Gemeinde Reilingen

Seitenbereiche

Volltextsuche

Was suchen Sie?

RSS

Facebook

Kontrast

Schriftgröße:

Seiteninhalt

Wir berichten

Dienstmädchen (Teil 3) oder "Leichtfertige Liebschaften werden energisch unterdrückt!

[Online seit 21.09.2020]

Aus „Spemanns Schatzkästlein des guten Rats“ (Stuttgart, Berlin, Leipzig von Anton Deutsche Verlagsgesellschaft 1892 ) entnehmen wir folgende Anweisungen:
Nachtruhe.  

„ Unsere selige Mutter  pflegte zu sagen: Um 10 Uhr mussten alle zu Bette sein. Gleichermaßen versuchte sie, den Dienstboten ihre Sonntagsruhe zu erhalten und dieselben, da sie das Herumstreifen natürlich nicht duldete, zu erheitern, indem sie passende Bücher und Zeitschriften in die Gesindestube gab.
Liebschaften. Leichtsinnige Liebschaften wurden und werden energisch unterdrückt;  findet sich aber für eines der Mädchen bei nicht weit aussehender Heirat ein anständiger Freier, so darf er an bestimmten Tagen ins Haus kommen.
Kost:  Die Kost der Dienstboten muss reichlich, kräftig und sorgfältig bereitet sein, aber einfach nach Landesgebrauch, denn alles, was sie, besondere Festtage ausgenommen, mehr bekommen, verwöhnt sie und macht sie hernach unzufrieden.
Geschenke: Was die Geschenke an die Dienstboten betrifft, zu Weihnachten ,an Neujahr oder wie es die Ortssitte mit sich bringt, da halte man sich möglichst, jedoch angemessen den eigenen Verhältnissen, an diese Ortssitte, gebe aber, wenn man unserer alten Erfahrung glauben will, n u r     G e  l  d ; zufrieden sind die Beschenkten fast nie; sagt doch Goethe: „Ist Dein Geschenk wohl angekommen“ Sie haben es eben nicht übel genommen!“ Abgelegte Sachen sollte man den Dienstboten nie geben. Gewöhnliches, ihnen Dienliches wird nicht  geachtet und ist bei dem jetzt auch unter der dienenden Klasse herrschenden Luxus kaum mehr anzubringen. Der abgelegte Putz ist oft ein echter „Fallstrick“, den man armen Dienstmädchen in den Lebensweg gelegt, denn wie manche Dienstboten werden erst durch ihre Herrschaften eitel und vergnügungssüchtig und endlich oft sehr unglücklich, denn es ist nicht zu sagen, was oft durch diesen Luxus entsteht und wie allen Lastern, besonders aber dem Diebstahl und der Unsittlichkeit T(h)ür und T(h)or geöffnet werden!“

Viele Mädchen aus Reilingen gingen um 1900 nach auswärts, um dort eine Haushaltstelle zu finden. Frau Marie Astor,  geb. Müller  (1904 – 1994), Ehefrau des verstorbenen Bauunternehmers Georg Astor, hat mir von ihrem Leben und ihrer Arbeit im Haushalt der jüdischen Textilkaufmannsfamilie Siegfried Kahn begeistert erzählt. Sie hatte dort wohl gute Erfahrungen gemacht. Selbst in hohem Alter konnte sie noch das jüdische Hauptgebet vom Freitagabend nachsprechen und erzählte, dass es in der Küche in der Hauptstraße 49 schon einen eigenen messingenen Pumpbrunnen gab, sodass man das Wasser nicht mehr  vom hölzernen Dorfbrunnen her, ins Haus tragen musste. Sie hatte ein gutes Verhältnis zu den Enkelkindern seines Sohnes Karl. Die beiden, Alfred (geb. 1914) und Gretel (geb. 1919) weilten oft in Reilingen. Sie konnten vor der Deportation fliehen und lebten später in Israel. Dem inzwischen verstorbenen Alfred gelang über Dänemark die Flucht nach Palästina. Er kam auch  nach dem Kriege noch zu einem Besuch nach Reilingen. Mit seiner inzwischen auch verstorbenen Schwester Gretel hatte ich bis zu deren Ableben telefonischen Kontakt. Im Bild erkennen wir die beiden Enkelkinder Alfred und Gretel, den Großvater Siegfried mit Ehefrau Esther Emma und der Schwiegertochter Frieda. In der Bildmitte steht Marie Astor. Es mag um 1925 gewesen sein. Marie Astor heiratete 1928 und nannte ihre älteste Tochter ebenfalls „Gretel“.  


Quelle: Karikatur aus „Das Buch für Alle“, Illustrierte Familienzeitung,  Union Deutsche Verlagsgesellschaft 1892


Philipp Bickle/Fotos: Philipp Bickle

Weitere Informationen

Archiv - Ortsgeschichte

Hier können Sie ältere Artikel zum Thema Ortsgeschichte nachlesen.

Jahr 2003
Jahr 2004
Jahr 2005
Jahr 2006
Jahr 2007
Jahr 2008