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Vom Schneidern und der Nähmaschine (Teil 2)

[Online seit 07.07.2020]


The Singer Company wurde 1851 von dem Unternehmer und Erfinder Isaac Singer und dem New Yorker Rechtsanwalt Clark gegründet. Innerhalb kürzester Zeit stieg das Unternehmen zum größten Nähmaschinenproduzenten der Welt auf. 1889 entwickelten sie die erste elektrische Nähmaschine, 1921 kamen die erste tragbare Nähmaschine und 1978 die erste computergesteuerte Maschine dazu.

Weltweit entstanden überall Fabrikationsniederlassungen; so auch 1904 das deutsche Singer Nähmaschinenwerk Wittenberge in der Nähe von Potsdam. Heute gehört das Unternehmen Singer zum Unternehmen SVP Worldwide in Hamilton auf den Bermudas. Anfang 1970 hatte man weltweit 120 000 Mitarbeiter. Die Geschichte der Fabrik in Wittenberge brachte der Stadt den Namen  „Stadt der Nähmaschinen“ ein. Ab 1928 wurde der zweitgrößte freistehende Uhrturm Europas erbaut war mit der größten Turmuhr Deutschlands bestückt. Im Jahre 1945/46 wurde das Werk von der Sowjetunion als Reparationsleistung demontiert. Beim Wiederaufbau entstand das VEB Nähmaschinenwerk Wittenberge-Kombinat TEXTIMA. 1968 konnte die ein-millionste Haushaltsnähmaschine exportiert werden. Im Jahre 1989 waren 3.200 Arbeiter und Angestellte beschäftigt. Am 4. Oktober 1989 wurde die sieben-millionste Haushaltsnähmaschine produziert.  Am 31. Januar wurde das Werk durch die Treuhandanstalt liquidiert.

Bei uns in der Gegend waren auch die Pfaff Nähmaschinen bekannt. Die erste Maschine wurde 1862 von dem Blechblasinstrumentenbauer Michael Pfaff erbaut. Bereits 1872 wurden in der Pfaffschen Nähmaschinenfabrik in Kaiserslautern jährlich tausend Maschinen produziert. Von diesen gingen 50% davon in den Export. 1910 wurde die millionste Nähmaschine für das historische Museum in Speyer spendiert. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen  auf Kriegsproduktion umgestellt und verfertigte Verschlüsse für Maschinengewehre. 1944 wurden 60% des Werkes durch Bombardierung zerstört, aber nach dem Krieg wieder rasch aufgebaut. 1999 musste der Konzern Insolvenz anmelden und verkaufte seine Rechte an die Firma Viking-Husqvarna aus Schweden.  
In Mannheim gab es auch eine Nähmaschinenfabrik von Martin Decker. Einzelne Maschinen findet man heute noch in wenigen Haushalten oder auf den Flohmärkten. (Aber auch das Reilinger Heimatmuseum hat keinen Platz mehr für solche Oldtimer! Jedes Jahr werden uns zwei oder drei Objekte angeboten! Aber kein Platz…!!)

Anzeige von 1962 aus der Festschrift des Männergesangvereines
Anzeige von 1962 aus der Festschrift des Männergesangvereines

Interessant ist auch, dass Nähmaschinen und Fahrräder und oft Schreibmaschinen ( siehe Anzeige Schröter von 1962) gerne zusammen verkauft wurden. Beide benötigten präzise gefertigte Bauteile wie beispielweise  Lager-  und Gewindeteile und einen geschickten Feinmechaniker oder Techniker. Über 200 (!!) Unternehmen beschäftigten sich mit dem Bau von Nähmaschinen. Durch die Herstellung von Fertigkleidern („ Von der Stange“) wurde das Selberschneidern immer weniger wichtig, so dass es nicht mehr lohnend war, seine Kleider und  Wäsche selbst zu schneidern. Hierzu kam, dass die ersten preiswerten Nähmaschinen-Fernostimporte angeboten wurden und die deutschen Maschinen immer weniger gefragt waren und dadurch auch der Export wegfiel.

In Reilingen gab es laut Einwohnerbuch ( Stand 1. April 1957 bei 4025 Einwohnern) folgende (Herren-) Schneider:
Gustav Brenzinger, Wilhelmstr. 34    Julius Dürr, Hauptstr. 12    Ludwig Hörsch, Gartenstr.2
Hans Kerbs, Friedrichstr. 17        Andreas Richter, Speyerer Weg 50  (später in der Hauptstr. , im kleinen Häuschen von Landwirt Schröder).
In der Ziegelgasse Nr. 39 verkaufte 1920  bis 1930 Ferdinand Müller  (Vater des verstorbenen Rathausangestellten Martin M.) Fahrräder und Nähmaschinen. Er reparierte sie auch. Als infolge der Wirtschaftskrise 1929 die Auftragslage schlechter wurde, gab er das Geschäft auf und produzierte Zigarren.  
Bilder:  Gustav Schröter, Anzeige von 1962 aus der Festschrift des Männergesangvereines
Singer Nähmaschinenfabrik Wittenberge mit dem zweitgrößten Uhrturm Europas und „kostenlose Nähmaschinenkurse“ aus dem Buch „ 1001 Winke für die Hausfrauvon Erna Horn, Frasdorf im Chiemgau (um 1930)
Philipp Bickle/Fotos: Philipp Bickle

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