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Vor 75 Jahren: Vorläufiges Ende des Zweiten Weltkrieges in Reilingen (Teil 2)

[Online seit 09.04.2020]


Den ganzen Tag zog Militär durch die Straßen

Ostersonntag, 1. April gegen Abend.
Den ganzen Tag zog Militär durch die Straßen. Alle Nationen, schwarze und weiße Rassen. Da und dort wurden Mädels vergewaltigt. Kein Gesetz, kein Rathaus. Es wurde geräubert und geplündert und niemand konnte es verbieten! Es war eine schlimme Zeit! Wolle Gott, dass solches nicht mehr vorkomme!
In ein anderes Dorf durfte man nicht gehen. Nur von 14 bis 17 Uhr durfte man das Haus verlassen! (Jede Personenansammlung war untersagt!) Wer nach 5 Uhr oder vor 2 Uhr angetroffen wurde, dem konnte es passieren, dass er auf einen Panzer gesetzt, dann durch 5 bis 6 Ortschaften geführt, um dort in Arrest zu kommen, dann 2 bis 3 Tage ausharren musste und dann zu Fuß nach Hause laufen musste. Matthias Leiser, Maria Klein und verschiedenen anderen Bauersleuten erging es so. 

Einblick in die Kirchenstraße - als Karte eines GI in die Heimat:
Reilingen, Baden, Germany , April 1945
Einblick in die Kirchenstraße - als Karte eines GI in die Heimat:
Reilingen, Baden, Germany , April 1945
"Das ist die Stadt, die wir am Ostersonntag eingenommen haben. (Wir zogen am späten Sonntagmittag ohne besondere Vorkommnisse ein und blieben zwei Tage.) Das ist ein Blick abwärts wie ich vermute, die Hauptstraße. ( Da ist eine ganz schöne Kirche hier, von welcher man den Kirchturm an der Straße hinunter sehen kann.) Es ist eine extrem große Kirche, aber wie ich auch meine, eine sehr schöne für eine kleine Stadt.
Eine Straßenszene in Reilingen. Beachte das Nazi Hakenkreuz (" Nazi swastika and eagle") und den Adler auf dem Gebäude hinter der Kirche. Man sieht jene Dinger an den Wänden aufgemalt.
Ein Granatenschuss an der Kirche, welcher sich als so schlimm darstellt. Ich denke dennoch es ist eine hübsche Kirche."

Am Ostermontag, den 2. April
nachmittags um ½ 4 Uhr wurde Liesel auf dem Friedhof beigesetzt. Den Sarg machte Schreiner Fritz Römpert. Ihre Freundinnen schmückten den Sarg mit Osterblumen. Durch den Ort durften wir nicht zum Friedhof, weil durch die Besatzungsmacht eine Menschenansammlung nicht geduldet wurde. So gingen wir über den Hertenweg. Frau „Pfarrer“ Braun (die Frau des im Kriege befindlichen Pfarrers) Braun hielt selbst die Leichenrede. Pfarrer Becker, der in Neulußheim wohnte, durfte nicht kommen, weil keiner seine Ortschaft verlassen durfte, und so sprang eben Frau Braun ein.

Konrad u Anna  Heilmann mit Farren
Konrad u Anna Heilmann mit Farren

Osterdienstag, 3. April. 
Nun ging ich zu einem französischen Kriegsgefangenen Emil Kayall. Er war Lehrer und seit Jahren bei einem Reilinger Bauer. Ich bat um ein Auto, um die schwer verletzte Hedi ins Krankenhaus zu bringen. Die Reilinger Autos hatten die deutschen Soldaten alle beschlagnahmt und mitgenommen. Er suchte einen französischen Militärarzt auf, denn es waren inzwischen französische Einheiten im Ort. Um 14 Uhr kam ein vornehmer Arzt der Feindesmacht, untersuchte Hedi und bot sich an, sie ins Krankenhaus zu befördern. Zivile Personen dürften aber nicht mit.  Er meinte, eine deutsche Rotkreuzschwester in Uniform wolle er zulassen. Ich holte in der Kirchenstraße Liesel Vögele. Nun stiegen alle mit unserer Hedi ins Sanitätsauto ein. Fort ging die Fahrt. Liesel Vögele kam nicht mehr zurück. Später erfuhren wir, dass Hedi zu Dr. Nettel nach Schwetzingen ins Hilfskrankenhaus gekommen war. Schwester Liesel ging zur Schwägerin nach Plankstadt. Heim konnte sie nicht mehr, da weder Zug noch Auto hierher fuhr. Die Franzosen waren wieder fort und andere Nachschubkolonnen kamen.
1. Mai:  
Vier Wochen sind nach dem Unglück vergangen. Bis heute haben weder Vater noch ich Hedi besuchen dürfen.
27. Mai:
Nach 8 Wochen wurde Hedi an einem Sonntag aus dem Krankenhaus entlassen. Sie litt noch lange an ihrer Krankheit. 
Philipp Bickle (auszugsweise aus Anna Heilmanns in Sütterlin geschriebenem Tagebuch)
Fotos: Philipp Bickle

April 1945: Company G399th von Richard G.Laurens
April 1945: Company G399th von Richard G.Laurens

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