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Die Ziegelgasse und ihre Geschichten: Die Wirtschaft "Zum Pfälzer Hof" (Teil 1)
[Online seit 28.02.2023]
Vor über 70 Jahren wurde ein traditionsreiches und bekanntes Gasthaus, das seither zahlreichen Gästen und Vereinen eine liebgewonnene Unterkunft ist, eröffnet. Der „Pfälzer Hof“ an der Ecke Alte Friedhof Straße/ Ziegelgasse ist gemeint. Dass hier früher einmal eine Ziegelei stand, führte wohl dazu, dass die „Ziegelgasse“ ihren Namen bekam. Christian Göbelt erinnert sich an die Erzählungen seines Großvaters Ludwig Becht (verst. 1914), den man damals nur „den Wirt Lui Ziegler“ nannte.
Seit 1791 wurden Familien deren Mitglieder “Ziegelmeister“ oder „Ziegler“ waren, im Familienbuche so bezeichnet und eingetragen. 1914 verstarb der Wirt Ludwig Becht. In seinem Familienbuch können wir lesen, dass er als „Fabrikarbeiter, Gastwirt, Landwirt und Metzger“ benannt wurde.
Im Jahre 1935 wurde das Gasthaus von einem Mann namens Martus (aus Kirrlach) und der Familie von Osmund Geiß (geb. 1902 in Reilingen) übernommen. Osmund Geiß war Metzger und hatte bereits zuvor eine Wirtschaft in Oggersheim geführt. Dieser kam mit einem französischen Ausweis im Jahre 1927 über die „französische Grenze“ wieder zurück nach Reilingen! Schon bald darauf, ab dem Jahre 1935 fanden viele Gäste in die Wirtschaft und in die Metzgerei. Diese wurde alsbald von Osmund umbenannt und hieß nicht mehr zum „Pfälzer Hof“, sondern „Zum Osmund!“.
Während des 2. Weltkrieges wurden im großen Saal des „Pfälzer Hofes“ die im Krieg gefangengenommenen, französischen Soldaten zum Schlafen eingeschlossen und tagsüber wieder zu den Reilingern Bauern zum Arbeiten geschickt.
Nach dem Krieg wurde im großen Saal ein Kino eröffnet. Sonntags konnte man sich für 50 Pfennig eine Eintrittskarte kaufen. In den Jahren 1946 bis 1952 wurde das Kino zum Tanzsaal des Gasthauses „Adler“ bis es in den 70er Jahren ganz seine Pforten schloss.
Das aus Notschlachtungen stammende „Freibankfleisch“ wurde des öfteren im Schlachtahaus des Gasthauses verkauft. Dabei bildeten sich lange Käuferschlangen, um das billige Fleisch zu erwerben. Aus jener „Notzeit“ stammt folgender Spottvers: „Rindfleisch isch deier (teuer!), Kuhfleisch isch knapp, do gehne ma zum Osmund un hole uns
Trabb-Trabb (Pferdefleisch)!“
Da das Fleisch knapp war, behalf man sich in der damaligen Zeit eben mit Pferdefleisch!
Bilder: Französischer Ausweis von Osmund Geiß, da nach dem 1. Weltkrieg die heutige pfälzische Rheinseite ab Speyer französisch war
Postkarte „Pfälzer Hof“
„Club der verarmten Millionäre“ im Jahre 1952 an der Kerwe mit Osmund Geiß (Junior und Senior)
Fotos: Philipp Bickle