelassen war, waren am 4. Juli 1954 bereits mehrere Reilinger Gastwirtschaften mit einem (Schwarz-weiß)- Fernseher bestückt. Ich selbst erlebte das Ereignis in der ausgeräumten Werkstatt der Autoreparaturwerkstatt Kälberer ( Ecke Haupt-/Sofienstraße). Dort hatte man auf den Werkbänken Kartonteile liegen, so dass genügend Sitzplätze für die Besucher frei waren. Die Antenne musste nun nicht mehr laufend nachgedreht werden. Unter unsäglichem jubel wurde beim Sieg das "Deutschlandlied " gesungen, wobei manch einer der Anwesenden nur die 1. Strophe als Text mitsingen konnte, weil ihm der andere Teil noch unbekannt war. Die beste Bildschirmbreite mit einer Bildschirmbreite von schon 43 cm war 1955 (siehe Reklame der florierenden Versandfirma Firma Neckermann vom Oktober 1955) für nur 548 DM ein Renner. Der Wochenverdienst eines Arbeiters lag aber nur knapp über 50 DM! Es ging aber nicht allen Menschen in dem beginnenden "Wirtschaftswunder" nicht so gut.
So schreibt am 9. September 1951 ein Reilinger Landwirt in Sütterlin-Schrift an das Schwetzinger Finanzamt: " Ich bitte, mit die Soforthilfeabgabe und die Einkommensteuer bis auf weiteres zu stunden, denn ich habe kein Geld zum Bezahlen. Mit 76 Jahren betreibe ich noch Landwirtschaft, um leben zu können, denn Rente erhalte ich keine. Von meinen drei Söhnen sind zwei heute noch vermisst und der dritte ist an einem Kriegsleiden 1944 verstorben. Jetzt habe ich keinen meiner 3 Söhne mehr, die mich unterstützen und die Landwirtschaft übernehmen könnten. Ich bin vollkommen auf die Mitarbeit und Unterstützung meiner bei mir wohnenden Schwiegertochter und ihrer Kinder angewiesen. Mit ihren 60DM (Kriegs-)Rente monatlich muss meine Schwiegertochter den Unterhalt für ihre drei Kinder mit 17, 12 und 10 Jahren und für mich bestreiten. Bargeld ist bei uns das wenigste, was wir im Hause haben. So eine große Familie verursacht große Unkosten.
Für zum Tabakbrechen und Einfädeln brauche ich Leute, die ich zahlen muss. Dauernd muss ich Frucht verkaufen, um die laufenden Aufgaben zu bestreiten. Gerne würde ich mit meinen 76 Jahren mit der Landwirtschaft Schluss machen; ich kann aber nicht aufhören, sonst habe ich nichts zum Leben.
Anschaffungen sind bei uns kaum möglich, am wenigsten für mich, erst kommen die Kinder...........! Wie die Geschichte weiter ging wissen wir nicht, denn die nächste Seite des Schreibens fehlt. Es wurde aber zu einer unendlichen Geschichte, denn eine "Elternrente" für die gefallenen Söhne erhielt er nicht. Quellen: handgeschriebener Brief von 1951 ; Anzeige aus der "Bild und Funk" , Oktober1955 ; Tabakfädeln Bild von Grete Krull .
Philipp Bickle

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