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Vom "Muckefuck"oder ähnlichem Kaffee in Notzeiten (Teil 1) oder von "Kathreiner" und "Linde´s"

[Online seit 28.09.2020]

Als „Muckefuck“ wird im Deutschen ein nicht aus Kaffebohnen gebrühter „Ersatzkaffee“ bezeichnet. Zahlreiche Erklärungsversuche für  den Ursprung dieses Wortes werden angeboten. So sollen z. B. die evangelischen Hugenottengärtner, welche aus Frankreich ins Preußische Berlin geflohen waren, sich selbst und den Berliner Kaffeetrinkern aus der Not geholfen haben, als Friedrich der Große im 18. Jahrhundert den Zoll auf Bohnenkaffee stark erhöhte. Sie rösteten Zichorienwurzeln, die sie dem verdünnten Kaffee beimischten und so ein Getränk von intensiver schwarzer Farbe erhielten. So sei aus dem französisch „ verballhornten“ mocca faux  (falscher Mokka) das Wort Muckefuck entstanden. Es gibt aber noch viele weitere Erklärungen, wie es zu diesem Wort gekommen sein soll.
Heute wird „Muckefuck“ nicht nur aus der Zichorie (“Zigohrie“ im Reilinger Dialekt gesprochen) hergestellt, sondern auch aus gemälzter Gerste ( Malzkaffee ) oder geröstetem Roggen.

Als Beispiel wollen wir uns heute einmal den früher  beliebten „Kathreiner“ vorstellen, welcher neben dem „Lindes“ auch nach dem Kriege zu den meist benützten Kaffeesorten in den Reilinger Haushalten gehörte.
1829 gründete der Münchner Kaufmann und frühere Feldwebel Franz Kathreiner ein Kleinunternehmen, das seit 1842 als Gewürz- und Kolonialwarenhandlung betrieben wurde. 1889 begann der Münchner Nahrungsmitteltechniker Heinrich Tillich mit Forschungen über einen Ersatzkaffeaus Gerste, die ab 1890 von der Kathreiner AG finanziert wurden. Obwohl erst 1892 als „Patent“ anerkannt, wurde schon 1891 „Malzkaffee“ produziert. Schon am 1. März 1891 hatte der „Wasserdoktor“ Sebastian Kneipp, zugestimmt, seinen Namen für „Kneipp´s Malz-Kaffee“ zur Verfügung zu stellen. Kneipp ( 1821 – 1897) selbst warnte vor dem Konsum von Bohnenkaffee, den er als „Giftpflanze“ und „Menschenmörder“ verfluchte. Er warb für Kaffee aus Gerstenmalz, „so sauber wie Milch und so gesund und so kräftig wie Brot“.  „Kathreiner“ wurde als „Gesundheitskaffee“ bekannt. 1896 bestätigte Kneipp seine Unterschrift, bei der er „mit seinem Kopf“ für die Güte des Malzkaffees bürgte. Er riet seinen Wörrishofer Kurgästen: „ Trinkt Malzkaffee! Den Kaffee aus geröstetem Braumalz!“

Die Geschäfte gingen gut. Inzwischen gab es aber einen Konkurrenten, den Zichoriekaffee „Lindes“ in der blauen Verpackung aus Württemberg. Es war der Kampf „ rotes katholisches“  Kathreiner-Malz gegen „ blaue evangelische“ Franck-Zichorie. 1910 baute Kathreiner am Karlsruher Rheinhafen ein neues Malzkaffee-Werk. Die Firma  Franck baute dann am Neusser Rheinhafen eine eigene Roggen-Malz-Produktion  mit dem Namen „Kornfranck“ auf.
Nach langer Zeit kam es 1913 zu einer Zusammenlegung der Firmen mit endgültigem Friedensschluss 1915 zwischen den beiden heftigen Konkurrenten Heinrich Franck Söhne und Franz Kathreiners Nachfolger.
In den Kriegsjahren, sowohl im Ersten und Zweiten Weltkrieg, so wie in den Nachkriegsjahren wurden die Malz- und Zichorie-Kaffee-Ersatzprodukte nicht nur als billiger Ersatz, sondern als die gesündere Initiative gelobt. So wurde nun die neue Marke „ Linde´s Kaffeemittelmischung“ so erfolgreich, dass „Linde´s“ später zur Hauptsorte in der Friedenszeit nach 1945 und im Wirtschaftsaufschwung der 1950er Jahre wurde. 

Quellen: Werbeschild  und Kathreinerpaket aus dem Heimatmuseum;  1 Werbeseite aus dem Illustrierten Deutschen Flottenkalender von 1913; Internet:  Wikipedia und industriegeschichte.at


Philipp Bickle/ Fotos: Philipp Bickle

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