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Historischer Spaziergang zum Tag des Denkmals

[Online seit 09.09.2019]

Ein Blick in die Vergangenheit, die der Zukunft dient
Ortshistoriker Philipp Bickle lässt Vergangenheit aufleben

Der Tag des offenen Denkmals wird seit 1993 bundesweit durchgeführt. Der Aktionstag findet jährlich am zweiten Sonntag im September statt. Ziel des Aktionstages ist, die Bedeutung des baukulturellen Erbes erlebbar zu machen. Am Tag des offenen Denkmals sind viele sonst nicht zugängliche Denkmale geöffnet. Vielerorts werden Führungen angeboten.

So auch in Reilingen, wo Gemeinde und die Freunde Reilinger Geschichte zu einem Spaziergang einluden. Eine schöne Gelegenheit, zum Tag des Denkmals ein Stück Reilinger Geschichte aufleben zu lassen und die Bindung zur Heimatgemeinde zu vertiefen.

Der gut zweistündige Spaziergang, zu dem trotz des unwirtlichen Wetters fünfzig Alt- und Neubürger gekommen waren, startete am Vorplatz der katholischen Kirche.
Bürgermeister Stefan Weisbrod begrüßte Einheimische und Auswärtige herzlich und freute sich, selbst bei diesem gebotenen historischen Genuss dabei sein zu können. Ortshistoriker, Ehrenbürger Philipp Bickle dankte er im voraus mit einem Präsent.

Bevor man im Inneren der St. Wendelinskirche den Klängen von Organist Wolfgang Müller und seinen Erklärungen zur 1970 von Dekan Josef Beykirch geweihten Orgel lauschen konnte, erinnerte Bickle an die wechselvolle Geschichte Reilingens und seiner Katholischen Kirche St. Wendelin. Straße hieß noch Gass und eine kleine Gass halt Gässel. Die Hauptstraße war entweder die obere, mittlere oder untere Straße.

Grundsteinlegung von St. Wendelin 1901, Weihung beim Wendelins-Patrozinium 1905. Auch die drei Glocken hatten ihre Geschichte. Von den drei Bronzeglocken wurden zu Kriegszwecken 1914/18 zwei eingeschmolzen, die letzte verbliebene Glocke nach Plankstadt verkauft.
Anekdote am Rande: 1920 kamen die drei neuen Glocken, benannt nach Maria, Joseph und Wendelin am Neulußheimer Bahnhof an und wurden von Reilinger Bauern mit Pferd und Wagen abgeholt und Wert darauf gelegt, dass es „katholische“ Pferde waren. Und auch die Geschichte des katholischen Pfarres, der sein Mittagsmahl im evangelischen Gasthaus Hirsch einnahm, brachte die Gekommenen zum Schmunzeln.

Interessant auch, das mit dem Baubeginn der Kirche die Kirchenstraße ihren ersten Kanal bekam. 1963/64 wurde der Kirchenraum und die Altäre renoviert sowie Witterungsschäden am Kirchendach und Turm beseitigt. 1973 traten zur Pfarrgemeinderatswahl erstmals auch Frauen an und 1976 hatte die Kirchengemeinde ihre letzte Nähschwester. Vorstandsmitglied Marcel Dörfer unterstützte Philipp Bickle mit großen mitgebrachten historischen Bildern, die einen Blick in die vergangene Zeit gaben.

27 Stufen führten im Inneren der Kirche zu Organist Wolfgang Müller, der die Gäste zu Klängen von Johann Pachelbel empfing. Gerne gab er Auskunft über die Besonderheiten der Orgel und seinen Pfeifen, die im Gegensatz zur Ev. Kirche einen eigenen Spieltisch haben. Fragen, wie sich Temperaturen auf die Orgel auswirken, und auch wie er zu seinem umfassenden Wissen und zu seinem Können gekommen ist, beantwortete er gerne. Mit zeitgenössischen Klängen von Gorden Young verabschiedete Müller die Gäste  Philipp Bickle gab noch Informationen zu den Altären. Auch zu den Statuen des Hl. Josef, dem Hl. Wendelin sowie dem Taufstein, die noch aus der Ursprungskirche 1788 stammen.

Auf dem Weg in Richtung Oberdorf berichtete Bickle in munteren Geschichten über gewesene Handwerksbetriebe, Läden, Gastbetriebe, Zigarrenfabriken und Menschen, welche in den dreißiger bis fünfziger Jahren Reilinger Geschichte schrieben. Von der Hausnummer 81, der Alten Post, von Uhrmacher Hooker zur Bäckerei Fritz Mannherz (Bürgermeister und Ehrenbürger), Sodafabrik Mitsch  bis hin zur Hausnummer 118, dem Kreuzbäcker und  der Gastwirtschaft Gambrinus in der Gartenstraße erfuhren die beeindruckten Spaziergänger noch nie Gehörtes.

Das Leben verlief noch in ruhigen Bahnen. U oder Uznamen bestimmten die Zeit., so Bickle  So wurde z.B. aus dem Bäcker Weißbrod, der zudem im Gemeinderat saß, sein U-Name „Ratsbäcker“. Jüdische Mitbewohner hatten keine Namen und wurden „Reilinger“ und nach ihrem Gewerbe benannt.

Bevor der historische Spaziergang bei Familie Scheidt, bei Faßbier, gezapft von Herrn Krüger zu Ende ging, zeigte Rosita Scheidt in ihrer gemütlichen Stube fingerfertig an ihrem Webstuhl alte Handwerkstechniken.

Zu den bildhaften Ausführungen von Philipp Bickle mit viel Sachkenntnis und Leidenschaft vorgetragen,  brauchte man nur kurz die Augen zu schließen, um sich in die damalige Zeit zurück zu versetzen. Dank seines beispiellosen Engagements für den Heimatverein wäre viel zur dörflichen Geschichte Reilingens mit allen ihren Geschichten und Gebäuden für immer verloren. Deshalb verabschiedeten sich die Spaziergänger mit einem herzlichen Dankeschön bei Philipp Bickle.

Da passt  doch zum Ende des informativen Spaziergangs, der einen Blick in die Vergangenheit und den unaufhaltbaren Fortschritt, den die Gemeinde Reilingen bisher erlebt hat, ein Zitat des ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschlands  Konrad Adenauer:
„Ein Blick in die Vergangenheit hat nur Sinn, wenn er der Zukunft dient“.


Renate Hettwer

Fotos: W. Dorn

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