Wir berichten
Für zehn "Penning" Senft !
[Online seit 03.12.2019]
Wir zahlen heute nicht mehr mit „Penning“( Pfennig), wie man früher in Reilingen sagte und wir holen auch nicht mehr mit einem einfachen Trinkglas „Senft“ (Senf) aus dem Kolonialwarenladen. Alles ist im Supermarkt in Gläsern oder in Tuben fertig abgepackt. Der „Senfhaffe“, wie wir ihn im Reilinger Heimatmuseum noch finden, hatte nämlich einen Hebel zum Portionieren. Halb herausgezogen, kam ein roter Strich. Da floss nur für 5 Pfennig Senf ins Glas. Wurde der Hebel bis zum Anschlag gezogen, dann kostete die Menge 10 Pfennig. Da das Glas offen war, konnten wir als Kinder auf dem Heimweg vom Kaufladen den Finger eintauchen, und die saure Angelegenheit schlecken.
Der große Senftopf im Kaufladen musste morgens herumgerührt werden, weil, wie heute auch noch üblich, sich die Flüssigkeit von der Senfmasse abgesetzt hatte.
Besonders beliebt waren bei uns der „Reisig-Senf“ und der „Reisig-Essig“ aus Heidelberg. Denn den Essig gab es ebenfalls nicht abgepackt, sondern er wurde im Laden in eine mitgebrachte, leere dunkle Weinflasche abgefüllt.
Die Firma Fr. Reisig, gegründet 1863 („Weinessig & Tafelsenf-Fabrik“) hatte bis 1970 ihren Sitz in Heidelberg). Es wurden auch Essiggurken, Wie-und Obstbrände sowie Liköre produziert. 1938 wurden in 9 Mühlen pro Tag 40 Zentner Senf hergestellt. Der Senf wurde danach in Leihfässer, Eimern, Steinguttöpfen, Wannen sowie Goldblecheimern und in verschiedene Gläser abgefüllt. Die Firma unterhielt Auslieferungslager in Pforzheim, Freiburg, Heilbronn, Würzburg, Darmstadt und Frankfurt. „Die Größe des Absatzgebietes bedingt naturgemäß das Vorhandensein eines großen Wagenparkes“, heißt es in der Chronik von 1938. So wurde 1930 eine große Garage gebaut, in der fünf Lastwagen und elf Reisewagen Platz hatten. Der Senf wurde auch in Metzgereien verkauft und fehlte in fast keinem Gasthaus im „Senftöpfchen“ auf den Tischen. Matthias Keitemeier von der „Heidelberger Senfmühle“ wollte die bekannte Heidelberger Senfmarke um 2014 wieder aufleben lassen. Aber die „Heidelberger Senfmühle“ ist leider (ab 2019) inzwischen geschlossen.
Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung vom 10.3. 2015
Bilder aus dem Reilinger Heimatmuseum : „Senftopf“ mit Portionierer und „Essigtopf“ der Firma Reisig und „Senftopf“ ohne Portionierer von der Firma „Haas“