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(Un- ) Weiblicher Sport und Fahrradfahren (nach der Zeitschrift "Monika" von 1904)

[Online seit 27.07.2020]

(Un- ) Weiblicher Sport und Fahrradfahren  (nach der Zeitschrift  „Monika“ von 1904)


„Es schon alles dagewesen!“ pflegte in unerschütterlicher Ruhe der weise Rabbi Akiba  (geb. 50 n. Chr.) zu sagen. Wenn aber eine unserer jungen Damen auf dem Rade an ihm vorüber gesaust wäre, so würde ihm doch vielleicht sein Lieblingsspruch im Halse stecken geblieben sein….
Die Zeiten ändern sich und mit ihnen die Menschen und deren Sitten. Wer wollte das leugnen oder tadeln? Wer möchte den Menschen unserer Tage das Recht abstreiten, sich in ihrer Weise zu bewegen, zu benehmen und zu amüsieren? Dabei muss aber die verständige, liebevoll-feste Hand der Mutter dem unerfahrenen Kinde über Klippen und Untiefen hinweg, an Verlockungen vorüber, auf die feste, sichere Straße sittlichen Ernstes heben. 
Wir leben in einer Zeit, da der Sport herrscht, das sind jene leidenschaftlich betriebenen körperlichen Übungen, Wettspiele und Vergnügungen, in denen Kraft und Gewicht um die Palme ringen. Es scheint wirklich nichts Wichtigeres zu geben, als die internationalen, die nationalen  Dünkel= und  Eifersucht reizenden Wettspiele aller Art, vom Pferderennen, Ruder- und Segelsport bis zum Rad und Motorwagen. Mann scheint in ihnen das Heilmittel  für alle die Krankheiten, Übel und Missstände der Zeit zu sehen oder vielleicht das sicherste Mittel, diese nicht mehr zu sehen.



Die erste Reilinger Frauen-und Mädchensportgruppe um 1925. Betreuer waren Michael Sturm (rechts) und Peter Schell. Der katholische Ortspfarrer hatte erhebliche sittliche Bedenken  wegen der Kleidung der weiblichen Teilnehmerinnen)!
Die erste Reilinger Frauen-und Mädchensportgruppe um 1925. Betreuer waren Michael Sturm (rechts) und Peter Schell. Der katholische Ortspfarrer hatte erhebliche sittliche Bedenken wegen der Kleidung der weiblichen Teilnehmerinnen)!

Ist doch gerade die Frauenwelt gewöhnt, den ganzen inneren und äußeren Menschen unter das Joch der  Mode zu beugen. Also Sport! Und zwar wollen wir die nach Gleichberechtigung und Selbständigkeit ringenden jungen Damen nicht nur Zuschauerinnen sein, sondern Ihre Kräfte und Geschicklichkeit erproben, sich zeigen und sich “ausleben“. Die jungen Mädchen sollen das Recht haben, sich zu erholen, sich zu unterhalten, auch meinetwegen die körperliche Entwicklung durch angemessene Übung zu befördern.
Die Sportspiele dienen der Gesundheit! Zugegeben!  Das Ballspiel im Sommer und das Schlittschuhlaufen im Winter mögen Vergnügungen sein, die gesund und kräftigend sind. Vom Tanzen wollen wir hier  schweigen. Und wäre Tanzen nicht ein lang eingewurzelter  Brauch, wer hätte wohl den Mut es einzuführen oder zu empfehlen? Unsere Groß- und Urgroßmütter waren doch auch gesund, ohne all diese Vergnügungen zu kennen.
Es gibt Ärzte, die den jungen Mädchen das  Schwimmen verordnen. Mit Maß geübt, mag es gut sein. Ob es aber in sittlicher Beziehung anstandslos ist, das hängt sehr von Art und Ort, von den Personen und Umständen ab.
Kahnfahren auf dem Hausteich,  einen Spazierritt mit dem Vater. eine mäßige Bergtour wird niemand Sport nennen, denn in diesem Begriff liegt eine ungewöhnliche, oft mit Gefahr verbundene Anstrengung, ein wetteiferndes Einsetzen aller Kräfte. Und das wird stets unweiblich bleiben!

Das älteste Reilinger Radfahrerbild vorm
Das älteste Reilinger Radfahrerbild vorm" Löwen". Herr Schulz , ein Angestellter der Zigarrenfabrik vom Wersauerhof. Natürlich ein anständiger und stolzer "Herrenradfahrer".

Der hohe Sport, als Pferderennen, Ruder- und Segelregatta, Motorfahren, Luftschifferei bleibt hoffentlich unbestritten ein Vorrecht der männlichen Jugend!
O, ihr christlichen Mütter! Wir sind auf bestem Wege, ein Frauengeschlecht heranzuziehen, das wohl auf den Rennplatz, auf das Theater, auf die Rednerbühne, auf die Straße passt, aber zu einer treuen Gattin, zu einer sorgsamen Mutter weder Zeit, noch Lust, noch Tugend genug besitzt. 
Und das Velociped? Was gibt es Unweiblicheres, Unzarteres, dem  ganzen Wesen einer jungfräulichen Seele Widersprechenderes, als eine Dame auf dem Rad, wie sie frank und frei mitten durch das Menschengewoge einer belebten Stadt steuert Auf dem Lande ist es doch nicht anstößig? Ich will nicht von dem Ärgernis reden, das Radlerinnen dem einfachen Landvolk bereiten mögen. Aber in Begleitung des Vaters oder Bruders wäre es möglich. Aber wenn solche nicht zur Hand sind?  Wird man sich das Vergnügen versagen Und werden unsere Damen vor dem Automobil, das immer mehr das Fahrrad verdrängt, zurückschrecken? Und dann gibt es keinen Halt mehr. Es sind die heiligsten Interessen, die im Sport verspielt werden.                                              

P. Seb. V, Oer.



Zeitgemäße Abbildung einer Radlerin aus einem Katalog für Festabzeichen.
Zeitgemäße Abbildung einer Radlerin aus einem Katalog für Festabzeichen.

Quelle: Monika, Zeitschrift für katholische Mütter und Hausfrauen, Nr. 45, Donauwörth, 5. November 1904, im 36. Jahrgang S. 531
Philipp Bickle/Fotos: Ph. Bickle

 

 

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